XML PDF

Theodor Knochenhauer an Karl Hegel, Bamberg, 12. Mai 1865

Geehrtester Herr Profeßor!1

Für das übersandte Beglaubigungsschreiben und Ihre Zeilen vom 4. dieses Monats2 sage ich Ihnen besten Dank. Ich habe mich erst hier etwas orientiren wollen, ehe ich Ihnen des Weiteren berichtete. Jetzt bin ich bereits ganz eingewöhnt und kann mit den Verhältnissen hier ganz gut zufrieden sein. Die Schätze des Archivs, die auszubeuten ich in vollem Zuge bin, scheinen so reichhaltig, daß sie mich auf Lange ganz in Beschlag nehmen werden.

Bereits am Mittwoch dieser Woche3 konnte ich meine Arbeit beginnen. Sie ist mir von Anfang an dadurch sehr erleichtert worden, daß Archivar Rapp mich in jeder Weise unterstützt, wie ich es mir irgend wünschen kann. Er ist ein Mann von wirklich wissenschaftlichem Sinn und Verständniß, vorurtheilsfrei und in seinem Amt, das von seinen Vorgängern sehr vernachlässigt worden ist, sehr thätig. Den Proceß und Kampf in den 30er Jahren hat er selbst bereits zum Gegenstand seiner Forschung und eines hier gehaltenen öf- fentlichen Vortrags gemacht, der sich eben besonders auf die den Bürgern günstigen Urkunden stützte; er interessirt sich daher sehr lebhaft für den Gegenstand, und hat, nur das im Auge, daß demselben, den er für sehr epochemachend in der Bambergischen Stadtgeschichte hält, eine möglichst vollständige und wissenschaftliche Behandlung zum Theil werde.

Es scheint in der That, daß die Streitigkeiten, die unser Bericht aufzählt, in der Geschichte der Bürgerschaft eine wichtige Stellung einnehmen und mit den sich ihnen im folgenden Jahrzehnt ausschließenden geradezu die Katastrophe des bürgerlichen Ringens nach Selbständigkeit bedeuten. Da sie bis jetzt nur sehr dürftig dargestellt sind, so scheint mir unser gerade vom bürgerlichen Standpunct aus gegebener Bericht an den Herausgeber die Aufgabe zu stellen, daß an seiner Hand – soweit es angeht – und an der Hand der Urkunden der ganze Kampf im Zusammenhang möglichst vollständig festgestellt werde. Schon die Aufgabe, dem zwar unvollständigen Bericht den richtigen historischen Werth zuzuerkennen, erfordert es.

Ich habe daher auch nicht gesäumt bis jetzt möglichst viele auf die Streitigkeiten, insbesondere den Prozeß am Basler Concil bezügliche Urkunden in Abschrift zu nehmen und denke darin fortzufahren, was ich bis jetzt habe betrifft meistens die Maaßregeln des Capitels, das sich von Anfang an gegen die Forderungen der Bürger und Sigismunds Bulle gesetzt hat; am wichtigsten sind die Erklärungen der Bischöfe Friedrich und Anton sich nie ohne Zustimmung des Capitels zu einer Einigung mit den Bürgern herbeizulassen. Ich bin aber auch schon über die Jahre 1431-1435 hinausgegangen, um den Verlauf des Kampfs im Zusammenhang zu übersehen; Sigismund hat seine Bewilligungen von 1431 selbst 1437 zurückgenommen. – Ueberhaupt denke ich das Einschlagende so viel als irgend brauchbar ist in Abschrift zu nehmen, auch wenn nicht Alles zur Erläuterung abzudrucken ist. Die Urkundenabschriften muß ich später natürlich collationiren. Nur weiß ich nicht, wie es bei den Urkunden betreffend der Orthographie zu halten ist. Die lateinischen habe ich buchstäblich genau genommen, doch auch da kleine Anfangsbuchstaben gesetzt und Interpunction zugefügt; weitere Auswüchse kommen in ihnen eben nicht vor. Bei den deutschen aber halte ich deren Beseitigung dem wissenschaftlichen Ge- brauch gegenüber für ebenso gerechtfertigt als in den Codices, nur darf man wol noch zurückhaltender sein als hier. Die Schreibung derer, die ich bis jetzt copirt habe, war freilich viel reiner als die Chroniken. –

Die Abschrift der Handschrift, die von Nürnberg sofort eintraf, habe ich vollendet, soweit der erste Bericht reicht. Den Bauernkrieg denke ich nach und nach abzuschreiben. – Das Stadtarchiv will ich erst benutzen, wenn ich auf dem königlichen die Arbeiten für die erste Chronik abgeschloßen habe. Durch Verwendung von Archivar Rapp habe ich jedenfalls ungehinderten Zutritt, auch steht die Wahl eines tüchtigen Bürgermeisters4 bevor. –

Mit den financiellen Maaßregeln bin ich ganz einverstanden und lege die Quittung in angegebener Weise bei.

Auch außer der Arbeitszeit fühle ich mich jetzt hier ganz wol. Archivar Rapp hat sich auch in dieser Beziehung mir sehr freundlich erzeigt und mich in ein hiesiges Leseinstitut und eine Abendgesellschaft eingeführt. Die herrliche Natur5 thut zudem das ihrige. Die Arbeitsstunden auf dem Archiv sind denen des Reichsarchivs entsprechend von 8-1 Uhr; doch sind mir noch die Stunden von 3-5 Uhr Nachmittags gestattet. – Archivar Rapp bat mich, Ihnen unbekannter Weise seine Hochachtung auszudrücken; er bedauert noch, damals Sie nicht kennen gelernt zu haben. –

Mit herzlichem Gruß
Hochachtungsvoll
Theodor Knochenhauer.