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Theodor Knochenhauer an Karl Hegel, Bamberg, 26. Januar 1866

Hochgeehrter Herr Professor!

Beifolgend erlaube ich mir die Quittung für diesen Monat zur gefälligen Weiterbesorgung zu überschicken.

Ich habe inzwischen den Culmbacher Bericht aus der hiesigen Handschrift in Abschrift genommen, die wenn nicht Original, jedenfalls als ziemlich gleichzeitige Handschrift authentischen Werth hat und durchgängig correct ist. Ich fürchte nicht, mich übereilt zu haben, obgleich der Abdruck von 1863 mir noch fehlt.

Was das Interesse aller dieser Berichte für den wissenschaftlichen Codex betrifft, so schlage ich es allerdings im Ganzen nicht hoch an. Der Höfer wie der Culmbacher und auch der von mir noch nicht in Angriff genommene Schweinfurter Bericht geben da, wo sie allgemeine Thatsachen berühren sehr wenig Neues, meist aber, und zwar vorwiegend nur sehr specielle und an sich bedeutungslose Nachrichten, in dem sie die Belagerung der Städte von Tag zu Tag, und mit den kleinsten Vorkommnissen beschreiben. Auch fehlt es nicht an Wiederholungen derselben Einzelheiten in den verschiedenen Berichten. Den Hauptwerth haben sie daher nur für die Kenntniß des damaligen Belagerungswesens, und ihre Ergebnisse dafür ließen sich gewiß auf unverhätlnißmäßig kleinerem Raum zur Anschauung bringen. Für den Plan unserer Sammlung halte ich aber doch die vollständige Wiedergabe für unvermeidlich, da gerade diese Städte sonst gar nichts an historischer Litteratur besitzen, und zuletzt doch auch die ganze Art der Darstellung für das Gepräge der Zeit charakteristisch ist. Wo die Städte überhaupt wenig Bedeutung haben, muß der Leser der Städtechroniken eben auch sich auf werthlosere historische Litteratur gefaßt machen. Es ist bei Bamberg im Grunde nicht anders.

Ich war bei der zeitraubenden Abschrift allerdings etwas ungeduldig und unruhig geworden, besonders da ich so wenig Stoff zur Erläuterung geboten fand, denn auch bei dem spröden Bericht von den hiesigen Immunitäten sah ich mich wenigstens durch die Nothwendigkeit ergänzender eigener Zuthaten entschädigt. Ich habe den letzten Bericht gerade in diesen Tagen wieder vorgenommen.

Die jetzt behandelten Berichte nöthigen mich zu einer Frage. Wenn mehrere Handschriften da sind, werden doch wol die entschieden späteren und schlechteren nur da zugezogen, wo sie irgend eine bedeutliche Stelle der besseren aufzuhellen oder zu emendiren vermögen, nicht aber durchweg in Varianten berichtigt? Der Fall kommt mir jetzt vor, wo neben dem guten Culmbacher Exemplar des Schlemmer eine von dessen Nachfolger im Amt redigirte Abschrift des hiesigen Archivs vorliegt.

Herr Archivar Rapp sagt für die Beantwortung seiner Anfrage besten Dank. Er hat den fraglichen Fascikel, der unter der vorigen Verwaltung bei der Rücksendung verstellt worden zu sein scheint, bis jetzt zwar noch nicht gefunden. Das Archiv leidet noch sehr an den Folgen der frühen Nachlässigkeit. – heute bat er mich, Ihre Mitteilung für die Zusendung der Bücher von

Wächter Beiträge zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts. Tübingen 1845.

aus Königlicher Bibliothek in Erlangen2 an ihn nachzusuchen, da er in München ausgeliehen, hier nicht vorhanden sei. Für Ihre freundliche Theilnahme an meinen Plänen für die nächste Zukunft sage ich Ihnen herzlichen Dank. Indem ich wol einsehe, da eine bestimmte Zusage zum nächsten Arbeitsjahr bis jetzt unmöglich ist, denke ich doch, meinem guten Glück vertrauend, in Meiningen bis zum Herbste abzuwarten. Eine fatale Ueberraschung war nur, daß gerade das Thema, was ich mir zunächst zur Arbeit vorgenommen hatte, die Thüringische Landgrafenzeit, bereits einen Bearbeiter, Dr. 3, in einem jüngst erschienenen Werke gefunden hat, so daß ich bei dem Mangel an Hülfsmitteln in Meiningen jetzt kaum an eine eigene größere Arbeit denken kann. Dr. Rapp sprach neulich den Wunsch gegen mich aus, mich zum bairischen Archivdienst ziehen zu können und hat sich auch, so viel ich weiß, brieflich an Löher mit der Frage gewendet, ob und unter welchen Bedienungen ein Einritt für mich möglich wäre. Es wäre mir allerdings sehr viel werth, auf diese Weise vorzugsweise mich auch in Zukunft der wissenschaftlichen Thätigkeit, die mir am meisten entspricht, widmen zu können, und ich könnte vielleicht den Sommer zur mir noch fehlenden theoretischen Vorbereitung für den erforderlichen Concurs verwenden.

Hier ist es jetzt recht öde, und ohne den täglichen Umgang namentlich mit meinem Freund Dr. Müller wäre ich übel daran.

Hochachtungsvoll
Dr. Knochenhauer.