La Tour bei Vevey, Donnerstag, 24. August
1865.
Liebes Suschen! Deinen ersten Brief habe ich über Genf erhalten. Du hast ihn zwei Tage später abgeschickt, als die Abrede war, Du böse Frau! Doch ich weiß, was Du zu Deiner Entschuldigung sagen kannst und ich will nicht böse sein. Du hast die Freude gehabt die Eltern wiederzusehen. Was Du über Gustelchen schreibst lautet nicht besonders befriedigend, doch tröste ich mich mit Dir in der Hoffnung, daß das Kind bald wieder in einen besseren Weg kommen werde. Ich warte immer noch auf Deine Antwort auf meinen Brief von hier; wenn sie heute und morgen nicht ankommt, werde ich sie nicht mehr empfangen. Ich habe keine längere Ruhe hier, so schön es ist. Hätte mich das schlechte Wetter nicht festgehalten, ich wäre schon vor einigen Tagen fort. Wir haben fast täglich Regengüsse; gestern und vorgestern waren sie besonders stark und anhaltend, dann folgten wieder wunderschöne Momente, so gestern Abend bei Sonnenuntergang, und heute morgen. Während ich Dir schreibe, sehe ich vor mir den blauen Wasserspiegel mit den Bildern der Wolken und der von ihnen bedeckten Berge; nur heute früh zeigten sich die letzteren in reiner Klarheit. Gern möchte ich noch, ehe ich diese Gegenden verlasse den Montblanc sehen; ich sah ihn nicht von Genf aus; in dem Winkel des Sees, wo ich jetzt bin, au fond du lac, kann man ihn überhaupt nicht sehen. Ich will aber heute Nachmittag noch einen Ausflug nach Martigny ins Wallis unternehmen und hoffe dort in der Nähe, vielleicht vom Col de Balme, wenn das Wetter günstig ist, den Blick zu gewinnen. | Morgen Abend denke ich wieder hier zu sein und übermorgen will ich dann die Rückreise über Neuschatel, Biel, Schaffhausen einschlagen, so daß ich bis Montag Abend oder wenn dies nicht möglich ist – um mich nicht zu sehr abzuhetzen – bis Dienstag bei Euch einzutreffen hoffe.
Ich habe in den ersten Tagen meines hiesigen Aufenthalts einige schöne Ausflüge in die Umgebung ausgeführt – nach Montreux und Umgebung, nach Schloß Chillon, welches auf einem Felsen im See sehr romantisch liegt und von Lord
Byron besungen worden ist. Auf meinen Spaziergängen hat mich meist der gute Gottlieb begleitet. Er ist ein guter, gewissenhafter Junge, der sich alle Mühe gibt französisch zu lernen, aber noch nicht weit damit gekommen zu sein scheint; eine besondere Schwierigkeit bereitet die schlechte fränkische Aussprache. Sein Lehrer, bei dem er mit 4 oder 5 anderen Pensionären im Hause wohnt, Ms. Combe ist ein alter Schwätzer; dafür ist die verheiratete Tochter, Mad. Neßler, die sich auch viel Mühe mit Gottlieb giebt, um so liebenswürdiger; ihr Mann, ein Pfälzer, ist ebenfalls unterrichtet und angenehm. Ich war einige Mal Abends dort und es wurde von den beiden Töchtern Musik gemacht. Ich selbst habe mir aus einer buchbibliothek meinen Bach verschafft und spiele täglich mit dem recht guten Pariser Instrument unserer Pension. Auch mit der Gesellschaft von russischen und griechischen Familien, die sich in dieser zusammengefunden unterhalte ich mich ganz gut. |
Gestern war ich sehr erfreut Häusser zu begegnen, der seiner Gesundheit wegen einige Wochen am Lago maggiore verweilen will und auf der Durchreise sich hier aufhielt. Er hat schon seit einem Jahr ein beschwerliches Herzleiden. Von ihm erfuhr ich, daß die Augsburger Allgemeine Zeitung vor einigen Tagen einen halboffiziellen Artikel gebracht hat, worin enthalten, daß der König die Fortdauer der Historischen
Commission auf 15 Jahre gesichert habe; es wird also wohl indeß schon die Einladung zur Sitzung nach München erfolgt sein.
