Beifolgend erlaube ich mir die Quittung für diesen Monat zur gefälligen Weiterbesorgung zu überschicken.
Ich habe inzwischen den Culmbacher Bericht aus der hiesigen Handschrift in Abschrift genommen, die wenn nicht Original, jedenfalls als ziemlich gleichzeitige Handschrift authentischen Werth hat und durchgängig correct ist. Ich fürchte nicht, mich übereilt zu haben, obgleich der Abdruck von 1863 mir noch fehlt.
Was das Interesse aller dieser Berichte für den wissenschaftlichenCodex betrifft, so schlage ich es allerdings im Ganzen nicht hoch an. Der Höfer wie der Culmbacher und auch der von mir noch nicht in Angriff genommene Schweinfurter Bericht geben da, wo sie allgemeine Thatsachen berühren sehr wenig Neues, meist aber, und zwar vorwiegend nur | sehr specielle und an sich bedeutungslose Nachrichten, in dem sie die Belagerung der Städte von Tag zu Tag, und mit den kleinsten Vorkommnissen beschreiben. Auch fehlt es nicht an Wiederholungen derselben Einzelheiten in den verschiedenen Berichten. Den Hauptwerth haben sie daher nur für die Kenntniß des damaligen Belagerungswesens, und ihre Ergebnisse dafür ließen sich gewiß auf unverhätlnißmäßig kleinerem Raum zur Anschauung bringen. Für den Plan unserer Sammlung halte ich aber doch die vollständige Wiedergabe für unvermeidlich, da gerade diese Städte sonst gar nichts an historischerLitteratur besitzen, und zuletzt doch auch die ganze Art der Darstellung für das Gepräge der Zeit charakteristisch ist. Wo die Städte überhaupt wenig Bedeutung haben, muß der Leser der Städtechroniken eben auch sich auf werthlosere historische Litteratur gefaßt machen. Es ist bei Bamberg im Grunde nicht anders.
Ich war bei der zeitraubenden Abschrift allerdings etwas ungeduldig und unruhig geworden, besonders da ich so wenig Stoff zur Erläuterung geboten fand, denn auch bei dem spröden Bericht von den hiesigen Immunitäten sah ich mich wenigstens durch die Nothwendigkeit ergänzender eigener Zuthaten entschädigt. Ich habe den letzten Bericht | gerade in diesen Tagen wieder vorgenommen.
Die jetzt behandelten Berichte nöthigen mich zu einer Frage. Wenn mehrere Handschriften da sind, werden doch wol die entschieden späteren und schlechteren nur da zugezogen, wo sie irgend eine bedeutliche Stelle der besseren aufzuhellen oder zu emendiren vermögen, nicht aber durchweg in Varianten berichtigt? Der Fall kommt mir jetzt vor, wo neben dem guten Culmbacher Exemplar des Schlemmer eine von dessen Nachfolger im Amt redigirte Abschrift des hiesigen Archivs vorliegt.
Herr Archivar Rapp sagt für die Beantwortung seiner Anfrage besten Dank. Er hat den fraglichen Fascikel, der unter der vorigen Verwaltung bei der Rücksendung verstellt worden zu sein scheint, bis jetzt zwar noch nicht gefunden. Das Archiv leidet noch sehr an den Folgen der frühen Nachlässigkeit. – heute bat er mich, Ihre Mitteilung für die Zusendung der Bücher von
Wächter Beiträge zur deutschen Geschichte, insbesondere zur Geschichte des deutschen Strafrechts. Tübingen 1845.
aus Königlicher Bibliothek in Erlangen2 an ihn nachzusuchen, da er in München ausgeliehen, hier nicht vorhanden sei. | Für Ihre freundliche Theilnahme an meinen Plänen für die nächste Zukunft sage ich Ihnen herzlichen Dank. Indem ich wol einsehe, da eine bestimmte Zusage zum nächsten Arbeitsjahr bis jetzt unmöglich ist, denke ich doch, meinem guten Glück vertrauend, in Meiningen bis zum Herbste abzuwarten. Eine fatale Ueberraschung war nur, daß gerade das Thema, was ich mir zunächst zur Arbeit vorgenommen hatte, die Thüringische Landgrafenzeit, bereits einen Bearbeiter, Dr. …3, in einem jüngst erschienenen Werke gefunden hat, so daß ich bei dem Mangel an Hülfsmitteln in Meiningen jetzt kaum an eine eigene größere Arbeit denken kann. Dr. Rapp sprach neulich den Wunsch gegen mich aus, mich zum bairischen Archivdienst ziehen zu können und hat sich auch, so viel ich weiß, brieflich an Löher mit der Frage gewendet, ob und unter welchen Bedienungen ein Einritt für mich möglich wäre. Es wäre mir allerdings sehr viel werth, auf diese Weise vorzugsweise mich auch in Zukunft der wissenschaftlichen Thätigkeit, die mir am meisten entspricht, widmen zu können, und ich könnte vielleicht den Sommer zur mir noch fehlenden theoretischen Vorbereitung für den erforderlichen Concurs verwenden.
