Ganz unversehens ist mir die Hälfte des Monats schon dahingegangen. Ich hätte nicht gedacht, daß die vielen Kleinigkeiten, die die genauere Durchsicht des Textes zu bedenken und zu berichtigen verlangt, so viele Zeit hinwegnehmen. Doch denke ich damit nun bald abgeschlossen zu haben. Ebenso mit der Redaction der Anmerkungen. Unter der Hand sind sie an manchen Stellen etwas angeschwollen, aber ich finde doch immer mehr, daß ein Bericht wie dieser entweder dem Leser ganz nackt zu bieten ist oder eine möglichst vollständige Beleuchtung durch die Urkunden verlangt. Aus diesem Grunde wäre | es mir sehr lieb, wenn ich das Material, das aus dem Nachlaß des hiesigen Sammlers von Reider in das Nationalmusem zu München gekommen ist, durch irgendwelche Vermittlung durchmustert wüßte; namentlich über die Belagerung der Stadt im Jahr 1435, vor der unser Bericht freilich gerade stehen bleibt, fehlt es hier sehr an Quellen und für die Einleitung wäre es von Wichtigkeit, wenn sich den Fabeleien, die gerade über jenes Ereignis in den bisherigen Schriften darüber umgehen, etwas Positives entgegen stellen ließe. Es sollen aber in jenem viele Urkunden, vielleicht ja auch handschriftliche
Chroniken enthalten gewesen sein. – Es ist jedenfalls gut, daß durch Veröffentlichungen des Berichts in die vielleicht wichtigste Epoche der Stadtgeschichte einiges Licht gebracht wird. Aber eben jetzt, | da ich die Ausarbeitung der Einleitung begonnen habe, wird es mir recht fühlbar, daß für ‚Chroniken der deutschen Städte’ von hier aus eigentlich gar kein Zuwachs beigebracht werden kann; die drei Stücke betreffen doch nur Episoden aus der speciellen Stadtgeschichte.
Interessant war mir, daß ich auf der städtischen Registratur die ältesten Stadtrechnungen gefunden habe; die Registratoren dort sind sehr freundliche und brauchbare Leute. Es sind aber nur einige Bruchstücke erhalten: die von 1437 bis 1449 und dann noch eine Reihe aus dem 16. Jahrhundert, leider weder die von 1431-1435 noch die von 1525. Für 1435 habe ich einen Ersatz gefunden in handschriftlichen Auszügen von Keller auf der Bibliothek, die ich da in einem Convolut
Bambergensien fand. Die Sammlung von Hand- | schriftlichem, die der historische Verein besitzt, habe ich trotz wiederholten Bemühungen noch nicht einsehen können. Ob es ganz mit rechten zugeht, weiß ich nicht. In diesem Monat werde ich das Immunitätenstück ziemlich abschließen können; ich freue mich dann Ihr Urtheil, ob ich die Art der Behandlung recht getroffen, hören zu können. – Für die Stadtgeschichte im Allgemeinen haben mir die städtischen Urkunden Einiges recht Hübsches, noch kaum Beachtetes geliefert, das sich zur allgemeinen Einleitung gut verwerthen lassen wird. Die Stadtrechnungen gäben leicht mit Anderem zu einer Beleuchtung der financiellen Verhältniße Stoff.
Etwas störend ist in letzterer Zeit die hier übergroße Hitze; doch habe ich vor, mein Zimmer mit einem viel geräumigeren, stilleren und in einem schönen Garten gelegenen zu vertauschen, das der jetzigen Wohnung sehr nahe liegt und – zur Vollendung seiner Vorzüge noch billiger ist als dieses. Von da aus werde ich mir nächste Woche wieder zu schreiben erlauben.
Für heute hochachtungsvoll grüßend
Theodor Knochenhauer.