Mittags. Eben habe ich Deinen lieben Brief vom 21. erhalten und mit großer Freude gelesen. Es ist so vieles darin, was mich herzlich berührt hat, daß ich noch eine lange Antwort darauf schreiben müßte. Dazu habe ich aber jetzt keine Zeit, da ich noch vor dem Essen meine Sachen zusammenpacken will, um heute Nachmittag nach Martigny abzureisen. Der Tag ist sehr schön geworden und ich hoffe, daß das Wetter morgen gut bleiben wird. So schlecht wie Ziemssen habe ich es doch nicht getroffen und es würde mich reuen, so bald umgekehrt zu sein. Der Moskauer Professor ist nur der dortige Ziemssen von mir genannt worden, weil er dasselbe Fach der Medizin vertritt; übrigens heißt er Warwinsky. Herrn Favran, Partner in Lausanne, habe ich dort besuchen wollen, aber er war nicht anwesend. So ist es mir auch mit den Adressen von Herzog gegangen, so weit ich von ihnen Gebrauch machen wollte. Ich freue mich von Herzen, daß es den Kindern gut geht und besonders daß sich Gustelchens Befinden bessert. Ich bedaure Annchen wegen der unangenehmen Folgen ihrer Operation möchten die späteren Folgen um so erwünschter sein! Endlich wissen wir nun das bestimmte | über Manuels Hochzeit. Nach Lautensee denke ich nun aber doch nicht zu gehen; vielleicht und eher nach Dresden.
Auf der schönen Terrasse bei der Kirche St. Martin, von der Du schreibst, war ich öfter. Friedrich hätte ich gern mitgenommen: doch finde ich es auch besser, daß er zuerst den Rhein sieht.
Tausend Grüße und ebenso viel Küsse für Dich und die Kinder! Auf frohes Wiedersehen in Erlangen
von ganzem Herzen
Dein Dich liebender Mann.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Latour (La Tour)46.4537524,6.8569063Schweizer Ort in der Nähe von Vevey.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Neuhaus
, Helmut: 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik, München 2008.
Neuhaus
, 150 Jahre Historische Kommission
2008
Hegel, August (Friedrich)August Friedrich Hegel-18641865Hegel, August (Friedrich) (1864–1865), dritter Sohn und insgesamt siebtes Kind Susanna Maria Hegels (1826–1878) und Karl Hegels.
Lord Byron, George Gordon Noel11851820817881824Lord Byron, George Gordon Noel (1788–1824), englischer Dichter der Romantik.
Combe, N. N.-Combe, N. N., Französisch-Lehrer in La Tour.
Neßler, N. N., geb. Combe-Neßler, N. N., geb. Combe, Ehefrau von Neßler, N. N.
Neßler, N. N.-Neßler, N. N., Ehemann einer Tochter Combes, N. N.
Bach, Johann Sebastian11850553X16851750Bach, Johann Sebastian (1685–1750), in Eisenach geborener Komponist, Kantor, Konzertmeister und vielseitiger Instrumentalist.
Häusser, LudwigLudwig Häusser
HiKo
11871984X18181867Häusser, Ludwig (1818–1867), aus dem Elsaß stammender Historiker, Politiker und Publizist, der von 1835 bis 1839 an den Universitäten Heidelberg und Jena Klassische Philologie studierte, in Heidelberg promoviert wurde und sich dort 1840 habilitierte. Im Jahre 1845 wurde er in Heidelberg außerordentlicher Professor und war dort von 1849 bis 1867 ordentlicher Professor der Geschichte. 1858 gehörte er zu den Gründungsmitglieder ders Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 1848 wurde er Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, von 1848 bis 1850 war er Mitglied der Zweiten Kammer der Ständeversammlung des Großherzogtums Baden, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Großherzogtum Baden.
Wolfermann, LudwigDer Kaufmann Ludwig Wolfermann war Inhaber einer Spezereihandlung (Gemischtwarenhandlung) in Nürnberg im 19. Jahrhundert.
Ziemssen, Hugo WilhelmHugo Wilhelm Ziemssen11759745718291902Ziemssen, Hugo Wilhelm (1829–1902), in Greifswald geborener Mediziner, der von 1848 bis 1854 an den Universitäten Greifswald, Berlin und Würzburg studierte, 1854 in Greifswald promoviert wurde, sich dort 1856 habilitierte und 1861 außerordentlicher Professor wurde. Von 1863 bis 1874 war er ordentlicher Professor für Innere Medizin, Spezielle Pathologie und Therapie an der Universität Erlangen und wechselte dann bis zu seinem Tode auf einen Lehrstuhl an der Universität München.
Warwinsky, Joseph W.11714596318111880Warwinsky, Joseph W. (1811–1880), russischer Medizin-Professor aus Moskau.
Favran, N. N.-Favran, N. N., Lausanne.
