Für die Uebermittelung der Sendungen meines Göttinger Freundes3 sage ich meinen besten Dank. Auch das Geld ist von München bald danach eingelaufen.
Die Aufzeichnung der Klosterfrau habe ich weiter geprüft und gefunden, daß nach Ausscheidung mehrerer zusammenhanglos eingeschobener und wenig wichtiger Abschweifungen sich ein chronologisch geordneter, wenn auch lückenhafter Bericht vom Markgrafenkrieg 1552-54 herausstellt, dessen Einleitung und Schluß Kaiser und Reich hereinzieht und die Verherrlichung Karls V. und seiner Familie zum Thema hat. Wenn nun auch die meisten | den Krieg betreffenden Nachrichten nichts neues bieten und vielfach der Berichtigung bedürfen, so hängen sie doch eng zusammen mit den Bamberg selbst angehenden Thatsachen. Deren Mittheilung aber ist bei dem Mangel sonstiger Nachrichten jedenfalls wünschenswerth. Dann aber bildet das Werk der Clarissin ein so geschlossenes Ganze, daß es mir bei der Spärlichkeit der BambergerGeschichtslitteraturals ganz gleichzeitige Darstellung und in seinem allgemeinerem Theil als Stimme der Zeit, überhaupt die Aufnahme in eine Sammlung der städtischen Geschichtsaufzeichnungen werth erschienen ist. Von den übrigen Bamberger Sachen sticht es keinesfalls ab, es ist vielmehr interessant, daß von den hiesigen Geschichtsschreibern gerade der Blaustrumpf auf Kaiser und Reich sein Augenmerk allein gerichtet hat. – Ich habe demnach, abgesehen von jenen Einschaltungen, die an- | merkungsweise kurz berücksichtigt werden können, die Abschrift unternommen und bis auf nochmalige Durchsicht ausgeführt; das Ganze macht einige über 100 meiner Octavseiten aus. – Auch die Abschrift der anderen Aufzeichnung ist bis auf nochmalige Durchsicht vollendet, 170 Seiten, die beiden Handschriften, von denen ich die Bamberger besonders in der Schreibweise vorgezogen habe, reichen vollkommen aus. Von den hiesigen Acten werde ich nur die auf Bamberg speciell bezüglichen zu berücksichtigen haben; sonst wird das Buch von Johannes Voigt gute Dienste leisten. Von Nürnberg habe ich mir Mehreres kommen lassen. Auch ist mir jetzt die Handschrift (Waldau) vom Bauernkrieg zugegangen. Ich könnte dennoch den noch fehlenden Excurs herstellen, wenn die beabsichtigte Behandlung dieses Berichts vom Bauernkrieg Ihre Zustimmung hat. | Meine Wohnung werde ich im Lauf der Woche verändern. Ich habe die jetzige nicht als ungesund befunden, aber das Nebeneinanderwohnen hat im Winter viel Störendes. Ich habe ein recht freundliches und gut gelegenes Zimmer gefunden, Promenandenstraße beiDrechslermeisterHammerbacher, das ich nächsten Mittwoch4 zu beziehen gedenke.
Ich darf Sie wol bitten, mir, sobald es Ihnen möglich ist, Geweißheit darüber zu geben, wie sich die Verhältniße der Kommission, insbesondere des Ihrer Leitung übergebenen Arbeitskreises in Rücksicht auf mich künftig gestalten werden. So leid es mir thun würde, wenn ich mich von der begonnenen Thätigkeit wieder zurückziehen müßte, so viel muß mir daran liegen, bald klar zu sehen, um meine Entschlüsse danach zu fassen.
Hochachtungsvoll mich empfehlend
Theodor Knochenhauer.
P. S. Der Text ist auch bei der Klosteraufzeichnung vielfach, aber nur durch Schreibfehler entstellt. Die genaue Uebereinstimmung der Abschrift vom Bauernkriegsbericht mit dem Original glaube ich versichern zu können.
