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Karl Hegel an Ferdinand Frensdorff, Erlangen, 18. Juli 1865

Geehrter Herr Doctor!1

Ich mußte Ihre Sendung2 8 Tage liegen lassen, bis ich zur Durchsicht des Manuscripts kommen konnte, weil ich mit anderen Geschäften – unter Anderem Begutachtung einer Doctordissertation und eines Habilitationsgesuchs – überladen war.

Nun habe ich gestern und heute die Einleitung genau, das Übrige nur rasch durchgenommen, will aber die Rücksendung nicht länger verzögern, damit Sie noch Zeit behalten die letzte Hand anzulegen und der Druck nicht aufgehalten werde.

Ich kann Ihre Bedenken gegen die Veröffentlichung der Chronik und Ihrer Bearbeitung derselben nicht theilen. Ihr Urtheil über jene ist, meine ich, ein ungünstigeres als sie verdient. Sie ist sachlich doch gar nicht ohne Interesse,besonders in dem ersten Abschnitt, der die ältere Geschichte nach Meisterlin giebt und damit diesen überflüssig macht und noch mehr in dem vierten, der wie Sie Halbbogen 4 und 5 ausführen, manches Eigenthümliche und darunter einiges Besondere hat, und wie ich meine den Anonymus II entbehrlich macht, da wir ja ohnehin den Mülich aufnehmen wollen. Mit einer Arbeit wie der des Mülich läßt sich freilich diese Chronik so wenig vergleichen, wie mit dem Zink und es scheint mir, daß Sie durch diese beiden einigermaßen verwöhnt sind und dies unsere Chroniken allzu sehr empfinden lassen. Als Ganzes hat diese Chronik ferner den Vorzug vor Wahraus und etwa Anonymus II, daß sie auf die älteste Zeit zurückgeht und wenigstens den Versuch einer umfassenden Geschichte der Stadt3 bis auf ihre Zeit herunter macht, wenn dieses auch im Einzelnen ungeschickt genug ausgefallen ist, Ich glaube daher nicht, daß wir dies Stück entbehren können, welches auch mit den ähnlichen Nürnberger Chroniken des 15 Jahrhunderts, dem Schreiber Anonymus und dessen Fortsetzungen ganz wohl den Vergleich aushält.

Ob Sie bei weiteren Nachforschungen im handschriftlichen Material auch zu mehreren Aufschlüssen über die Quellen und den sonstigen Zusammenhang der Chronik gelangen würden, ist mir doch sehr zweifelhaft. Anderes hat sich eben bisher nicht auffinden lassen und dabei muß man sich vorläufig beruhigen. Was Sie aus den Handschriften des Mülich und des späten Schieß sollten gewinnen können, sehe ich nicht recht ab. Sollte sich wirklich später noch etwas zur Sache Dienliches finden, so kann man das als Nachtrag oder Berichtigung geben. Desgleichen ist unvermeidlich bei derartigen Arbeiten und auch mir und Kern schon begegnet.

Ihre Arbeit ist durchaus gründlich und lobenswerth und es wäre Jammerschade sie um Ihrer Scrupel willen zu cassiren; ich bin fest davon überzeugt, daß Sie Ihnen zur Ehre gereichen wird.

Was das Einzelne anbetrifft, so hätte nach meinem Gefühl die Einleitung kürzer gefasst werden können. Bei der nochmaligen Durchsicht werden Ihnen selbst einige Wiederholungen auffallen. Bei der Beurtheilung der Chronik haben Sie Ihre ungünstige Meinung so sehr vorwalten lassen, daß Ihr Schlußurtheil auf Halbbogen 62 das Gute, was Sie Halbbogen 4 und 5 selbst zugestanden haben, wieder zurück zu nehmen scheint. Warum nicht dem Leser das allgemeine Urtheil überlassen, nachdem man ihm alle Handhaben dazu geboten hat?

Der Chronist hat eine Reihe von Quellen und Chroniken benutzt – von allgemeineren dieser Art besonders die Sächsische Chronik (Eike) und Königshofen – wie andere auch, die es wahrhaftig nicht besser, sondern eher noch schlechter gemacht haben; Warum soll er davon immer nur eine Vorlage gesetzt haben, die das schon Alles zusammengebracht und aus der er nur ungeschickt excerpirt hat? Eine derartige Vorlage ist ein bequemes Auskunftsmittel, das aber doch ganz in der Luft steht und von dem man deshalb möglichst absehen sollte. Ich halte es für durchaus wahrscheinlich und annehmbar, daß der Autor die sächsische Chronik in einer oberdeutschen Bearbeitung und Fortsetzung selbst benutzt hat, ebenso wie auch den Königshofen.

Sollte was Sie gleich auf Halbbogen1 über Meisterlin’s Chronographie sagen, nicht besser in Ihrer ausbreitenden Überschrift über die Augsburger Historiographie stehen?

Einiges andere habe ich am Rand bemerkt.

Das Eingeklammerte auf Halbogen 54 und 61 könnte wohl wegfallen, da eigentlich nur schon Gesagtes wiederholt wird.

Die Einleitung zu Küchlin hat mich besonders befriedigt. Als Beilage eignet sich das Stück ganz gut. Zu der Deutung Germanae4 weiß ich nichts beizubringen; da sie mit der eigenthümlichen Fabelei des Autors zusammenhängt, so wird sie sich schwerlich ebenso schon anders erfinden.

Also, möchten Sie nicht säumen die letzte Hand an das Werk zu legen und es sodann getrosten Muthes nach Leipzig absenden.

Hochachtungsvoll
Der Ihrige
Carl Hegel