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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, Erlangen, 12. Oktober 1865

Liebes Frauchen!

Ein schöner heiterer Morgen, der Euch in Simmelsdorf wieder einen schönen Tag verspricht. Gewiß werdet Ihr dies Wetter zu einem größeren Spaziergang benutzen. Wir denken noch mit Freude an die genußreichen Tage, die wir in Simmelsdorf verlebten. Nicht viele solche werden uns im Leben geboten. Dank den guten Eltern, die sie uns freundlich gewährt haben! Wir kamen am Montag1 zur rechten Zeit schon beim Dunkel in Ottensoos an. Es ist gut, wenn man nicht zu früh kommt, denn in dem Wartezimmer, das eben neu hergestellt und angestrichen wird, kann man nicht existiren, und ein anderes Unterkommen findet sich nicht. In Nürnberg war natürlich der liebende Bräutigam da, der seine Lotte ganz gehörig abküßte, dazu die älteren Crailsheims, welche Sodens erwarteten. Sie leisteten uns Gesellschaft im Wartezimmer der Staatsbahn, wo ich mit den Kindern eine gute Suppe verspeiste. Gegen 9 Uhr waren wir in Erlangen. Rudel war bereits als Sicherheitsgendarm im Haus, den ich nun fortschickte. Alles war in Ordnung. Annchen, die kleine Wirtschafterin, wird Dir das Nähere berichten, wie es seitdem im Hause steht. Unsere zimperliche Auguste ist wenig brauchbar wie immer und das fünfte Rad am Wagen: sie friert beständig und hat seit gestern Zahnweh; für ihr ferneres Unterkommen verläßt sie sich auf die Bemühungen Anderer. Auf keinen Fall möcht‘ ich sie länger behalten.

An unserer Universität hat sich das Wichtige ereignet, daß Harnack den Ruf nach Dorpat angenommen hat: es ist ein großer von Allen empfundener Verlust. Doch wird er noch bis Mitte des nächsten Jahres bei uns bleiben. Gestern Abend war Senatssitzung2 und blieb ich nachher wie gewöhnlich noch ein Stündchen mit mehreren Collegen in der Harmonie, war aber vor 9 Uhr wieder zu Hause, um nach den Kindern zu sehen. Es geht ihnen allen wohl.

Wir dürfen Dich wohl am nächsten Montag3 erwarten. Am besten würdest Du, um die Nachtfahrt mit den Kleinen zu vermeiden, mit dem Vormittagszug, der in Nürnberg 11 Uhr 28 Minuten eintrifft, abgehen und mit dem Nachmittagszug, der dort 2 Uhr 50 Minuten abfährt hier ankommen. Punkt 9 Uhr Morgens müßtest Du Simmelsdorf verlassen, weil der Zug in Lauf um 10 Uhr 44 Minuten abgeht.

Ich will sehen, ob dieser Brief bis heute Abend in Deine Hände kommt; er soll mit dem 9 Uhr Zug von hier abgehen, wird also zeitig genug in Nürnberg eintreffen, um noch auf die Ostbahn, wo der Zug erst um 12 Uhr geht, übertragen zu werden.

Vermeide nur ja die Abendfahrt; und verschiebe Deine Reise lieber auf Dienstag, wenn Du am Montag noch nicht fortkommen kannst; doch sehe ich nicht, was dis hindern sollte!

Tausend Grüße an die lieben Eltern, an Karoline und einige Küsse für Dich und die Kleinen.

 In treuer Liebe

Dein Liebster und Mann.