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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 30. September 1864

Liebster Manni!

Ich böse Frau, lasse Dich so lange ohne Nachricht von uns, und hätte wohl schreiben können ohne erst einen Brief abzuwarten. Der kam nun heute Morgen1 und ich danke Dir recht von Herzen dafür und dem lieben, treuen Gott für alle guten Nachrichten, die er enthält, möge es Dir fort und fort gut gehen in dem gefürchteten München und Du recht bald froh und gesund zu uns zurückkehren. Du rühmst die herrlich frische Luft, die Euch gleich auf dem Bahnhof entgegenwehte, wo Ihr gewiß recht hungrig und ermüdet angekommen seid nach der rast- und ruhelosen Fahrt; auch wir hatten Dienstag und Mittwoch herrliches Wetter, so daß die Kinder sich recht im Garten tummelten, Feuer schürten da hinter der Laube (wo sie neulich Teiche gegraben hatten) und Kartoffeln braten wollten. Der Kleine war besonders glücklich, als mal der Korbwagen vorgeholt wurde, in dem er zwar nicht fahren, dem er aber wenn auch von Weitem und mit Kreuz und Geewagen zu folgen vermochte. Seit gestern ist es aber auffallend rauh und heute weht ein abscheulicher Wind, der den Jungen eben ermuthigt seinen verunglückten Drachen fliegen zu lassen; ich verzweifle aber am Erfolg.

Alles was Du mir schreibst, interessirt mich lebhaft, besonders bin ich gespannt auf das Schicksal der Commission, deren Fortbestand außer Bayern doch wohl nur gesichert werden könnte, wenn ein andrer Fürst dasselbe Interesse dafür gewinnen würde wie unser verstorbener König, denn woher sonst die Mittel nehmen? doch scheut sich hoffentlich der junge König vor einer solchen Verleugnung der Wünsche und Absichten des Vaters. Unser armes Bayern das jetzt so wie ein steuerloses Schiff auf den Wogen treibt, möchte der junge König nicht erst durch traurige Erfahrungen den Ernst seiner Pflichten kennen lernen. Die Zeitungen bringen auch schon Andeutungen über bevorstehende Ministerwechsel, aber eben so unbestimmt als schwankend.

In unserm kleinen Reiche geht somit Alles seinen geordneten Gang, obwohl der Georg schon wieder Miene macht störrig und unglücklich beim Lernen zu werden, sowie man ihm etwas beredet; morgen bekommt er ja sein Sittenbüchlein, wollen sehen ob Deine treuen Bemühungen schon glänzende Erfolge erzielt haben. Die Mädchen sind ordentlich und spielen gegenseitig die Gouvernante, was nicht immer gut ausfällt, Sophiechen ist artig, Sigmundle seit gestern nach einer schlechten Nacht etwas verdrießlich, ich glaube er zahnt. In der Nacht, wo er fieberte und aufgeregt war rief er immer abwechselnd Mama Papa vom süßesten Schmeichelton bis zur Heftigkeit; der kleine gute Kerl.

Doch Dich wird verlangen von Deinem speziellen Reich und dem darin gesetzten Ofen zu hören, der seit gestern Mittag fertig ist und recht gut aussieht. Herr Dörr konnte gar nicht aufhören seine Arbeiten auf Kosten von Schildknecht zu rühmen, während er meinen weißen Ofen lobte, was Arbeit betrifft und mir rieth, ihn nicht umsetzen zu lassen, wobei die weißen Öfen immer mal von ihrer Schönheit verlieren, jedenfalls wollen wir abwarten, ob der Deinige merklich viel mehr leistet, was ich übrigens glaube.

Über den Abend mit Onkel und Tante bei Harsdorf und was Du mir über ihre Stimmung schreibst habe ich mich sehr gefreut und eigentlich nicht gewundert, der Onkel schließt sich ja an und für sich gerne ab und die gute Tante hat so viel Gleichmäßigkeit und Sanftheit, daß ein heftiger Schmerz d. h. der sich heftig äußert bei ihr nicht denkbar ist. Dann sind sie auch Beide so christlich fromm ergeben und im Leiden und Tragen geübt, es ist recht ein Siegeszeichen des Glaubens über das natürliche Vater und Mutterherz, das ja gewiß bei ihnen eben so warm und innig fühlt als bei Andern. Gott gebe uns Allen solch still ergebene Herzen in Leid und Freud. Grüße die gute Tante viel tausend Mal ebenso die liebe Tholuk, wenn sie noch da ist.

Morgen ist meines lieben Mutterchens Geburtstag2, ich habe dazu geschrieben und die kleine Arbeit von Annchen weggeschickt, sie werden den Tag recht still im engsten Kreis begehen, und selbst aus dem engsten Kreis fehlen Viele, die sich gleich uns nur brieflich und betend betheiligen können, Gott stärke und erhalte das theure Leben noch recht lange in ungestörter Frische und behüte der theuren Mutter alle die Liebe die Er ihr an ihr warmes Herz gelegt hat. Ich gebe es immer mehr auf, noch nach Simmelsdorf zu gehen, es ist zu rauh und herbstlich jetzt schon, und ich glaube auch kaum, daß sie noch lange bleiben, Friedrich muß in den nächsten Tagen zur Stadt, dann ist’s noch einsamer.

Dein nächster Brief wird mir wohl schon die Kunde Deines Kommens bringen, vielleicht Mondtag, wir erwarten Dich Alle mit Sehnsucht, es ist so ganz anders, wenn Du fehlst, mein Liebster, und besonders jetzt bedarf ich mehr als je Deines Armes, der mich hält und stützt, ich bin oft recht schwach und müd.3 Vor einigen Tagen hat Herr Pfarrer Wunderer seinen 8ten sage achten Sohn bekommen, auch ein überreicher Segen. Leb wohl, mein trauter Geliebter, Gott sey mit Dir und behüte Dich.

Die Kinder grüßen herzlich. In treuer Liebe Deine Susanna.

P. S. Wenn Du Dich nach Nähmaschinen erkundigst, mein Wunsch wäre: eine kleine Handmaschine die nicht den Kettenstich sondern Steppstich macht.