Hier ist es jetzt recht öde, und ohne den täglichen Umgang namentlich mit meinem Freund Dr. Müller wäre ich übel daran.
Hochachtungsvoll
Dr. Knochenhauer.
1Ort und Datum stehen am unteren Ende des Briefes, letzte Seite, linksbündig. 2Theodor Knochenhauer (1842-1869) meinte hier wohl die Universitäts-Bibliothek Erlangen. 3Nicht zu lesender Name.
Knochenhauer, TheodorTheodor Knochenhauer106801292718421869Knochenhauer, Theodor (1842–1869), hatte in Berlin und Göttingen Philologie, Geschichte sowie Nationalökonomie studiert und war 1863 als Schüler Georg Waitz’ in Göttingen mit seiner Dissertation über die „Geschichte Thüringens in der karolingischen und sächsischen Zeit“ zum Dr. phil. promoviert worden. Nachdem er kurzzeitig als Privatsekretär des Archivars Johann Martin Lappenberg (1794–1865) in Hamburg gearbeitet hatte, legte er 1864/65 das Oberlehrerexamen ab und wirkte eine Zeit lang als Lehrer. 1865 gab er seine Lehrertätigkeit auf und begann, auf Empfehlung Waitz’ als Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) zuerst in Nürnberg, später in Bamberg Chroniken zu sichten. In den Jahren zwischen 1864 und 1869 stand Theodor Knochenhauer in regem Briefkontakt mit Karl Hegel. In diesen Briefen berichtete er zumeist über den Fortgang seiner Forschungen. Mit nicht ganz 27 Jahren beging er Selbstmord. Hegel, der dem Bearbeiter der Bamberger Chroniken noch zu Lebzeiten zugesagt hatte, „daß sie so lange liegen bleiben“, bis er „zu ihrer Vollendung und Ergänzung abkommen können werde“, hatte wohl aus Gründen der Pietät sich gegen eine Publikation derselben in überarbeiteter Fassung entschieden, so daß diese erst nach Hegels Tod mit dem entgegenkommenden Einvernehmen der Münchener Historischen Kommission in der Publikationsreihe „Fränkische Chroniken“ der Gesellschaft für fränkische Geschichte erscheinen konnten. Sie wurden in der Historischen Zeitschrift positiv rezensiert.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Bamberg49.8916044,10.8868478Alte Bischofsstadt in Franken, etwa 60 Kilometer nördlich von Nürnberg an der Mündung der Regnitz in den Main gelegen.
Schlemmer, Jacob13430618X1580Schlemmer, Jacob († 1580), war ein aus dem unterfränkischen Gochsheim stammender Schulmeister, Chronist, Geschichtsschreiber und bis 1574 Rektor des 1546 gegründeten Gymnasiums (vormals Kloster, welches nach der Reformation säkularisiert wurde) in Hof.
Rapp, Georg13692863318191893Rapp, Georg (1819–1893), Archivar, war von 1866 bis 1872 Archivvorstand des königlichen Archivs in Bamberg.
Wächter, Carl Joseph Georg Sigismundhttps://www.deutsche-biographie.de/sfz84176.html#ndbcontent17245579017971880Wächter, Carl Joseph Georg Sigismund (1797–1880), war Jurist und Politiker.
Löher, FranzFranz Löher
HiKo
11767685318181892Löher, Franz (1818–1892), in Paderborn geborener Historiker und Archivar, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Halle, Freiburg und München sowie umfangreicher Reisetätigkeit im europäischen Ausland im Jahre 1841 in Berlin und 1845 in Paderborn seine Examina ablegte. Neben seiner politischen Tätigkeit war er schriftstellerisch und wissenschaftlich tätig, wurde 1851 an der Universität Freiburg promoviert und 1852 an der Universität Göttingen habilitiert. Nachdem er 1858 zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften gehörte, wurde er ein Jahr später Inhaber eines für ihn geschaffenen Lehrstuhls für allgemeine Literaturgeschichte sowie Länder- und Volkskunde an der Universität München und 1864 Leiter des bayerischen Reichsarchivs.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Meiningen50.56761,10.4153029Etwa 60 Kilometer südlich von Eisenach und etwa 70 Kilometer nördlich von Schweinfurt gelegene Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Meiningen.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
Quittung, Quittungen„Quittung“ bzw. „Quittungen“ hier als finanzverwaltungsspezifische Abrechnungsgrundlage zu verstehen, bezogen auf das umfangreiche Editionsunternehmen der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, das Karl Hegel (1813-1901) für die Münchener Historische Kommission leitete, und welche für die Ausbezahlung der Remuneration an den jeweiligen Mitarbeiter erforderlich war. Dieser musste im Vorfeld eine solche Quittung als Beleg ausstellen und an den Abteilungsleiter übermitteln. Die Abrechnung erfolgte hierbei zumeist monatsweise, weswegen gelegentlich auch der Begriff „Monatsquittung“ geläufig war, für Zwischenabrechnungen oder vorläufige „Quittungen“ der Begriff „Interimsrechnung“.