Knochenhauer, TheodorTheodor Knochenhauer106801292718421869Knochenhauer, Theodor (1842–1869), hatte in Berlin und Göttingen Philologie, Geschichte sowie Nationalökonomie studiert und war 1863 als Schüler Georg Waitz’ in Göttingen mit seiner Dissertation über die „Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit“ zum Dr. phil. promoviert worden. Nachdem er kurzzeitig als Privatsekretär des Archivars Johann Martin Lappenberg (1794–1865) in Hamburg gearbeitet hatte, legte er 1864/65 das Oberlehrerexamen ab und wirkte eine Zeit lang als Lehrer. 1865 gab er seine Lehrertätigkeit auf und begann, auf Empfehlung Waitz’ als Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) zuerst in Nürnberg, später in Bamberg Chroniken zu sichten. In den Jahren zwischen 1864 und 1869 stand Theodor Knochenhauer in regem Briefkontakt mit Karl Hegel. In diesen Briefen berichtete er zumeist über den Fortgang seiner Forschungen. Mit nicht ganz 27 Jahren beging er Selbstmord. Hegel, der dem Bearbeiter der Bamberger Chroniken noch zu Lebzeiten zugesagt hatte, „daß sie so lange liegen bleiben“, bis er „zu ihrer Vollendung und Ergänzung abkommen können werde“, hatte wohl aus Gründen der Pietät sich gegen eine Publikation derselben in überarbeiteter Fassung entschieden, so daß diese erst nach Hegels Tod mit dem entgegenkommenden Einvernehmen der Münchener Historischen Kommission in der Publikationsreihe „Fränkische Chroniken“ der Gesellschaft für fränkische Geschichte erscheinen konnten. Sie wurden in der Historischen Zeitschrift positiv rezensiert.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.
Universitätsbibliothek (UB) Erlangen-Nürnberg, Erlangen: Ms. 2053; Ms. 2069; Ms. 2306; Rar V, 11
.
UB Erlangen-Nürnberg
1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Chroust
, Anton/
Knochenhauer
, Theodor: Chroniken der Stadt Bamberg. 1. Hälfte. Chronik des Bamberger Immunitätenstreites von 1430-1435. Mit einem Urkundenanhang. Nach einem Manuskripte von Th[eodor] Knochenhauer. Neu bearbeitet und hg. von Anton
Chroust
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. 1. Reihe. Fränkische Chroniken, Bd. 1, 1. Hälfte, postum), Leipzig 1907.
Chroust/Knochenhauer
, Chroniken Stadt Bamberg 1. Hälfte
1907
Chroust
, Anton/
Knochenhauer
, Theodor: Chroniken der Stadt Bamberg. 2. Hälfte. Chronik zur Geschichte des Bauernkrieges in der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang. Bearbeitet und hg. von Anton
Chroust
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. 1. Reihe. Fränkische Chroniken, Bd. 1, 2. Hälfte, postum), Leipzig 1910.
Chroust/Knochenhauer
, Chroniken Stadt Bamberg 2. Hälfte
1910
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
Redaction, Redactionen (Redaktion)Redaktion hier als Tätigkeit in Bezug auf die Herausgabe einer historisch-kritischen Quellen-Edition; auch: Zeitungsredaktion.
Urkunde, Urkunden, urkundliche DenkmälerAus dem Althochdeutschen von „urchundi“ für „Zeugnis“ stammender Begriff für ein historisches Dokument in Form eines geschriebenen, nicht literarischen Textes, der im engeren Sinne eine rechtskräftige Niederschrift einer schriftlichen, in bestimmter, wenn auch wechselnder Form abgefassten Erklärung über rechtliche Vorgänge darstellt, welche in der abendländischen Geschichte seit der römischen Antike belegt ist.