1Ort und Datum stehen auf der letzten Briefseite, unten, linksbündig. 2Der hier vorliegende Brief thematisiert die Arbeiten des Historikers und ehemaligen Mitarbeiters Karl Hegels (1813-1901), Theodor Knochenhauer (1842-1869), bei der Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis in 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München, wo wer vornehmlich für die Bearbeitung der Chroniken der oberfränkischen Stadt Bamberg zuständig war, die dann erst postum in einer anderen Editionsreihe veröffentlicht wurden; vgl. dazu einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 170, 237, 239 sowie besonders S. 303 f., Anmerkung 823, sowie zur später erfolgten Edition dieser Bamberger Chroniken Chroust, Knochenhauer, Chroniken Stadt Bamberg, 1. Hälfte, Chroust, Knochenhauer, Chroniken Stadt Bamberg, 2. Hälfte.3Dies könnte der Historiker Rudolf Unsinger (1835-1874) gewesen sein, der 1862 nach Göttingen ging, um Ende des Jahres 1865 dann nach Greifswald berufen zu werden. 415. November 1865.
Knochenhauer, TheodorTheodor Knochenhauer106801292718421869Knochenhauer, Theodor (1842–1869), hatte in Berlin und Göttingen Philologie, Geschichte sowie Nationalökonomie studiert und war 1863 als Schüler Georg Waitz’ in Göttingen mit seiner Dissertation über die „Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit“ zum Dr. phil. promoviert worden. Nachdem er kurzzeitig als Privatsekretär des Archivars Johann Martin Lappenberg (1794–1865) in Hamburg gearbeitet hatte, legte er 1864/65 das Oberlehrerexamen ab und wirkte eine Zeit lang als Lehrer. 1865 gab er seine Lehrertätigkeit auf und begann, auf Empfehlung Waitz’ als Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) zuerst in Nürnberg, später in Bamberg Chroniken zu sichten. In den Jahren zwischen 1864 und 1869 stand Theodor Knochenhauer in regem Briefkontakt mit Karl Hegel. In diesen Briefen berichtete er zumeist über den Fortgang seiner Forschungen. Mit nicht ganz 27 Jahren beging er Selbstmord. Hegel, der dem Bearbeiter der Bamberger Chroniken noch zu Lebzeiten zugesagt hatte, „daß sie so lange liegen bleiben“, bis er „zu ihrer Vollendung und Ergänzung abkommen können werde“, hatte wohl aus Gründen der Pietät sich gegen eine Publikation derselben in überarbeiteter Fassung entschieden, so daß diese erst nach Hegels Tod mit dem entgegenkommenden Einvernehmen der Münchener Historischen Kommission in der Publikationsreihe „Fränkische Chroniken“ der Gesellschaft für fränkische Geschichte erscheinen konnten. Sie wurden in der Historischen Zeitschrift positiv rezensiert.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Chroust
, Anton/
Knochenhauer
, Theodor: Chroniken der Stadt Bamberg. 1. Hälfte. Chronik des Bamberger Immunitätenstreites von 1430-1435. Mit einem Urkundenanhang. Nach einem Manuskripte von Th[eodor] Knochenhauer. Neu bearbeitet und hg. von Anton
Chroust
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. 1. Reihe. Fränkische Chroniken, Bd. 1, 1. Hälfte, postum), Leipzig 1907.
Chroust/Knochenhauer
, Chroniken Stadt Bamberg 1. Hälfte
1907
Chroust
, Anton/
Knochenhauer
, Theodor: Chroniken der Stadt Bamberg. 2. Hälfte. Chronik zur Geschichte des Bauernkrieges in der Markgrafenfehde in Bamberg. Mit einem Urkundenanhang. Bearbeitet und hg. von Anton
Chroust
(= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte. 1. Reihe. Fränkische Chroniken, Bd. 1, 2. Hälfte, postum), Leipzig 1910.
