Erlangen Freitag 29 December
1865 Morgens
Geliebtes Weib! Wie geht es Dir und den Kindern? Hoffentlich gut und keine Masern. Ich lebe hier sehr still und bin gleich fertig mit dem kurzen Bericht meiner Erlebnisse. Auf dem Bahnhof am Dienstag Abend erwarteten mich Rosel und
Sabine; die letztere trug den Nachtsack. Am Mittwoch Vormittag war Sitzung. Ich aß zu Hause und ließ unten heizen um Klavier zu spielen. Am Abend ging ich in die Harmonie. Bei Heyder war kein Polterabend und gestern keine Hochzeit, denn die Schwägerin des Bräutigams ist am ersten Feiertage gestorben und die Hochzeit auf unbestimmte Zeit verschoben. Gestern besuchte ich Schmidtlein. Mit der Reconvalescenz von Mariechen ist es so rasch voran gegangen, daß sie schon seit Weihnachten außer Bett ist und an der Weihnachtsfreude ungehindert Theil nehmen konnte. Sonst habe ich nichts gehört und Niemand gesehen. Heute will ich bei Stintzing Besuch machen. Mit einem gewissen unangenehmen Geschäft möchte ich im alten Jahr noch zum Ende kommen; besonders um Dir die damit verbundenen Unannehmlichkeiten zu ersparen – ich hoffe es für heute Abend zu erreichen.
Rosel hat vorgestern die Gartenstube gefegt und läßt grüßen. Zum Probieren der Schlittschuh waren das Wetter und frostige Umstände | günstig genug; ich hoffe, daß Georg einen guten Anfang damit gemacht hat. Auf dem Canal ist hier eine spiegelglatte Bahn, die aber leider nicht benutzt werden darf.
Schreibe mir doch noch, was Du weißt, über die Besuche von Dr. Dorsch, um einen ungefähren Maßstab für seine Honorirung zu gewinnen. Deine Antwort müßte aber wo möglich noch morgen Vormittag auf die Post kommen, damit ich sie Nachmittags erhalte.
Vor Sonntag Mittag werde ich nicht kommen.
Tausend Grüße an die lieben Eltern und Kinder alle zusammen und vor allem an Dich, meine liebe Susanna von
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Rosel-Rosel, Hilfsperson im Erlanger Haus Karl Hegels (1813–1901).
Sabina, (Sabine)-Sabina, (Sabine), Nachbarin der Familie Hegel in Erlangen.
Heyder (Heider), KarlKarl Heyder11678981618121885Heyder (Heider), Karl (1812–1885), war ab 1839 Privatdozent, ab 1847 außerordentlicher und von 1852 bis 1885 ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität Erlangen.
Schmidtlein, Eduard JosephEduard Joseph Schmidtlein11679424017981875Schmidtlein, Eduard Joseph (1798–1875), in Würzburg geborener Jurist, der von 1816 bis 1820 an den Universitäten Würzburg, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften studierte. Als außerordentlicher Professor 1823 an die Universität Landshut berufen, wechselte er 1826 mit ihr nach München und lehrte dort von 1828 bis 1834, bevor er dann bis 1870 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Erlangen war. Er war in erster Ehe mit Clara Göschen (1806–1840) verheiratet, einer Tochter des Juristen Johann Friedrich Ludwig Göschen (1778–1837). Aus seiner 1842 geschlossenen zweiten Ehe mit Therese Müller (1815–1872) stammt u. a. die Tochter Marie Schmidtlein.
Stintzing, RoderichRoderich Stintzing10127505618251883Stintzing, Roderich (1825–1883), in Altona geborener Rechtswissenschaftler, der von 1841 bis 1848 an den Universitäten Jena, Heidelberg, Berlin und Kiel studierte und 1852 in Heidelberg promoviert wurde. Im Jahre 1854 wurde er ordentlicher Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Nach seinem dortigen Rektorat wechselte er von 1857 bis 1870 an die Universität Erlangen und anschließend bis zu seinem Tode an die Universität Bonn. Wie in Basel war er auch in Erlangen (1864/65) und in Bonn (1875/76) jeweils Rektor bzw. Prorektor.
Dorsch, GustavGustav Dorsch-1830Dorsch, Gustav (* 1830), im Jahre 1855 an der Universität Erlangen zum Dr. med. promoviert, Hausarzt der Familie Hegel in Erlangen.
Nachtsack, NachtkorbReisebehältnis für den Transport von Nachtzeug wie Schlafkleidung und Toilettenartikel.
Harmonie (Erlangen)Gesellschaftshaus, in dem sich seit dem 18. Jahrhundert das höhere Bürgertum einer Stadt zu gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen versammelte. In Erlangen gründete sie – allgemein als „Clubb“ bezeichnet – 1788 der Rechtswissenschaftler Johann Ludwig Klüber (1762-1837), ab 1794 war es die „Mittwochsgesellschaft“ und ab 1809 die „Gesellschaft Harmonie“ als Geselligkeitsverein zur Pflege von Kultur und Kunst, mit dem sich eine Lesegesellschaft und die 1791 organisierte „Musikalische Gesellschaft“ verbanden. Die Erlanger „Harmonie“ verfügte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts über ein eigenes Haus am Holzmarkt in der Stadtmitte nahe der Hugenottenkirche.
Canal (Franken)Der Abschnitt Bamberg – Nürnberg des Ludwig-Donau-Main-Kanal wurde 1843 eröffnet, 1846 fand die Einweihung des ganzen Kanals mit der Enthüllung des Kanaldenkmals am Westabhang des Erlanger Burgberges statt.