XML PDF

Karl Hegel an Maria Magdalena Tucher, geb. Grundherr, Erlangen, 18. September 1865

Liebste Mutter!

Unser liebes Gustelchen ist heute Nachmittag 2 ½ Uhr ganz unerwartet von Gott zu Sich genommen worden. Das Ende war so sanft und wie es scheint schmerzlos, daß meine liebe Frau, die bei dem Kinde war, den Tod erst an der Blässe gewahrte. Da Dorsch nicht gleich zu finden war, wurde Ziemssen gerufen. Ich kam mit diesem zugleich, als ich eben von einem Spaziergang zurückkehrte: so wenig hatten wir eine Ahnung von dem Bevorstehenden, daß wir vielmehr uns des sichtbaren Besserbefindens unseres Kindes erfreuten. Ziemssen that den Ausspruch, der alle Hoffnung nahm. Meine liebe Susanna überließ sich ihrem tiefen Schmerz. Was hat sie sich um das Kind seit einem Vierteljahr Tag und Nacht bemüht und gesorgt! Und nun da sie sich der freudigsten Hoffnung hingab, ist mit einem Mal Alles vorbei!

Dorsch war eben auch da. Auch er hat es an Sorgfalt nicht fehlen lassen; er kam täglich zwei Mal. Morgen Mittag soll die Section stattfinden.

Es wird meiner lieben Frau gewiß ein rechter Trost sein, wenn Du, liebe Mutter, herüber kommen könntest. Du wirst sie übrigens gefaßt und ergeben finden; sie ist es schon jetzt. Die Kinder haben bittere Thränen über ihr Brüderchen vergossen. Nur Sophie’chen und Mundel wissen nichts vom Tod und warum er uns schmerzt.

Ich grüße den lieben Vater und die Geschwister. An den Pathen August schreibe ich selbst noch ein Paar Zeilen.

 Dein Karl Hegel