Chroust/Knochenhauer
, Chroniken Stadt Bamberg 2. Hälfte
1910
Usinger, Rudolf11732235018351874Usinger, Rudolf (1835–1874), in Nienburg geborener Historiker, der von 1857 bis 1861 an der Universität Göttingen studierte, zeitweise an der Universität Berlin tätig war und sich 1863 in Göttingen habilitierte. Von 1865 bis 1868 war er außerordentlicher Professor an der Universität Greifswald, anschließend bis zu seinem Tode Ordinarius an der Universität Göttingen. Seine Anstellung an Karl Hegels (1813–1901) umfassendem Edition-Unternehmen der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ kam wegen Usingers schwerer Erkrankung nicht zustande.
Karl V., König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches11856009315001558Karl V. (1500–1558), in Gent geborener Herzog von Burgund, König von Spanien sowie König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches.
Voigt, Johannes11747238717861863Voigt, Johannes (1786–1863), aus Thüringen stammender preußischer Historiker und Hochschullehrer, der u. a. mit einer zweibändigen Monographie über „Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach“, welche 1852 in Berlin erschien, hervortrat.
Waldau, Georg Ernst11550481817451817Waldau, Georg Ernst (1745–1817), Prediger, evangelischer Theologe, Historiker, Lehrer, der auch verschiedene historische Abhandlungen verfasste, die vereinzelt im Rahmen der im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München unter der Leitung Karl Hegels (1813–1901) erarbeiteten „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ rezipiert wurden.
Hammerbacher, N. N.-Hammerbacher, N. N., war Drechslermeister in Bamberg und Zimmerwirt von Theodor Knochenhauer (1842–1869), dem Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) bei der Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
GöttingerZu Göttingen gehörend, Göttingen zuzuordnen, auf Göttingen bezogen.
KlosterfrauNonne, Ordensschwester in allgemeiner, nicht hierarchischer Bedeutung, auch für Oberin oder Äbtissin gebräuchlich.
MarkgrafenkriegIn Nürnberg gab es zwei Markgrafenkriege. Der erste fand als eigentlicher militärischer Konflikt in den Jahren 1449/50 statt, wobei die Vorläufer dafür (Bündnis des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg-Ansbach (1414-1486) mit den fränkischen Fürsten, Grafen und Rittern) seit 1446 festzumachen sind. Ziel des Markgrafen war es, Nürnberg seiner Hoheitsrechte im weiteren Umkreis und auf längere Sicht seiner politischen Unabhängigkeit zu berauben, was die Stadt durch ihre enorme Finanzkraft – trotz massiver Zerstörungen und Plünderungen auf beiden Seiten – abwehren konnte. Der Konflikt wurde mit dem Laufer Vertrag 1453, in dem Nürnberg sämtliche Hoheitsrechte behaupten konnte, beigelegt. Der zweite Markgrafenkrieg fand zwischen 1552 bis 1554 statt und ging zurück auf die Pläne des Markgrafen Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach (1522-1557), der unter Zerstörung der wirtschaftlichen Stellung Nürnbergs und durch die Säkularisierung der Hochstifte ein zollerisches Herzogtum Franken kreieren wollte. Es kam zu mehreren grausam geführten Raubzügen und schweren Verwüstungen besonders in den Bistümern Bamberg und Würzburg sowie im Nürnberger Landgebiet (Lauf, Altdorf, Hersbruck). Auch hiergegen konnte sich die Stadt Nürnberg trotz Belagerung dank seiner nochmals verstärkten Stadtbefestigung wehren, büßte anschließend jedoch durch die enorm hohen Kosten (ca. vier Millionen Gulden) dieser Verteidigung und die durch den Krieg verursachten Schäden ihre bis dahin ungebrochene Finanzkraft ein, wovon sie sich nie mehr richtig zu erholen vermochte.
