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Karl Hegel an Matthias Lexer, Erlangen, 21. April 1866

Sehr geehrter Herr Professor!1

Ich habe gestern den 1. Correcturbogen des 5. Bandes erhalten. Dieser wird den Zink bringen und zwar in extenso.2 Denn auf Frensdorff Andringen habe ich mich dazu verstanden auch den ersten Theil, der die ältere Chronik wieder giebt, und den Sie für die Varianten verarbeitet hatten, noch aufzunehmen. Weiter kommen Beilagen hinzu, wobei auch Urkunden. Ich bin nun wieder in dem Fall Sie zu fragen, ob Sie die Güte haben wollen, die Ausarbeitung des Glossars auch für diesen Band zu übernehmen, und zwar unter denselben Bedingungen, wie bei dem vorigen? Es würde mich sehr freuen, wenn ich Ihre Zusage erhielte, da ich überzeugt bin, daß Niemand diese Arbeit besser machen könnte als Sie, und weil ich weiß, daß Ihre bisherigen Glossare der Edition der Chroniken zur besonderen Empfehlung gereicht haben.

Mit diesem Antrage verbinde ich aber zugleich noch einen weiter gehenden und größeren für die Zukunft, den ich Ihnen sei es nur zur vorläufigen Erwägung oder noch besser zur sofortigen definitiven Erklärung vorlegen will. Ich gedenke nämlich – worüber ich jedoch, ehe ich zur Sache komme, noch nicht geredet haben möchte, – jetzt in nächster Zeit die Straßburger Chroniken3 in Angriff zu nehmen, und suche für diese den philologischen Bearbeiter. Es handelt sich dabei vornehmlich um den Königshofen, von dem bekanntlich zwei deutsche Redactionen und eine lateinische vorhanden sind. So viel ich bis jetzt sehe, würde nur die ausführlichere deutsche Redaction nebst den Zusätzen des Auszugs in meiner Sammlung zur Publication zu kommen haben. Doch hierüber kann natürlich erst die genauere Kenntniß der Texte in Straßburg die Entscheidung an die Hand geben. Von Fritsche Closener wäre vorläufig noch abzusehen, wenngleich er dem Könighofen vorangehen muß, da bei diesem nur eine Revision des Abdrucks nach der Pariser Handschrift nothwendig zu sein scheint.

Ich richte nun an Sie die Anfrage, ob Sie wohl geneigt wären, die Bearbeitung des Königshofen in sprachlicher Beziehung auf sich zu nehmen? Von welcher Bedeutung diese Arbeit sein würde, wie viel Ehre sie eintragen kann, brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen. Und ich meine, es könnte kaum eine anziehendere Aufgabe auch in dialektischer Beziehung für Sie geben. Wenn ich nur erst den Ausspruch Ihrer Geneigtheit zur Sache gewonnen hätte, würde sich weiter über die Möglichkeit der Ausführung, Honorarbedingungen und dergleichen reden lassen. Es versteht sich, daß ich Ihnen nicht mehr Zeit daran zu wenden, als Ihre Professur neben den Vorlesungen und in den Ferien zulassen würde. Die Hauptarbeit aber freilich könnte wohl nur in Straßburg selbst ausgeführt werden, da keine Hoffnung sein wird, die wichtigste der befindlichen Handschriften zugeschickt zu erhalten. In den Herbstferien denke ich selbst dorthin zu gehen und Sie könnten mir folgen, sobald Sie mit dem Glossar zu Ende wären. Das ist das Schöne – und ich hoffe nicht bloße Luftgebilde, welches ich mir jetzt vorspiegele! Geben Sie mir, ich bitte, eine erwünschte freundliche Antwort!

Kern, der eben bei mir war, will übermorgen von hier abreisen und Mitte der nächsten Woche in Freiburg eintreffen. Er läßt Ihnen einstweilen für Ihre Schreiben danken und wird Ihnen seine Ankunft noch genauer anzeigen.

Mit den besten Empfehlungen an Ihre liebe Frau
treulich
der Ihrige
Carl Hegel.