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Theodor Knochenhauer an Karl Hegel, Bamberg, 17. Juni 1865

Geehrtester Herr Professor!2

Seit Ihrem letzten Brief3, für den ich bestens danke, bin ich dem nächsten Ziel, in das städtische Archiv zu gelangen, zwar nahe gerückt, habe es aber doch noch nicht erreicht. Da beide Bürgermeister4 zurückgetreten sind, fehlt es an der Behörde, die mir den Zutritt ohne weiteres gestatten könnte. Der Dr. Eugen Schneider aber, deßen Wahl man allgemein erwartet und der auch jetzt schon die größte Autorität im Magistrat besitzen soll, war auf längere Zeit verreist. Er ist, wie ich hörte, der Einzige, von deßen Einsicht ich eine schnelle Erledigung der Sache erwarten durfte. Auf seinen Rath, habe ich vor 8 Tagen eine Eingabe gemacht, bin aber bis jetzt noch nicht beschieden. Ich erfuhr heute von ihm, daß ich zugelassen werde; doch wird zuvor, da den Herren im Magistrat das Archiv ganz unbekannt ist, sie kaum wissen wo es sich befindet, der Stadtpfarrer Schweizer zu Rathe gezogen werden. Ist dieser Verzug einmal verwunden, so habe ich auch eine reiche Beute zu hoffen. Stadtpfarrer Schweizer zeigte mir die Auszüge und Abschriften, die er früher von den Städtischen Urkunden genommen hat; ihre Anzahl ist sehr bedeutend, auch für die zunächst in Betracht kommenden Jahre. – Auch das ErzbischöflicheOrdinariatsarchiv, in dem ich in der für die Capitel so wichtigen Sache Acten zu finden hoffte, habe ich mir zu öffnen gesucht, und mein schon vor Pfingsten5 eingegebenes Gesuch ist auch sehr freundlich beschieden worden. Leider hat aber die Einsichtnahme ergeben, daß sich von älteren Sachen, vor 1600, nur sehr wenig darin befindet; für unsren Zweck überhaupt nichts von Bedeutung. Der Zustand ist übrigens auch der großer Unordnung. – Auf der Bibliothek habe ich den Catalog der Bambergensien durchgesehen, weil sowol Jaeck als auch andere öfters wichtige Sachen als dort befindlich aufführen, habe aber zwar vielen, von Jaeck selbst und Anderen herrührenden handschriftlichen Wust, doch nichts Quellenmäßiges gefunden. – Nun bleibt mir noch die Bibliothek des historischen Vereins zu durchackern6 übrig. Inzwischen haben mich die zeitraubenden Collationirungen der im Original vorliegenden Urkunden mit dem Text des Codex beschäftigt; ich habe die Originale buchstäblich genau aufgenommen unter Aufnahme der Varianten des vielfach arg verderbten handschriftlichen Textes. So weit es bis jetzt möglich war, habe ich das Stück über den Bauernkrieg nun vollständig abgeschrieben. Viel ist überhaupt nicht an dieser Bamberger Litteratur. Auch in diesem Stück erhebt der Autor seinen Blick kaum über das Stadtgebiete hinaus; und einen großen Theil des Berichts füllen wieder Urkunden und dann Verhandlungen einiger Ausdrücke in der Unterwerfungsurkunde, die höchstens für Sittengeschichte von Interesse sind. – Je geringer die Bedeutung der Stücke an sich ist, um so gerathener wäre es wol sie durch Zuziehung von Archivalien zu stützen, doch soll für Bauernkrieg und Markgrafenkrieg die Menge des Materials sehr bedeutend sein. Ich will sehen, was das städtische Archiv für den Immunitätsstreit Brauchbares enthält. Auf dem königlichen Archiv habe ich doch ca. 40 Urkunden durchgenommen; mit Zuziehung der des städtischen ließe sich dann vielleicht eine von unserm Bericht unabhängige urkundliche Fixirung der Thatsachen gewinnen, von der aus der Bericht beleuchtet werden und in seinem historischen Werth bestimmt werden könnte. Lieb wäre es mir, wenn ich auch einiges für die Entstehung und Entwicklung der Stadtverfassung sonst wichtiges fände. Wer weiß, wie lange eine vollständige Veröffentlichung der Bamberger Sachen, geschweige befriedigende Bearbeitung zu Stande kömmt, und es ist noch gar zu viel zu thun. Doch werde ich immer darauf bedacht sein mich nicht zu verlieren, und die Verhältnißmäßig unbedeutenden Sachen entsprechend schneller abzumachen suchen.

Die Pfingstage habe ich bei im Ganzen guten Wetter in der fränkischen Schweiz zugebracht und bin von dem Ausflug sehr befriedigt und erfrischt worden. Hier verkehre ich am meisten mit Herrn Dr. Rapp und einem hiesigen Arzt, des Abends gewöhnlich in einer Gesellschaft von Juristen; junge Leute von gleichem Interesse fehlen natürlich, doch ist es mir sehr lieb, daß ich die eigenthümliche Art und Weise der mir bis jetzt ganz unbekannten Süddeutschen kennen zu lernen Gelegenheit habe, die Mitteldeutschen sind doch schon wieder verschieden. –

Mit hochachtungsvollem Gruß
Theodor Knochenhauer.