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Karl Hegel an Georg Gottfried Gervinus, Erlangen, 14. Dezember 1865

Lieber Gervin!

Um Euch ein Lebenszeichen von mir zu geben, sende ich Dir durch Freund Marquardsen einen neuen Band Chroniken1, damit Du ihn zu den anderen stellst und meiner dabei freundlich gedenkst.

Durch diesen Freund, der Euch sehen wird, hoffe ich wieder etwas Näheres von Dir und Deiner lieben Frau zu hören. Das Letzte erfuhr ich durch Häusser, den ich im August am Genfer See2 traf und dessen Gesundheitszustand mir schon damals leider recht bedenklich erschien.

In Deinem letzten Brief3 gabst Du mir Aussicht, daß Ihr uns einmal hier in Erlangen aufsuchen würdet. Möchte sie sich doch für uns verwirklichen! Im vergangenen Sommer stand es in meinem Hause nicht gut. Mein jüngstes Kind, ein Knabe im ersten Lebensjahr, der in den ersten Monaten seines jungen Daseins zu schönen Hoffnungen berechtigte, war erkrankt, nahm längere Pflege der Mutter ganz für sich in Anspruch und starb endlich im September. Meine Frau, die sehr an dem Kinde hing, hat den ersten Verlust dieser Art sehr schwer getragen. Es bleibt uns indessen immer noch ein reicher und fröhlicher Kindersegen von 4 Mädchen und 2 Knaben zurück.

Auf den zu erwartenden Band Deiner Geschichte4 bin ich sehr gespannt. Ich denke, er wird die in den früheren Bänden angelegten und auf ein gemeinsames Ziel der Schwung hinstrebenden Fäden recht schön zum Ganzen verbinden. Und ein erster Abschluß des Bandes wäre damit glücklich erreicht.

Von der Politik des Tages hältst Du Dich wahrscheinlich so fern als ich, der ich sie nur als Zuschauer betrachte. Wie sind wir doch wieder so ganz in das alte Fahrwasser des nichtsnutzigen Diplomatie hineingerathen! Und wo sind nähere nationalen Hoffnungen der Jahre 1846 und 18475 geblieben! Ein Ereigniß und Sturm wie im Jahr 1848 würde uns ziemlich in derselben Rathlosigkeit, wie damals, wiederfinden.

Meinen und meiner Frau herzlichen Freundesgruß an Dich und die liebe Frau Victorie.
In alter Treue
Dein Hegel.