Für das übersandte Beglaubigungsschreiben und Ihre Zeilen vom 4. dieses Monats sage ich Ihnen besten Dank. Ich habe mich erst hier etwas orientiren wollen, ehe ich Ihnen des Weiteren berichtete. Jetzt bin ich bereits ganz eingewöhnt und kann mit den Verhältnissen hier ganz gut zufrieden sein. Die Schätze des Archivs, die auszubeuten ich in vollem Zuge bin, scheinen so reichhaltig, daß sie mich auf Lange ganz in Beschlag nehmen werden.
Bereits am Mittwoch dieser Woche konnte ich meine Arbeit beginnen. Sie ist mir von Anfang an dadurch sehr erleichtert worden, daß Archivar
Rapp mich in jeder Weise unterstützt, wie ich es mir irgend wünschen kann. Er ist ein Mann von wirklich wissenschaftlichem Sinn und Verständniß, vorurtheilsfrei und in seinem Amt, das von seinen Vorgängern sehr vernachlässigt worden ist, sehr thätig. Den Proceß und Kampf in den 30er Jahren hat er selbst bereits zum Gegenstand seiner Forschung und eines hier gehaltenen öf- | fentlichen Vortrags gemacht, der sich eben besonders auf die den Bürgern günstigen Urkunden stützte; er interessirt sich daher sehr lebhaft für den Gegenstand, und hat, nur das im Auge, daß demselben, den er für sehr epochemachend in der Bambergischen
Stadtgeschichte hält, eine möglichst vollständige und wissenschaftliche Behandlung zum Theil werde.
Es scheint in der That, daß die Streitigkeiten, die unser Bericht aufzählt, in der Geschichte der Bürgerschaft eine wichtige Stellung einnehmen und mit den sich ihnen im folgenden Jahrzehnt ausschließenden geradezu die Katastrophe des bürgerlichen Ringens nach Selbständigkeit bedeuten. Da sie bis jetzt nur sehr dürftig dargestellt sind, so scheint mir unser gerade vom bürgerlichen Standpunct aus gegebener Bericht an den Herausgeber die Aufgabe zu stellen, daß an seiner Hand – soweit es angeht – und an der Hand der Urkunden der ganze Kampf im Zusammenhang möglichst vollständig festgestellt werde. Schon die Aufgabe, dem zwar unvollständigen Bericht den richtigen historischen Werth zuzuerkennen, erfordert es.
Ich habe daher auch nicht gesäumt bis jetzt möglichst viele auf | die Streitigkeiten, insbesondere den Prozeß am Basler Concil bezügliche Urkunden in Abschrift zu nehmen und denke darin fortzufahren, was ich bis jetzt habe betrifft meistens die Maaßregeln des Capitels, das sich von Anfang an gegen die Forderungen der Bürger und Sigismunds Bulle gesetzt hat; am wichtigsten sind die Erklärungen der Bischöfe Friedrich und Anton sich nie ohne Zustimmung des Capitels zu einer Einigung mit den Bürgern herbeizulassen. Ich bin aber auch schon über die Jahre 1431-1435 hinausgegangen, um den Verlauf des Kampfs im Zusammenhang zu übersehen; Sigismund hat seine Bewilligungen von 1431 selbst 1437 zurückgenommen. – Ueberhaupt denke ich das Einschlagende so viel als irgend brauchbar ist in Abschrift zu nehmen, auch wenn nicht Alles zur Erläuterung abzudrucken ist. Die Urkundenabschriften muß ich später natürlich collationiren. Nur weiß ich nicht, wie es bei den Urkunden betreffend der
Orthographie zu halten ist. Die lateinischen habe ich buchstäblich genau genommen, doch auch da kleine Anfangsbuchstaben gesetzt und Interpunction zugefügt; weitere Auswüchse kommen in ihnen eben nicht vor. Bei den deutschen aber halte ich deren Beseitigung dem wissenschaftlichen Ge- | brauch gegenüber für ebenso gerechtfertigt als in den Codices, nur darf man wol noch zurückhaltender sein als hier. Die Schreibung derer, die ich bis jetzt copirt habe, war freilich viel reiner als die Chroniken. –
Die Abschrift der Handschrift, die von Nürnberg sofort eintraf, habe ich vollendet, soweit der erste Bericht reicht. Den Bauernkrieg denke ich nach und nach abzuschreiben. – Das Stadtarchiv will ich erst benutzen, wenn ich auf dem königlichen die Arbeiten für die erste Chronik abgeschloßen habe. Durch Verwendung von Archivar Rapp habe ich jedenfalls ungehinderten Zutritt, auch steht die Wahl eines tüchtigen Bürgermeisters bevor. –
Mit den financiellen Maaßregeln bin ich ganz einverstanden und lege die Quittung in angegebener Weise bei.