Nationalmuseum, Bayerisches (München)Das Bayerische Nationalmuseum in München ist ein kunst- und kulturhistorisches Museum, welches auf eine Initiative des bayerischen Königs Maximilian II. Joseph (1811-1864) zurückgeht und nach den Plänen von Karl Maria Aretin (1796-1968) verwirklicht wurde, welcher auch von 1855 erster Direktor des neuen Münchner Museums wurde. Das neue Nationalmuseum in München kann auch als wittlelbachisch-dynastisches Pendant zum 1852 in Nürnberg gegründeten Germanischen Nationalmuseum angesehen werden. Der erste Museumsbau begann Ende der 1850er Jahre in der Maximilianstraße nahe der Isar, Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte aufgrund der mittlerweile sehr umfangreichen Sammlung ein Neubau in der Prinzregentenstraße, in den nächsten Jahrhunderten erfolgten Erweiterungen.
Quelle(n), historischeTexte als Quellen und andere Zeugnisse wie Sachquellen, Bildquellen, auch Zeitzeugenberichte und Ähnliches sowie abstrakte Quellen, die die vergangene Geschichte unmittelbar erleuchten und dabei helfen, bei historisch-kritischer Behandlung, die Vergangenheit entsprechend zu beleuchten, zu rekonstruieren, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen sowie einordnen und bewerten zu können; eindeutig abgegrenzt werden die Quellen von der fachwissenschaftlichen Literatur in Form sogenannter Darstellungen, in der Germanistik auch als Sekundärliteratur im Gegensatz zur Primärliteratur bezeichnet.
Fabelei, FabeleienHier gebraucht im Sinne von: Fantasiegeschichte(n), erfundene Geschichte(n), Phantastik, Erdichtetes, Erfundenes, nicht der Wirklichkeit Verpflichtetes oder ihr Entsprechendes.
handschriftlichAuf eine Handschrift bezogen, ihr zuzuordnen, zu ihr gehörend; von Hand verfasst.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
StadtgeschichteGeschichtswissenschaftliche Disziplin, die sich mit der historischen Erforschung einer Stadt beschäftigt.
Registratur, städtischeInnerhalb einer städtischen Verwaltung bestehender Raum für Akten, Urkunden, Karteien etc.
Stadtrechnung, StadtrechnungenNachweis bzw. Buchführung über die Verwendung der öffentlichen Gelder, in Nürnberg nachweisbar seit 1340; Stadtrechnungen dürften dort jedoch bereits im 13./frühen 14. Jahrhundert in irgendeiner Form geführt worden sein; ab 1377 sind sie für Nürnberg regelmäßig (mit Lücken) überliefert. Karl Hegel (1813-1901) edierte eine solche (aus dem Jahr 1388) als Beilage zur Edition der „Stromerschen Chronik“ im ersten Band seiner umfangreichen, im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgegebenen Editionsreihe der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“; vgl. dazu
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 1, Nürnberg, Bd. 1
, S. 263ff.
Registrator(en), städtische/-rVerwaltungsbeamte(r) einer Stadt, registerführende(r) städtischer Beamte(r); siehe hier auch: Registratur, städtische.
Convolut (Konvolut)Begriff aus dem Archiv- und Bibliothekswesen für ein Bündel von Schriftstücken, Drucksachen et al.
BambergensienSammlung des ersten Bibliothekars der 1803 gegründeten heutigen Staatsbibliothek Bamberg Heinrich Joachim Jaeck (1777-1847) mit Archivalien Bamberg betreffend, die er dementsprechend „Bambergiensien“ bezeichnete und welche in sachlich-thematischer Gliederung vorliegt.
Historischer Verein BambergDer Historische Verein Bamberg, der auch über eine eigene Bibliothek verfügt, ist einer der ältesten deutschen historischen Vereine, dessen Gründung 1830 auf Initiative des bayerischen Königs Ludwig I. (1786-1868) erfolgte.
Immunität, ImmunitätenAus dem Lateinischen von: „immunita“ für: Dienst- und Abgabefreiheit, zurückgehend auf die römische Antike für die Freiheit der kaiserlichen Domänen von öffentlichen Abgaben und Lasten, was sich in der Spätantike auch auf den kirchlichen Bereich übertrug und auch weiterhin Bestand hatte.