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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 15./16. August 1865

Mein liebster Herzensmann!

Eben von Nürnberg zurückgekommen will ich den heutigen Tag nicht vorüber gehen lassen, ohne Dir, Du Liebster, von uns Nachricht zu geben. Möchten diese Zeilen Dich nur recht gesund und vergnügt über all das Schöne, das Du bis jetzt gesehen antreffen und Du uns auch bald ein Lebenszeichen geben. Ich war am Freitag1 kaum zu Hause als mir ein Brief von Luise gebracht wurde der mir die Ankunft der Eltern in Nürnberg für denselben Abend mittheilte. Da konnte ich mich denn recht zu Euch in all das unruhige Treiben versetzen2, und begleitete Euch im Geiste auf den Glockenhof, während ich zu Hause Besuch von Raumers annahm, die Dich schön grüßen, Dir glückliche Reise wünschen und für ihre Person mit Sack und Pack nach Winterhausen gehen. Samstag hattest Du ja schönes Reisewetter, wenn auch etwas heiß, aber die Fahrt über den See war gewiß wundervoll. Sonntag hatte ich vor nach Nürnberg zu gehen für den Nachmittag, um alle Lieben, auch Löffelholz, den Luise Samstag erwartete, zu sehen, den Mondtag Morgen wollte ich noch bleiben wegen Besorgungen, da kam eine telegraphische Depesche, daß Löffelholz nicht gekommen und so gab ich es auf, schon am Sonntag heimzufahren, Montag war Gustelchen wieder gar nicht recht wohl, abermaliger Aufschub, und obwohl er wieder keine gute Nacht gehabt hat, und ich Dorsch heute Morgen kommen ließ, so habe ich mich auf dessen Versicherung, daß keine Gefahr sei, entschlossen Mittag heim zu fahren um doch endlich mal meinen Plan auszuführen und alle Lieben zu sehen. Ich fand dann auch Alle wohl und heiter, Löffelholz war seit Mondtag früh da, unser Brautpaar schwimmt in Wonne, morgen muß er aber leider wieder fort um in 4 Wochen dann zur Hochzeit zu kommen, der Tag ist jetzt festgesetzt, der 14te September, also jedenfalls nach Manuel, von dem unbegreiflicher Weise noch kein Brief gekommen, aber auch in seinem Brief an die Eltern nach Wildbad bezeichnet er die erste Woche September als Zeit seiner Verheirathung3. Aber wie wird’s dann mit Dresden? gerade am 14ten solltest Du dort sein, nun kommt Zeit, kommt Rath, bist Du erst wieder hier, wird es sich schon einrichten.

den 16ten. Ich konnte gestern nicht mehr weiter schreiben, obwohl wir den Dienstag als Brieftag ausgemacht hatten, ich wollte doch auch so gerne erste Nachricht von Dir abwarten und sieh, heute Morgen kam Dein lieber ausführlicher Brief4, ein rechter Sonnen- blick, habe tausend Dank dafür. Wie freue ich mich der angenehmen Reisegesellschaft, wohin ging denn Ziemssen? Möchtest Du jetzt nur am Genfersee recht schönes helles Wetter haben, heute ist es bei uns wieder trüb, doch regnet es nicht, ob Du wohl Gaudins aufgesucht5 und getroffen hast?

Bei uns geht es wenigstens abwechselnd und mannigfaltig zu, richtig das vergaß ich zu melden, Anna hat sich, nachdem sie Sonntag einen sehr vergnügten Nachmittag und Abend bei Stintzings zugebracht hat, am Mondtag schnell entschlossen, die andre Mandelgeschwulst ausschneiden zu lassen, um doch Ruhe zu haben, die Operation selbst war sehr leicht und fast schmerzlos aber gestern und heute hat sie viel Schmerzen beim Sprechen und Schlucken, hoffentlich wird’s bald wieder gut sein. Die andern sind wohl und auch ordentlich, die Mädchen haben noch Schule, Georg läßt mit unveränderter Leidenschaft Drachen steigen, doch erwächst ihm durch den Geismarkt neue Freude und Zerstreuung, so daß es schwer hält, ihn zur Arbeit zu bewegen und dabei zu erhalten. Wegen der Schreibstunden fragte ich, Löffler verweist aber wodurch die Stunden unterbrochen werden, es lohnt sich also nicht, anzufangen; wir wollen nun alleine unser Möglichstes thun. Sophiechen war gestern glücklich in Nürnberg, ich habe sie aber wieder mitgebracht, weil das kleine Luischen6 noch bei der Großmutter in Fröhstockheim ist, so werden sich die kleinen Mädchen vors Erste gar nicht kennen lernen. Dein Liebling, Mundel war heute Morgen sehr glücklich sowohl über die Wiederkehr der Mama, als über eine zierliche Windmühle, die die gute Großmama ihm von der Reise mitgebracht hat und mit der er nun immer im Garten herumläuft und Alle zu Zeugen aufruft, wenn sich die Flügel drehen: sieh her, schau, jetz drehts. Er und alle lassen Papa schön grüßen, er weiß recht gut, daß der liebe Papa in der „Weiz“7 ist.

Mit unserm Gustele geht’s, so so, nicht schlechter, aber auch nicht besser und Dorsch ist mir heute zu meiner Freude mit einem Anerbieten gekommen, das ich als Bitte auf dem Herzen hatte nämlich Prof. Herz mal mit zu bringen, da eben doch der Zustand des Kleinen wenn auch nicht bedenklich, aber doch recht hartnäckig ist; mir ist der Rath von Herz sehr viel werth und wird mir seine Aussprache hoffentlich rechte Beruhigung geben.

Sorge Dich nicht, um den Kleinen, er ist ganz so, wie bisher, aber er soll eben wieder besser werden mit Gottes Hülfe. Nun leb wohl, mein Geliebter, behüte Dich der treue Gott, daß Du recht glücklich zu uns zurückkehrst und wir Dich froh und freudig empfangen von den Lieben in Nürnberg, besonders von Schwager August und Louis schöne Grüße.

Schreibe mir bald wieder und denke in Liebe

Deiner Susanna.