Culmbacher, KulmbacherZu Kulmbach gehörend, darauf bezogen, Kulmbach zuzuordnen.
AbschriftAbgeschriebener Text, Duplikat bzw. Kopie, häufig auch als Hilfsmittel im Rahmen einer historisch-kritischen Edition gebräuchlich bzw. als Textgrundlage einer Edition für die Drucklegung.
Original(e), Originalhandschrift(en); OriginalienUrsprüngliche handschriftliche Quelle(n); Originalschriften; Originalwerk (z. B. literarisches Werk etc.).
AbdruckDrucklegung.
wissenschaftlichAuf die Wissenschaft bezogen, ihr zuzuordnen, auf ihr gründend, sie betreffend, zu ihr gehörend, sie beinhaltend.
Codex, CodicesKodex, aus dem Lateinischen stammend, Plural Codices, in Bezug auf das Mittelalter bezogen auf eine Sammlung von Handschrift(en), welche zwischen Holzdeckeln zu einer Art Buch zusammengefügt sind; im übertragenen Sinne auch Bezeichnung für eine Sammlung geschriebener oder auch ungeschriebener Verhaltensregeln innerhalb einer Gesellschaft, Menschengruppe, eines Standes etc.
HöferZu Hof, Stadt an der Saale, gehörend, Hof zuzuordnen, Hof beinhaltend.
SchweinfurterZu Schweinfurt gehörend, Schweinfurt zuzuordnen, darauf bezogen.
Stadt, StädteAllgemein in einer Landschaft, einer Herrschaft bzw. in einem Staat verkehrsgünstig, oft zentral gelegener Knotenpunkt von Handel und Gewerbe, Regierung, Verwaltung, Militär und Kult; oftmals Mittelpunkte eines Volkes und weltweit nachweisbar auch hinsichtlich früher Hochkulturen; innerhalb der europäischen Geschichte enge Verflechtung mit Markt und Handel, Ansiedlung von Kaufleuten, Handwerkern und Militär; frühes Streben auf europäischen Boden innerhalb der Städte nach Freiheit und Selbstverwaltung auch äußerlich in Form der freien Reichsstädte mit eigenem Stadtrecht („Stadtluft macht frei“) in Abgrenzung zum geltenden Landrecht, womit die Städte auch als Keimzelle des Bürgerstandes anzusehen sind. Mit seinen Arbeiten zur städtischen Verfassungsgeschichte und der Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München beteiligte sich Karl Hegel (1813-1901) führend an der faktisch-wissenschaftlichen Beweisführung hinsichtlich dieser Annahme hin zur bewiesenen Tatsache, womit seine Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der stadtgeschichtlichen Forschung als gleichsam richtungsweisend wie fundamental anzusehen sind.
Lit(t)eratur, Lit(t)eraturenLiteratur, Plural: Literaturen, im Verständnis des 19. Jahrhunderts Synonym und Oberbegriff für alle sprachlichen (mündlich oder schriftlich fixierten) Zeugnisse; im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts auch bereits verwendet als Synonym für „wissenschaftliche Fachliteratur“.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Immunität, ImmunitätenAus dem Lateinischen von: „immunita“ für: Dienst- und Abgabefreiheit, zurückgehend auf die römische Antike für die Freiheit der kaiserlichen Domänen von öffentlichen Abgaben und Lasten, was sich in der Spätantike auch auf den kirchlichen Bereich übertrug und auch weiterhin Bestand hatte.
emendirenEmendieren, verbessern, berichtigen; innerhalb der Literaturwissenschaft einen falsch oder unvollständig überlieferten Text berichtigen.
Variante, VariantenIm Rahmen einer historisch-kritischen Edition abweichende Lesart einer Textstelle bei mehreren Fassungen eines Textes.
Fascikel (Faszikel)Begriff aus dem Archiv- und Bibliothekswesen für ein Aktenbündel, eine Beiakte oder die Einheit einer Handschrift.
Universitätsbibliothek, Universitäts-Bibliothek ErlangenDie Erlanger Universitätsbibliothek wurde 1743 zusammen mit der Gründung der Universität durch den Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth (1711-1763) gegründet und verfügt heute über mehrere Standorte sowie Teilbibliotheken, die sich teilweise auch aus Fusionierungen der Universität und Neugründungen von Fakultäten im weiteren Verlauf der Universitätsgeschichte ergaben.