Um Euch ein Lebenszeichen von mir zu geben, sende ich Dir durch Freund Marquardsen einen neuen Band Chroniken1, damit Du ihn zu den anderen stellst und meiner dabei freundlich gedenkst.
Durch diesen Freund, der Euch sehen wird, hoffe ich wieder etwas Näheres von Dir und Deiner lieben Frau zu hören. Das Letzte erfuhr ich durch Häusser, den ich im August am Genfer See2 traf und dessen Gesundheitszustand mir schon damals leider recht bedenklich erschien.
In Deinem letzten Brief3 gabst Du mir Aussicht, daß Ihr uns einmal hier in Erlangen aufsuchen würdet. Möchte sie sich doch für uns verwirklichen! Im vergangenen Sommer stand es in meinem Hause nicht gut. Mein jüngstes Kind, ein Knabe im ersten Lebensjahr, der in den ersten Monaten seines jungen Daseins zu schönen Hoffnungen berechtigte, war erkrankt, nahm längere | Pflege der Mutter ganz für sich in Anspruch und starb endlich im September. Meine Frau, die sehr an dem Kinde hing, hat den ersten Verlust dieser Art sehr schwer getragen. Es bleibt uns indessen immer noch ein reicher und fröhlicher Kindersegen von 4 Mädchen und 2 Knaben zurück.
Auf den zu erwartenden Band Deiner Geschichte4 bin ich sehr gespannt. Ich denke, er wird die in den früheren Bänden angelegten und auf ein gemeinsames Ziel der Schwung hinstrebenden Fäden recht schön zum Ganzen verbinden. Und ein erster Abschluß des Bandes wäre damit glücklich erreicht.
Von der Politik des Tages hältst Du Dich wahrscheinlich so fern als ich, der ich sie nur als Zuschauer betrachte. Wie sind wir doch wieder so ganz in das alte Fahrwasser des nichtsnutzigen Diplomatie hineingerathen! Und wo sind nähere nationalen Hoffnungen der Jahre 1846 und18475 geblieben! Ein Ereigniß und Sturm wie im Jahr1848 würde uns ziemlich in derselben Rathlosigkeit, wie damals, wiederfinden.
Meinen und meiner Frau herzlichen Freundesgruß an Dich und die liebe Frau Victorie.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
UB Heidelberg
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UB Heidelberg1000
Die Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften von Karl
Hegel
, Bd. 4, Die Chroniken der schwäbischen Städte. Augsburg, bearb. von Ferdinand
Frensdorff
, Bd.1, Leipzig 1865. (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication/59551/edition/55553 )
Chroniken der deutschen Städte
, Bd. 4, Augsburg, Bd. 1
1865
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Marquardsen, HeinrichHeinrich Marquardsen11678909318261897Marquardsen, Heinrich (1826–1897), in Schleswig geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Heidelberg im Jahre 1848 promoviert wurde und sich 1852 habilitierte. Als Privatdozent für Staats- und Völkerrecht wurde er 1857 in Heidelberg außerordentlicher Professor und war anschließend von 1861 bis 1897 Ordinarius an der Universität Erlangen. Im Zusammenhang mit der Schleswig-Holstein-Problematik wandte er sich der Politik zu und war 1864/65 Präsident der Schleswig-Holstein-Vereine im Königreich Bayern, war von 1868 bis 1870 als Mitglied der Fortschrittspartei Mitglied des deutschen Zollparlaments, von 1869 bis 1892 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtages und von 1871 bis zu seinem Tode auch Mitglied des Deutschen Reichstages.
Häusser, LudwigLudwig Häusser
HiKo
11871984X18181867Häusser, Ludwig (1818–1867), aus dem Elsaß stammender Historiker, Politiker und Publizist, der von 1835 bis 1839 an den Universitäten Heidelberg und Jena Klassische Philologie studierte, in Heidelberg promoviert wurde und sich dort 1840 habilitierte. Im Jahre 1845 wurde er in Heidelberg außerordentlicher Professor und war dort von 1849 bis 1867 ordentlicher Professor der Geschichte. 1858 gehörte er zu den Gründungsmitglieder ders Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Im Jahre 1848 wurde er Mitglied des Frankfurter Vorparlaments, von 1848 bis 1850 war er Mitglied der Zweiten Kammer der Ständeversammlung des Großherzogtums Baden, 1850 Mitglied des Volkshauses des Erfurter Parlaments für das Großherzogtum Baden.
Hegel, August (Friedrich)August Friedrich Hegel-18641865Hegel, August (Friedrich) (1864–1865), dritter Sohn und insgesamt siebtes Kind Susanna Maria Hegels (1826–1878) und Karl Hegels.
Hegel, Maria (Mariechen, Mimi)Marie HegelTochter Karl Hegels-18551929 Hegel, Maria (Mariechen, Mimi) (1855–1929), dritte Tochter Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), die ab 1878 dem verwitweten Vater den Haushalt in Erlangen führte.
Hegel, Sophia (Sophiechen)Sophie Hegel-18611940Hegel, Sophia (Sophiechen) (1861–1940), vierte und jüngste Tochter Karl und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878); sie blieb unverheiratet und absolvierte Stationen in München und Göttingen in den Haushalten der Schwestern Luise Lommel, geb. Hegel (1853–1924), und Anna Klein, geb. Hegel (1851–1927), später eine ca. 20 Jahre währende Tätigkeit als Lehrerin/Erzieherin an einem englischen Mädchenpensionat in Malvern, ab 1910 wieder in der Familie ihrer schwerhörigen Schwester Anna Klein lebend und dort vor allem in der Erziehung und Krankenpflege helfend; spätere Arbeit im sozialen Bereich in Göttingen.
Hegel, Sigmund (Mundel, Mundulus, Munerle)Sigmund Hegel11657085718631945Hegel, Sigmund (1863–1945), sechstes Kind (zweiter Sohn) Karl (1813–1901) und Susanna Maria Hegels, geb. Tucher (1826–1878), Mitglied des Corps Onoldia in Erlangen, Chemiker, Kaiserlicher Geheimer Regierungsrat am Reichspatentamt in Berlin.
Genfersee, Genfer See (Lac Léman)46.361350200000004,6.393247037248148Zur Schweiz und zu Frankreich gehörender größter See in der südwestlichen Schweiz mit der Großstadt Genf am südwestlichsten Ende gelegen.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
GeschichteGeschichtswissenschaft als Universitätsdisziplin sowie als gymnasiales Unterrichtsfach; auch: historische bzw. gesellschaftswissenschaftliche Abhandlung, Darstellung, Monographie über einen speziellen konkreten oder abstrakten Forschungsgegenstand wie z. B. die Geschichte einer Stadt, Geschichte einer wissenschaftlichen Disziplin etc.
19. Jahrhundert (Gervinus)Mehrbändiges zeithistorisches Werk von Georg Gottfried Gervinus (1805-1871) zwischen 1855 und 1866 unter dem Titel in acht Bänden erschienen: „Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen“.
Politik des TagesTagespolitik, auch Metapher und Synonym für aktuelles bzw. aktuellstes Zeitgeschehen.
Fahrwasser, altes„In das alte Fahrwasser hineingeraten“ als Redewendung für: wieder alte herkömmliche Wege beschreiten, Abkehr von Neuerungen, Weitermachen wie bisher.
DiplomatieWahrnehmung (auch als Methode) der jeweiligen staatlichen Interessen eines Landes durch seine Vertreter im Ausland; auch im Sinne von diplomatischen, also taktisch-gewandtem Vorgehen oder Kalkül auch im Hinblick auf politischem Terrain und Verhandlungen mit entsprechender dezenter Handlungs- und Verhaltensweise.
VormärzEpoche vor der sogenannten Deutschen Revolution bzw. Märzrevolution 1848/49.
Einheit, deutscheIm 19. Jahrhundert ersehnte Einigung der deutschen Länder zu einem Nationalstaat.
Junges DeutschlandEine eher lockere literarische Bewegung des Vormärz, die nach der Juli-Revolution in Frankreich im Jahre 1830 stärker hervortrat und sich mit ihren liberalen Überzeugungen vor allem gegen die reaktionäre Politik Klemens Wenzel Lothar Metternichs (1773-1859), des führenden österreichischen Politikers, und der deutschen Fürsten richtete. Zum „Jungen Deutschland“ gehörten Dichter, Schriftsteller und Journalisten wie Heinrich Heine (1797-1856), Ludwig Börne (1786-1837) und Karl Gutzkow (1811-1878).
1848Anspielung auf die Ereignisse in den Jahren 1848/49, in der die deutsche Einigung zu erreichen versucht wurde; die sogenannte „Revolution von 1848/49 wird als Meilenstein der deutschen Demokratie und der Entwicklung eines deutschen Nationalstaates angesehen; zugleich ist sie Symbol für das Scheitern dieser Bestrebungen sowie für das Wiedererstarken der Monarchie im 19. Jahrhundert.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis