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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 1. Dezember 1865

Theurer Freund!

Ich werde allerdings den Dr. Knochenhauer, und zwar schon am 1. März, entlassen. Er wird bis dahin mit den Bamberger und einigen anderen damit zusammenhängenden Sachen1 fertig sein und will ich ihn sodann nichts Neues mehr anfangen lassen, was er doch kaum fertig bringen könnte. Auch nöthigt mich die Reduction meiner Geldmittel die gleichzeitig neben einander her gehenden Arbeiten zu beschränken, da ich noch Kern als Mitarbeiter für Nürnberg habe und Frensdorff und Lexer für den zweiten Band Augsburg2 in diesem Etatsjahr zu remuneriren erwarte. Endlich will ich nicht verschweigen, daß Knochenhauers Arbeiten auch nicht völlig befriedigen; es thut mir dies um so mehr leid als er sehr viel guten Willen und ebenso viel Fleiß zeigt. Aber es fehlt ihm in sachlicher Hinsicht an Schärfe der Auffassung, in sprachlicher an der nöthigen Vorbildung und Sicherheit, und auch in der Darstellung an Präcision und Klarheit; und wird es mir mit aller Nachhülfe kaum gelingen, daß er mir seine Arbeiten recht zu Dank macht. Für die Aufgabe, die Sie ihm zugedacht haben, ist er gewiß der geeignete Mann. Er hat sich wenigstens mit dem Bamberger Archiv ganz vertraut gemacht und wird auch von archivalischer Anordnung nähere Kenntniß gewonnen haben, da man dort etwa mit einer neueren Aufstellung und Registrierung beschäftigt ist und er dem Archivar persönlich nahe steht. Ich zweifle auch nicht, daß er auf den Antrag, wenn er an ihn gelangt, mit Vergnügen eingehen wird, da er mir vor Kurzem geschrieben, daß er gern noch einige Jahre sich einer freien wissenschaftlichen Thätigkeit hingeben möchte. Darum halte ich es auch für überflüssig, ihn vorläufig wegen seiner Neigung zur Sache zu befragen, und möchte ich ihm lieber die Unruhe einer solchen Anfrage noch ersparen, ehe es zum wirklichen Anerbieten kommt. Nun will ich noch erklären, daß wenn sein früherer Eintritt, etwa schon bis zum 1. Februar, zur conditio sine qua non gemacht werden sollte, ich ihm auch die frühere Entlassung gewähren würde, um seinem äußeren Fortkommen nicht im Wege zu sein.

Da nur von einer vorübergehenden Beschäftigung bei dem Sch. Archiv3 die Rede ist, so wäre wohl an eine dauernde Anstellung nicht zu denken. Wenn eine solche in Aussicht stünde, wäre keiner besser am Platz als unser Dr. Kerler, der als Bibliothekar ganz vortrefflich ist und es ebenso als Archivar sein würde. Leider können wir ihn nicht halten, wenn er einen Ruf bekommt, da unser Ministerium oder vielmehr das königliche Cabinet eben jetzt wieder unseren dringenden Antrag auf seine feste Anstellung im Staatsdienst zum zweiten Mal unberücksichtigt gelassen hat, weil er das Unglück hat – kein Bayer zu sein!

Weizsäcker denkt für die Stelle von Dr. Menzel an Dr. Weiland, wie er mir vor Kurzem sagte, als ich ihm von Knochenhauer sprach. Eine andere Frage ist, ob einer von beiden Lust haben würde solche Handlangerdienste, wie er sich braucht, zu leisten.

Von dem großen Unglück, welches Weizsäcker vor nun drei Wochen betroffen, haben Sie wahrscheinlich gehört; er hat seine Frau im Wochenbett verloren, nachdem sie ein todtes Kind zur Welt gebracht hatte. Er war ganz verzweifelt und schien völlig allen Halt mit der Frau verloren zu haben. Doch ist er nun gefaßter. Es sind drei kleine Kinder zu versorgen, wozu er eine Fremde ins Haus nehmen mußte.

Sehr nahe geht mir Lappenbergs Tod! Wir werden des trefflichen Mannes noch oft gedenken; wie manche schöne Stunde haben wir mit ihm zusammen verlebt! Sein Bild schwebt mir lebhaft vor Augen, wie er bei unseren Ausflügen in München und ein lieber und heiterer Genosse war.

Der Band von Liliencron4 hat meine Erwartung übertroffen. Er ist gewiß für einen großen Leserkreis eine sehr willkommene Gabe und eine recht tüchtige Leistung, die auch der Commission alle Ehre macht. Daß der erste Band Augsburg5 jetzt endlich fertig ist, werden Sie von Frensdorff wissen; ich brauche seine Arbeit gegen Sie nicht erst zu loben, sie wird ihm überall zur Empfehlung gereichen.

Mit herzlichem Gruß
der Ihrige
Carl Hegel.