Auch außer der Arbeitszeit fühle ich mich jetzt hier ganz wol. Archivar Rapp hat sich auch in dieser Beziehung mir sehr freundlich erzeigt und mich in ein hiesiges Leseinstitut und eine Abendgesellschaft eingeführt. Die herrliche Natur thut zudem das ihrige. Die Arbeitsstunden auf dem Archiv sind denen des Reichsarchivs entsprechend von 8-1 Uhr; doch sind mir noch die Stunden von 3-5 Uhr Nachmittags gestattet. – Archivar Rapp bat mich, Ihnen unbekannter Weise seine Hochachtung auszudrücken; er bedauert noch, damals Sie nicht kennen gelernt zu haben. –
Mit herzlichem Gruß
Hochachtungsvoll
Theodor Knochenhauer.
Knochenhauer, TheodorTheodor Knochenhauer106801292718421869Knochenhauer, Theodor (1842–1869), hatte in Berlin und Göttingen Philologie, Geschichte sowie Nationalökonomie studiert und war 1863 als Schüler Georg Waitz’ in Göttingen mit seiner Dissertation über die „Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit“ zum Dr. phil. promoviert worden. Nachdem er kurzzeitig als Privatsekretär des Archivars Johann Martin Lappenberg (1794–1865) in Hamburg gearbeitet hatte, legte er 1864/65 das Oberlehrerexamen ab und wirkte eine Zeit lang als Lehrer. 1865 gab er seine Lehrertätigkeit auf und begann, auf Empfehlung Waitz’ als Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) zuerst in Nürnberg, später in Bamberg Chroniken zu sichten. In den Jahren zwischen 1864 und 1869 stand Theodor Knochenhauer in regem Briefkontakt mit Karl Hegel. In diesen Briefen berichtete er zumeist über den Fortgang seiner Forschungen. Mit nicht ganz 27 Jahren beging er Selbstmord. Hegel, der dem Bearbeiter der Bamberger Chroniken noch zu Lebzeiten zugesagt hatte, „daß sie so lange liegen bleiben“, bis er „zu ihrer Vollendung und Ergänzung abkommen können werde“, hatte wohl aus Gründen der Pietät sich gegen eine Publikation derselben in überarbeiteter Fassung entschieden, so daß diese erst nach Hegels Tod mit dem entgegenkommenden Einvernehmen der Münchener Historischen Kommission in der Publikationsreihe „Fränkische Chroniken“ der Gesellschaft für fränkische Geschichte erscheinen konnten. Sie wurden in der Historischen Zeitschrift positiv rezensiert.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.
Universitätsbibliothek (UB) Erlangen-Nürnberg, Erlangen: Ms. 2053; Ms. 2069; Ms. 2306; Rar V, 11
.
UB Erlangen-Nürnberg
1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Chroust
, Anton/
Knochenhauer
, Theodor: Chroniken der Stadt Bamberg. 1. Hälfte. Chronik des Bamberger Immunitätenstreites von 1430-1435. Mit einem Urkundenanhang. Nach einem Manuskripte von Th[eodor] Knochenhauer. Neu bearbeitet und hg. von Anton
Chroust
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. 1. Reihe. Fränkische Chroniken, Bd. 1, 1. Hälfte, postum), Leipzig 1907.
Chroust/Knochenhauer
, Chroniken Stadt Bamberg 1. Hälfte
1907
Chroust
, Anton/
Knochenhauer
, Theodor: Chroniken der Stadt Bamberg. 2. Hälfte. Chronik zur Geschichte des Bauernkrieges in der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang. Bearbeitet und hg. von Anton
Chroust
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. 1. Reihe. Fränkische Chroniken, Bd. 1, 2. Hälfte, postum), Leipzig 1910.
Chroust/Knochenhauer
, Chroniken Stadt Bamberg 2. Hälfte
1910
Rapp, Georg13692863318191893Rapp, Georg (1819–1893), Archivar, war von 1866 bis 1872 Archivvorstand des königlichen Archivs in Bamberg.
Sigmund (Sigismund), König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches11861418513681437Sigmund (Sigismund) von Luxemburg (1368–1437), tschechisch Zikmund Lucemburský, kroatisch Žigmund Luksemburški, ungarisch Zsigmond, war römisch-deutscher König (1410/11) und Kaiser (1433), Markgraf von Brandenburg (1378), ungarischer König (1387), wurde am 15. Februar 1368 in Nürnberg geboren und starb am 9. Dezember 1437. Eine nach ihm benannte Chronik, die „Chronik aus Kaiser Sigmunds Zeit“, wurde von Karl Hegel unter Mitarbeit des Historikers Theodor Kern (1836–1873) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München innerhalb des großangelegten Editionsunternehmens der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ herausgegeben und erschien zusammen mit Nürnberger Chroniken im 1. Band der Reihe.
Friedrich III., Bischof von Bamberg13177323213701440Friedrich III. (1370–1440), aus dem fränkischen Adelsgeschlecht „Aufseß“ stammend, war von 1421 bis 1431 Fürstbischof von Bamberg.
Rotenhan, Antonhttps://www.deutsche-biographie.de/sfz1087.html#indexcontent120913801um 13901459Rotenhans, Anton (um 1390–1459), aus dem fränkischen Adelsgeschlecht „Rotenhan“ stammend, in Rentweinsdorf geborener römisch-katholischer Geistlicher, der von 1432 bis 1459 Bischof von Bamberg war.
Schneider, Eugen13364517718221880Schneider, Eugen (1822–1880), Verwaltungsjurist, war von 1865 bis 1877 hauptamtlicher Bürgermeister von Bamberg.
Glaser, Ferdinand101520312417801868Glaser, Ferdinand (1780–1868), Jurist, war von 1841 bis zu seiner Pensionierung 1865 hauptamtlicher erster Bürgermeister der Stadt Bamberg.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
Urkunde, Urkunden, urkundliche DenkmälerAus dem Althochdeutschen von „urchundi“ für „Zeugnis“ stammender Begriff für ein historisches Dokument in Form eines geschriebenen, nicht literarischen Textes, der im engeren Sinne eine rechtskräftige Niederschrift einer schriftlichen, in bestimmter, wenn auch wechselnder Form abgefassten Erklärung über rechtliche Vorgänge darstellt, welche in der abendländischen Geschichte seit der römischen Antike belegt ist.
Bamberger, BambergischZu Bamberg gehörend, auf Bamberg bezogen, Bamberg zuzuordnen.
StadtgeschichteGeschichtswissenschaftliche Disziplin, die sich mit der historischen Erforschung einer Stadt beschäftigt.
BürgerlichAuf das Bürgertum bezogen, ihm zuzuordnen, zu ihm gehörend.
BaslerZu Basel gehörend, Basel zuzuordnen, auf Basel bezogen.
Sigismunds Bulle„Goldene Bulle“ (kaiserliches Gesetzbuch in Urkundenform) von 1431 innerhalb des Heiligen Römischen Reiches durch Kaiser Sigsimund (1368-1437) hinsichtlich der Neuordnung der Stadt Bamberg in Folge des Hussiteneinfalls von 1430 und des daraus erforderlichen Neubaus der Stadtmauer, woraus der langjährige sogenannte „Bamberger Immunitätenstreit“ (1430-1446) resultierte.
CapitelKörperschaft von Geistlichen eines evangelischen Kirchenbezirkes.
OrthographieOrthografie, Rechtsschreibung; auch Lehre von der Rechtschreibung.
Codex, CodicesKodex, aus dem Lateinischen stammend, Plural Codices, in Bezug auf das Mittelalter bezogen auf eine Sammlung von Handschrift(en), welche zwischen Holzdeckeln zu einer Art Buch zusammengefügt sind; im übertragenen Sinne auch Bezeichnung für eine Sammlung geschriebener oder auch ungeschriebener Verhaltensregeln innerhalb einer Gesellschaft, Menschengruppe, eines Standes etc.
Handschrift, HandschriftenIn Handschrift verfasste zumeist ältere historische Quelle(n).
BauernkriegBereits zeitgenössische, nicht von den Aufständischen selbst geprägte oder verwendete Bezeichnung vornehmlich für die Ereignisse im Jahr 1525 (mitunter auch im Gebiet des heutigen Franken, in Bamberg speziell in den Jahren 1524/25), in welchem an verschiedenen Orten Bauern, Städter und Bergleute für eine frühe Form von Menschenrechten zwischen den Jahren 1524 bis 1526 in Form von Aufständen eintraten.
Stadtarchiv BambergSpätestens auf das 13. Jahrhundert zurückgehendes Archiv der Stadt Bamberg, dessen Archivgut in der bayerischen Zeit zunächst von der städtischen Verwaltung in Form einer reponierten Altregistratur, welches 1907 als Depositum dem Staatsarchiv Bamberg zur betreuenden Verwaltung übergeben wurde.
königlichAuf einen König bzw. auf ein Königreich bezogen, dazu gehörend, diesem zuzuordnen.
Quittung, Quittungen„Quittung“ bzw. „Quittungen“ hier als finanzverwaltungsspezifische Abrechnungsgrundlage zu verstehen, bezogen auf das umfangreiche Editionsunternehmen der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, das Karl Hegel (1813-1901) für die Münchener Historische Kommission leitete, und welche für die Ausbezahlung der Remuneration an den jeweiligen Mitarbeiter erforderlich war. Dieser musste im Vorfeld eine solche Quittung als Beleg ausstellen und an den Abteilungsleiter übermitteln. Die Abrechnung erfolgte hierbei zumeist monatsweise, weswegen gelegentlich auch der Begriff „Monatsquittung“ geläufig war, für Zwischenabrechnungen oder vorläufige „Quittungen“ der Begriff „Interimsrechnung“.
Leseinstitut, Bamberg1813 gegründete, zunächst auf einer privaten Bibliothek basierende Leihbibliothek in Bamberg, die sich zu einer der größten kommerziellen Leihbibliotheken in Bayern entwickelte.
AbendgesellschaftIm 19. Jahrhundert im erstarkenden Bürgertum aufgekommener Begriff in Anlehnung an die Soireen (= Synonym zu Abendgesellschaften) des Adels, die nun mit voranschreitender bürgerliche Emanzipation auch ihren Weg aus der Adelswelt in die bürgerliche Gesellschaft fanden und in nunmehr bürgerlichen privaten Salons entsprechend kopiert wurden.
Königlich Bayerisches Allgemeines Reichsarchiv (München)Vorläufer des heutigen Bayerischen Hauptstaatsarchivs in München, welches seit 1812 so benannt war und seit 1826 zusammen mit den ihm unterstellten Regionalarchiven in den Regierungsbezirken dem Innenministerium unterstellt wurde; das Königlich Bayerische Allgemeine Reichsarchiv befand sich zusammen mit der Hof- und Staatsbibliothek in dem 1843 fertiggestellten Monumentalbau in der Münchener Ludwigstraße 16; nach der Revolution 1918 wurde es im Jahr 1921 in Bayerisches Hauptstaatsarchiv umbenannt.