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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Simmelsdorf, 13. Oktober 1865

Mein liebster Herzensmanni!

Wie freue ich mich, daß Euch die schönen Tage in Simmelsdorf Dir und unsern Kindern so gut bekommen sind, und Ihr Geliebten mit ungetheilter Freude daran zurückdenken könnt. Nicht ganz dasselbe könne wir von uns sagen, nämlich Papa und ich haben einen ganz abscheulichen Schnupfen und Husten, so daß wir seit Ihr weg seid gar nicht mehr ausgegangen sind; freilich war das Wetter die ersten Tage nicht einladend, wenn auch ziemlich mild, und heute ist es wieder wundervoll sonnig und warm. Auch geht es mir entschieden besser, und auch bei Papa empfiehlt sich der lästige Gast nach und nach. Heute habe ich nun auch Nachricht bekommen, wegen Crailsheim, sie kommen wahrscheinlich morgen, vielleicht schon heute und Sophie will mit den Kinderchen einige Zeit bleiben, während Flora und Max schon am Mondtag1 wieder heimfahren. Am Besten werde ich mich ihnen anschließen, und so wie Du vorschlugest mit dem Zug gegen 4 Uhr bei Euch eintreffen. Ich habe bestimmt vor, es so zu machen, möchte Euch aber doch bitten, keine Sorge zu haben, wenn ich vielleicht erst Dinstag komme, Du weißt, mein Liebster, wie es oft geht, und die gute Mutter besonders möchte immer noch einen Tag zugegeben sehen, um das Zusammensein der Kinder mit den kleinen Crailsheims zu verlängern. Mir ist es eine wehmüthige Freude, den kleinen Eduard zu sehen, und lauter als bisher wird sich wieder der Wunsch regen, mein süßes Gustelchen möchte uns erhalten worden sein; ich darf nicht daran denken, wie das liebe Kind jetzt sein könnte, und muß aufwärts blicken, wo es als liebliches Engelchen lebt und unsrer wartet.

Sophiechen und Mundelchen waren in den letzten Tagen nicht sehr guter Laune, die Gefangenschaft im Haus hat ihnen nicht behagt, und der dicke Mundel, der ja immer bei Appetit ist, hat vielleicht auch zu viel gegessen, heute aber sind sie wieder fröhlich und vergnügt, und springen im Garten herum; es ist wunderbar schön, ich sitze in dem kleinen Cabinetchen und jeder Blick zeigt mir den schönen Osternoher Berg mit seinen bunten Laubwäldern, den Weg unter der Au, den wir am Sonnabend2 durch die Wiesen heimwärts machten, und den Rothenberg so scharf abgegrenzt in der klaren Herbstluft, daß ich mich recht von Herzen an unserem lieben Simmelsdorf erfreue; aber es wird mir in Erlangen schon auch wieder wohl sein, bin ich ja dann bei Dir und den Kindern, das ist noch besser als schöne Aussicht.

Was Du mir über Harnak schreibst, thut mir sehr sehr leid; es sind Beide so vortrefflich liebenswürdige Menschen und wir können nicht hoffen mit den Nachfolgern uns so wieder einzuleben. Sage ihnen einstweilen mein herzliches Bedauern. – Jetzt sind wohl alle Kollegen wieder zurück, denn Rosel schreibt ja schon Grüße von Johanna Thiersch, und das waren zimlich die Letzten, Sophiechen hat sich sehr über Rosels und der Geschwister Briefe gefreut, sie hat schon gar oft geschrieben aber freilich der Rosel sind sie nicht zu Händen gekommen.

Neben an wird laut Unterhaltung gepflogen, der gute Papa Walther ist hier, um sich umzusehen und eine kleine Abwechslung in sein Stillleben zu bringen, und trotz der verschlossenen Thüren höre ich jedes Wort, deßwegen verzeih mein etwas confuhses Geschreibsel; möchte nur die Auguste bald eine Stelle haben und dadurch wieder zur Ruhe kommen und doch wenigstens zu leisten was sie sonst that, denn jetzt scheint sie ja ganz unbrauchbar zu sein.

An Annchen und die andern Kinder schönste Grüße, der Rosel lasse ich sagen, um 34 Kreuzer dürfte sie Schmalz kaufen aber nicht theurer und nicht viel, denn ich bekomme hier welches.

Ich umarme Dich im Geiste und sende Dir für Deine wenigen Küsse 1000 wenns Dir nicht zu viel ist.

Deine Susanna.

Notabene. Jedenfalls komme ich mit dem Zug um 4 Uhr, Mondtag oder Dienstag.