Gemäß unsrer Verabredung erlaube ich mir zunächst Ihnen meine Wohnung hier mitzutheilen, Schustergaße 82-83. Das Stübchen von Dr. von Kern war zwar noch zu haben, ist aber für längeren Aufenthalt gar zu klein; das meine hat zudem die gleiche günstige Lage in der Nähe des Archivs3 und liegt dem Museum4 noch etwas näher.
Nachdem mich Dr. von Kern gestern morgen, auf Ihre beiden Scheiben gestützt, in Archiv, Museum und Stadtbibliothek eingeführt hat, habe ich am Nachmittag den ersten Anfang im Copiren des Cod. no. 2855 gemacht und ihn heute morgen fortgesetzt. Die Handschrift bereitet bis auf Einzelheiten keine Schwierigkeit, doch geht das Abschreiben der eng beschriebenen Blätter immerhin etwas langsam von statten. In Ansehung der Schreibung habe ich mich genau an die von Dr. Lexer Chron. I, 297. 4756 aufgestellten Grundsätze gehalten; die Gemination der Consonanten ohne Einfluß auf den Laut geht in der Handschrift sehr weit: so schreibt sie vnnd, vnnser, vunder, verhenngten, geschworenen, wortten, wurffen usw. Hier habe ich meistens den einfachen Consonant gesetzt und bin für durchgehende Vereinfachung; straffe, feinsten, großer, u. ä. habe ich stehen laßen, da der Einfluß der Verdoppelung auf den Laut wenigstens möglich ist. Im Auslaut steht stat einzeln neben dem gewöhnlichen statt, das ich habe stehen laßen, doch ist die Vereinfachung wol auch hier wie in bischof vorzuziehen. – Neu ist der häufige anorganische Gebrauch von h, bei t sowol als sonst, wie in Thun, thurn, Thumherrn, (muntheten?), praepositional gehn, zumahl; so steht auch: ghnedig, khommen. In den ersteren Worten habe ich h, weil es fast immer gesetzt ist, stehen laßen; im Pronomen 3. Person wechseln in, im, ire, inen und ihn usw. Ich zweifle, ob man die sprachrichtige Verbannung des h in diesen Fällen durchführen soll. Die Conjunction daß, mhd. mittelhochdeutsch daz wird immer mit z geschrieben. – In anderen Fällen, wo auch in der Handschrift neben dem Verkehrten das Sprachrichtige wiederholt vorkommt, habe ich diesem immer den Vorzug gegeben.
Ist wol ein Wortverzeichniß bereits jetzt anzulegen, oder Professor Lexer besorgt werden?
wird es wie bei den ersten Bänden überhaupt vonIch bedaure daß das Archiv keine Handschrift entleiht, denn ich besorge so durch das Abschreiben ziemlich lange aufgehalten zu werden.
Zur Kenntißnahme des Inhalts der beiden Stücke dieses Codex werde ich doch erst kommen können, wenn die Abschrift weiter gediehen ist. Dagegen habe ich die Chronik über die Jahre 1552.53. genauer geprüft. Wenn auch die Fehde von 1552 vom Verhältniß des Markgrafen zum Bischof ihren Ausgang nahm, so tritt doch die Lage der Bamberger Bürgerschaft sehr bald in den Vordergrund, und von den Geldforderungen des Markgrafen an sie fällt Licht auf die financielle Lage und andere städtische Verhältniße. Ueber die Wichtigkeit des Berichtes bis zur Abführung der Geiseln hin (S. 1-108) als Stadtchronik kann überhaupt kein Zweifel sein.
Der 2te Theil, bis zum Schluß ist allerdings nur ein zum Theil sogar dürftiges Tagebuch eines der ‚Geisler’, aber ich halte seine Mittheilung dennoch für wünschenswerth: Abgesehen von den Schilderungen vom hannöverischen Hofe7 und der allgemeinen Ereigniße, so waren es immer doch die angesehensten Bürger Bambergs, die als Geiseln dienten, der Bürgermeister darunter, und es ist lehrreich zu sehen wie sie sich in der Gefangenschaft und unter Entbehrungen gehalten haben, dann auch welcher Gesichtskreis die hie und da eingereihten Bemerkungen über einzelne Städte entsprechen. Die Bemühungen der Gefangenen Geld aufzubringen zeigen, daß ihnen weder von Bamberg selbst aus, worüber wiederholt geklagt wird, eine Unterstützung zu Theil wird, und daß auch andere Städte sich nicht entschließen können ihnen auf Treu und Glauben vorzustrecken; ein Jude in Hannover will ihnen 400 Thaler schenken, wenn man 2 Juden 10 Jahr lang zu Bamberg wohnen laßen wolle.
Ich glaube daß schon um deswillen auch dieser Theil wichtig genug ist. Das Gesicht des Ganzen wird dadurch vermehrt, daß die Aufzeichnungen oder genauen Mittheilungen des alten Bürgermeisters Zeitlos ihm jedenfalls zu Grunde liegen, wenn er nicht, obgleich er in 3. Person von sich geschrieben haben würde, geradezu für den Verfaßer gelten muß. Ich führe dafür vorläufig nur einige Hauptgründe an.
Der Kreis der möglichen Verfaßer (oder ursprünglich Aufzeichner) wird dadurch beschränkt, daß er nothwendig einer der ‚Geisler’ selbst gewesen ist, und zwar der 18, die an der Flucht der Uebrigen – die Zahlangabe scheint hier nicht zu stimmen – am 16. juli 53. nicht Theil genommen haben. Vieles aber kann nur Zeitlos oder ein Genoße, Endres Reisenweber8 verzeichnet oder mitgeteilt haben, nemlich viele Unterhandlungen und insbesonders Gespräche mit der Herzogin Eli- in sabethHannover, die, wie (S. 112) ausdrücklich bemerkt wird, immer jene beiden zu sich fordern ließ. Nun wird aber Endres Reisenweber mit unter den vor 1562, dem Abfaßungsjahr des ganzen Berichtes, Gestorbenen aufgeführt. – Die vielen directen Reden, die durchweg angeführt werden, und zwar offenbar am meisten da, wo Zeitlos an Unterredungen Theil nahm, können allerdings nicht zum sicheren Beweis dienen, aber es ist zu beachten, daß sie gelegentlich einer Unterredung zwischen der Herzogin und den beiden Obengenannten gerade so weit reichen, als Zeitlos daran Theil nahm; dann heißt es: er schied von der fürstin ab und ließ den Reisenweber allwie9 bei ir stehn: von deßen Gespräch oder Abschied folgt nichts. –
Auf Zeitlos’ wenn nicht eigene Abfaßung, so doch genaue Mittheilungen weisen Stellen hin wie im ersten Theil (S. 90): in der nacht bedacht der burgermeister bei sich selbst hin und wider usw. stundt auf umb 2 Uhr, – eröffnet seine Gedanken einem Vertrauten usw. – Dann im zweiten: 28. Nov. ging der Zeitlos für sich selbst zu der fürstin, sagt niemands davon, dann – er gedacht usw. – Auf ihn als Autor weist endlich wie mir scheint, mit ziemlicher Sicherheit folgende Stelle des ersten Theils hin, die einzige wo ein Uebergang von der 3. Person zur 1. stattfindet: die vom rath reden mit dem Secretair des Mark- grafen Albrecht; darauf, heißt es, wiß er uns hinab zu Albrecht Fortschen, dem solten wirs usw. – die vom rath thetens usw. – Vergleichung der Rathsliste mit den in der Chronik gegebenen Anhaltspuncten wird hier ohne Zweifel zur Gewißheit führen.
Das persönliche Ergehen Zeitloß tritt in beiden Theilen so sehr hervor – im ersten an Stellen wie S. 76: ‚solt einer zur selben Zeit lieber ein seuhirt dann burgermeister gewesen sein’ –, daß die Aufzeichnung fast mehr für seine zahlreiche Familie als für seine Mitbürger bestimmt erscheint, zumal da sich, wie bemerkt, bittere Vorwürfe gegen die Bamberger mehrfach wiederholen. Die ganze Art der Erzählung scheint den Erinnerungen eines hochbetagten Mannes, der an den erzählten Ereignißen selbst lebhaften Antheil nahm, sehr wol zu entsprechen.
Die Handschrift hat allerdings einige Schreibfehler und einmal, wie mir scheint, eine Lücke, ist aber sonst jedenfalls correct: die Pester soll nach Dr. von Kerns Aussage mehr den Eindruck von Originalität machen.
Von der Abschrift des cod. no. 28510 schicke ich auf Ihren Wunsch einige Blätter mit.11