Herzog, Johann Jakob11676260818051882Herzog, Johann Jakob (1805–1882), im Basel geborener reformierter Theologe, von 1835 bis 1838 außerordentlicher, bis 1847 ordentlicher Professor für Historische Theologie an der Akademie Lausanne, dann bis 1854 außerordentlicher Professor für Kirchengeschichte und Exegese des Neuen Testaments an der Universität Halle und bis zur Emeritierung 1877 ordentlicher Professor für Reformierte Theologie an der Universität Erlangen.
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund Friedrich Wilhelm Sigmund Tucher116153730918461924Tucher, Friedrich Wilhelm Sigmund (1846–1924), Sohn Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), jüngster Bruder Susanna Maria Hegels (1826–1878), Taufpate Gottlieb Friedrich Hegels (1867–1874), 1867 Forsteleve in Aschaffenburg, Ehemann Auguste Marianna Tuchers, geb. Stramer (1857–1887), nach deren Tod ab 1888 Maria Margarethe Charlotte Tuchers, geb. Anns (1852–1917).
Genf, GenèveHauptort des Kantons Genf am Genfer See in der südwestlichen Schweiz gelegen.
Montblanc (Mont Blanc)45.8327056,6.8651706Mit 4810 Metern der höchste Berg der Alpen, südlich des Genfer Sees auf der Grenze zwischen Frankreich und Italien gelegen.
Martigny46.103115,7.0727354Gemeinde im Schweizer Kanton Wallis, südlich von Montreux am Genfer See gelegen.
WallisDrittgrößter Schweizer Kanton, im Süden des Landes südöstlich und östlich des Genfer Sees gelegen.
Col de Balme46.0263673,6.9702886Paß an der französisch-schweizerischen Grenze, südlich von Montreux am Genfer See gelegen.
Neuenburg (Schweiz)46.9895828,6.9292641Ehemaliges preußisches Fürstentum und französischsprachiger Schweizer Kanton, im Westen der Schweiz im Schweizer Jura an der Grenze zu Frankreich gelegen.
Biel47.1402077,7.2439029Stadt am nordöstlichen Ende des Bieler Sees, im Schweizer Kanton Bern nordöstlich der Hauptstadt gelegen.
Schaffhausen47.6960491,8.634513Etwa 20 Kilometer südwestlich von Singen am Hochrhein westlich des Bodensees gelegener Hauptort des Schweizer Kantons Schaffhausen.
Montreux46.4310831,6.9129921Etwa 90 Kilometer südwestlich von Bern am Nordostufer des Genfer Sees im Schweizer Kanton Waadtgelegener Kur- und Ferienort.
Chillon46.4142394,6.927601764032698Wasserschloß am Ostufer des Genfer Sees, südlich von Montreux gelegen.
Lago maggioreOberitalienischer See, der sich über Teile des Piemont und der Lombardei sowie des Schweizer Kantons Tessin erstreckt.
Lausanne46.5218269,6.6327025Etwa 220 Kilometer südwestlich von Zürich am Nordufer des Genfer See gelegener Hauptort des Schweizer Kantons Waadt.
Lautensee53.94772,19.29229Etwa 40 Kilometer südlich von Elbing und etwa 560 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegener Gutsbezirk in Westpreußen.
Dresden51.0493286,13.7381437An der Elbe gelegene Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Sachsen.
RheinCirca 1233 Kilometer langer, im Schweizer Kanton Graubünden entspringender Fluß im Westen des Gebietes des Deutschen Bundes, von der Schweiz, durch den Bodensee, am Ende durch die Niederlande fließend und in die Nordsee mündend.
Allgemeine ZeitungAuf den Tübinger Verleger Johann Friedrich Cotta (1764-1832) zurückgehende Tageszeitung, die mit Verlegung des Erscheinungsortes nach Stuttgart im Jahre 1798 als „Allgemeine Zeitung“ firmierte, von 1807 bis 1882 in Augsburg als „Augsburger Allgemeine Zeitung“ erschien und zu den bedeutendsten deutschsprachigen Tageszeitungen ihrer Zeit gehörte. Von 1882 bis 1925 wurde sie in München verlegt.
Historische Commission/Kommission, MünchenIm Jahre 1858 in München auf Anregung des Berliner Historikers Leopold Ranke (1795-1886) vom bayerischen König Maximilian II. Joseph (1811-1864) bei seiner Akademie der Wissenschaften gegründete Institution zur Erforschung der deutsche Geschichte.
Kirche St. Martin (Vevey)Die reformierte Kirche Saint-Martin in Vevey ist im wesentlichen ein gotischer Bau aus dem 13. und 16. Jahrhundert.