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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 19./20. September 1866

Mein geliebter Manni!

Recht ersehnt war mir Dein heute Morgen erhaltener lieber Brief1, der mir Gottlob gute Nachrichten von Dir bringt, wenn ich auch freilich gewünscht hätte, daß Du Dich erst an einem schönen Plätzchen erholtest und erfrischest. Freilich war das Wetter nicht dazu angethan, der Sonnabend2, besonders gegen Abend war bei uns ebenso und noch schlimmer fast der Mondtag3. Nun hat es aber den Anschein als ob Du in Straßburg noch etwas gezwungene Ruhe pflegen müßtest, obwohl ich mir nicht denken kann, daß die Herren Archivare, wenn sie verreist sind, nicht Vorkehrungen treffen sollten die Bibliothek und andre Locale zugänglich zu erhalten. Alles was Du mir schreibst interessirt mich lebhaft, freue mich auch besonders Deines Reiseglücks, das Dich überall angenehme Gesellschaft finden läßt. Rührend ist mir Deine Aufmerksamkeit, die gute Roser zu besuchen, ich, schlechte Freundin, dachte gar nicht daran, Dich zu erinnern und nun gehst Du guter Mann selbst hin. So machtest Du ganz dieselbe Tour wie wir miteinander 18594, es war doch gar zu hübsch damals.

Hoffentlich hast Du seitdem auch meinen Brief5 erhalten nebst dem6 von Giesebrecht, obwohl ich so ungeschickt war, ihn nicht gehörig zu frankieren, erst nachher wurde mir klar, daß ja Straßburg Ausland ist; Du bist jetzt wohl in französischer Umgebung? sprichst Du auch mit den Herrn Professoren französisch?

Mit Deinem lieben Brief erhielt ich heute auch einen von Schwester Marie, die in treuer Liebe und Theilnahme die Erinnerung dieser letzten Tage mit mir theilt; gestern gingen wir alle hinaus zu dem lieben, stillen Plätzchen und brachten unserm süßen Gustelchen freundlichen Blumenschmuck7; ich weiß ja, daß Gottes Wille der beste Wille ist, und daß wir gesegnet sind vor Vielen, aber mein Herz denkt in stiller Sehnsucht des verlornen Lieblings; er fehlt mir, je glücklicher ich sonst sein könnte, doppelt. Hast Du auch daran gedacht, mein liebster Mann?

Heute war mal ein schöner freundlicher Herbsttag, den wir auch durch Spaziergang nach Sieglitzhof ausnützten. Die Kinder baten so sehr und der Nachmittag war frei; auch die Kleinen nahm ich mit, draußen fanden wir Schmid, Frankhs und Zeschwitz; es war ganz nett, aber wie kühl wards gegen Abend, bis wir nach Berlin kommen wird es schon ganz winterlich sein; ob wohl die Eltern noch nach Simmelsdorf gehen, fast ists zu spät, so sehr ich der guten Mutter die Ruhe wünschen möchte.

Du hast mir weder mündlich noch schriftlich nähere Anweisung gegeben wegen der Leipzig Dresdner Aktien und nun weiß ich nicht, ob ich in Deinem Sinn gehandelt habe. Nämlich gestern kam ein Brief8 an Dich von der tucherischen Brauerei, einliegend ein Brief ihres Leipziger Agenten Voigt, der sich bereit erklärt die 7 Stück Aktien zu verkaufen, freilich nur zu 294 ¼ und den Betrag von 1750 nach Berlin zu senden. Weltrich bat umgehend um Deine Resolution, da der Cours sich recht schnell ändert. Ich suchte die Aktien konnte sie aber unter Deinen Werthpapieren nicht finden, so daß ich mir denke, Du hast sie schon in Nürnberg deponirt. Ich schrieb nun an den lieben Vater und bat ihn, im Fall das wäre, das Geschäft zu machen, wenn es ihm rathsam scheine. Du bist dieß Mal gar zu sehr Hals über Kopf weggekommen. – Das Geld von München ist gekommen, ich habe 100 fl.9 nach Nürnberg ge-schickt, auch Kern, der sich Dir empfehlen läßt, hat Geld von München erhalten. Leb wohl mein Liebster, schlaf wohll, ich bin sehr müde.

den 20ten, Morgen. Wieder ein schöner Tag, möchtest Du ihn angenehm verleben. Die Kinder grüßen von Herzen, es geht gut. Leb wohl, mein Herz, Deine Susanna.

Eben gedenke ich des Einzuges in Berlin10, welch herrliches Schauspiel von der schönsten Sonne beleuchtet; welcher Jubel wird das sein!

Nachdem ich den Brief geschlossen11 kommt anliegender Brief12 von Hirzel, ich sende ihn Dir mit, vielleicht daß Du an Frensdorff schreiben wirst. – Am Samstag kam auch eine Correktur und Aushängebogen von Leipzig, ich wußte nicht, was mit zu thun sey und wandte mich an Kern, der mir sagte, die Correktur würde in Göttingen von Frensdorff besorgt, und diese Bögen würden Dir nur außerdem zugeschickt, doch meinte er, Lexer könnte vielleicht den Aushängebogen bedürfen des Glossars wegen. Er beförderte die Bogen nach Nürnberg, ist’s so recht würde ich die etwaig nachfolgenden auch hinschicken. Lebe wohl, mein Geliebter, Gott mit Dir, ruhe Dich nur schön aus und lasse Dir Zeit, es ist ja jetzt so schön.  

Deine Susanna.