KaiserEines der ältesten germanisch-deutschen Lehnwörter aus dem Lateinischen von „Caesar“ als Beherrscher des römischen Reiches, Träger der höchsten weltlichen Macht; mit Ende des antiken Kaisertums in der westlichen Reichshälfte 476 n. Chr. (im oströmisch-byzantinischen Reich noch bis 1453 bestehend) ging das weströmische Kaisertum zunächst verloren, bis es durch die päpstliche Krönung Karls des Großen im Jahr 800 in erneuerter Form als abendländisches Kaisertum wieder errichtet wurde.
Heiliges Römisches ReichDas am 6. August 1806 von Kaiser Franz II. (1768-1835) für beendet erklärte „Alte Reich“, das kein Deutsches Reich im Sinne eines Nationalstaates war.
ClarissinKlarissin, Nonne in einem Klarissenkloster: hier in Bamberg.
Bamberger, BambergischZu Bamberg gehörend, auf Bamberg bezogen, Bamberg zuzuordnen.
GeschichtsschreiberHistoriker; auch Synonym für: Chronist.
BlaustrumpfIm 18./19. Jahrhundert vorherrschende pejorativ-abwertende Bezeichnung für eine gebildete, intellektuelle Frau, die aufgrund einer geistigen Betätigung auf die von gesellschaftlicher Seite aus dem weiblichen Geschlecht zugesprochenen Eigenschaften verzichtete bzw. diese vermeintlich vernachlässigte; in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erweiterte sich der Begriff hin zur spöttischen Bezeichnung von Frauen, die nach Emanzipation strebten.
Oktavformat (Octavformat/Octaveformat/Octavo/8°)Das Oktavformat ist ein altes Schreibheft- oder Buchformat, bei dem ein Papierbogen dreimal gefaltet und auf diese Weise in acht Blätter unterteilt wurde. Dieses Papierformat ergibt pro Bogen 16 Seiten, da jedes Blatt zwei Seiten hat.
Albrecht Alcibiades (Voigt)Zweibändige Monographie von Johannes Voigt (1786-1863), aus Thüringen stammender preußischer Historiker und Hochschullehrer, über „Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-Kulmbach“, welche 1852 in Berlin erschien.
BauernkriegBereits zeitgenössische, nicht von den Aufständischen selbst geprägte oder verwendete Bezeichnung vornehmlich für die Ereignisse im Jahr 1525 (mitunter auch im Gebiet des heutigen Franken, in Bamberg speziell in den Jahren 1524/25), in welchem an verschiedenen Orten Bauern, Städter und Bergleute für eine frühe Form von Menschenrechten zwischen den Jahren 1524 bis 1526 in Form von Aufständen eintraten.
ExcursExkurs.
Promenadestraße (Bamberg)Straße in der Altstadt/Innenstadt Bambergs in der Nähe des Alten Rathauses gelegen.
DrechslermeisterMeister im Drechslerhandwerk, auch Dreher, der vornehmlich Holz verarbeitet, aber auch Horn, Elfenbein, Bernstein, Alabaster oder andere Stoffe, aus denen er komplexe Gegenstände herstellt mit seinen wichtigsten Werkzeugen, der Drehbank und das Dreheisen.
Historische Commission/Kommission, MünchenIm Jahre 1858 in München auf Anregung des Berliner Historikers Leopold Ranke (1795-1886) vom bayerischen König Maximilian II. Joseph (1811-1864) bei seiner Akademie der Wissenschaften gegründete Institution zur Erforschung der deutsche Geschichte.
AbschriftAbgeschriebener Text, Duplikat bzw. Kopie, häufig auch als Hilfsmittel im Rahmen einer historisch-kritischen Edition gebräuchlich bzw. als Textgrundlage einer Edition für die Drucklegung.
Original(e), Originalhandschrift(en); OriginalienUrsprüngliche handschriftliche Quelle(n); Originalschriften; Originalwerk (z. B. literarisches Werk etc.).
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis