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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 23. September 1866

Als eine ganz besondere Sonntagsfreude kam mir heute Dein lieber Brief1, mein trautster Manni, für den ich Dir recht von Herzen danke. Du bist wohl und heiter und denkst in Liebe unser, das ist mir genug, um auch froh zu sein. Die Hälfte unsrer Trennungszeit ist übrigens jetzt schon vorüber, vielleicht bringt Dein nächster Brief mir schon die Nachricht Deiner Rückkehr, obwohl ich Dich recht bitten möchte, Dir noch ein Paar Tage der Erholung zu gönnen, da ja jetzt das Wetter besser zu werden scheint, und besonders heute unvergleichlich schön ist. Recht günstig für Deine Tour in die Vogesen die Du hoffentlich ausgeführt hast. Bist Du denn allein gegangen oder hat Dir Dein Begleiter Prof. Kunitz Gesellschaft geleis-tet? Ist nicht auch Baden-Baden leicht zu erreichen? Dieß wundervolle Fleckchen, dessen erster Eindruck mir unvergeßlich ist2; weißt Du an jenem wundervollen Abend, wo die Musik in dem Kiosk spielte, und wir zwischen und mit der eleganten Badewelt lustwandelten, und ich so glücklich mich fühlte, einen so guten, treuen Mann an meiner Seite zu haben?

An dieser Reise, es sind doch schon 7 Jahre mit Freud und Leid seitdem vorübergegangen, zehre ich immer noch als an einer meiner liebsten Erinnerungen. Doch ich will Dir ja nicht von der Vergangenheit sprechen, ist ja die Gegenwart reich und bunt genug. Besonders heute Nachmittag ist gar ein fröhliches Treiben in Haus und Garten. Luischen, die öfters in der letzten Zeit ausgebeten war, bat heute, einladen zu dürfen, und da fand sich gar schnell ein Kreis von 7 kleinen Mädchen zusammen, die theils im Zimmer, theils im Garten ihr lustiges Treiben hatten. Sogar einen bal champêtre führten sie im Mondschein auf und jetzt singen sie mit Annchen zum Clavier, und ich stimme in Gedanken ein: Wenn ich ein Vöglein wär.

Heute Morgen hätte ich Dich zu uns in die Kirche gewünscht, nicht sowohl der Predigt wegen, denn Biarowsky hat bei aller Treue und guten Absicht nicht die Art zu begeistern, aber Herzog spielte nachher so wunderschön und zwar Deine Pastacaglia von, von – ich habe den Namen vergessen, dachte aber recht lebhaft daran, ob Du wohl bei Deinen verschiedenen Irrfahrten Claviere gefunden hast, um Dich an Deinem Freund Bach zu erfreuen. Nach der Kirche machte ich den schon längst vorgehabten Besuch bei Geuders, über die mir die liebe Mutter auf Deine Anfrage Auskunft gab. Sie ist die geborene Ott, wir kannten uns als Kinder, und sie versicherte, mich gleich erkannt zu haben. Es ist eine nette Frau, sie wählten Erlangen zum Aufenthalt ihrer Kinder wegen.

Das Geldgeschäft, das Du mir aufträgst, werde ich gleich morgen in Nürnberg besorgen, ich freue mich, die liebe Mutter wieder wohler zu finden, sie schrieb mir gestern, daß sie schon ein Mal auf dem Glockenhof war, um den einsamen Großvater zu besuchen, seit Donnerstag3 sind nämlich Lina und Friedrich mit Rosa fort, zwar kam Ferdinand von Eichstädt mit seinen Jungen, ist aber jetzt nach München um den Prüfungstag Alexanders mit Mutter und Sohn zu verleben; wird er angenommen, so bleibt der eine Junge gleich dort; ich verstehe die Begeisterung für den Beruf, bayrischer Offizier zu werden nicht. Ein nicht begeisterter bayrischer Offizier ist dagegen Schwager Löffelholz der seit Mittwoch in Nürnberg ist, selig mit seiner Luise wieder vereinigt zu sein. Ob die Lieben Alle noch nach Simmelsdorf gehen steht dahin, der liebe Vater scheint Lust zu haben, auch die Löffelholz möchten draußen in Luisens Eldorado schwärmen, aber die liebe Mutter scheint bei dem schlechten Wetter wenig Lust zu haben, auch haben sie wieder 4 Mann Einquartierung. Voriges Jahr sind wir auch erst in der kommenden Woche hinaus und hatten doch noch viel schöne Tage. Ich möchte ihnen Allen eine Zeit der Ruhe und Stille wünschen. Kern, der gestern wieder hier war, um mir zu sagen, daß Lexer die Bogen nicht brauchte, hat mir fast Angst gemacht wegen der Nürnberger Gesundheits-Verhältnisse. Lexer hat selbst einen schlimmen Cholerierenden Anfall gehabt. In Straßburg rührt sich der unheimliche Gast hoffentlich nicht, aber in Leipzig, Dresden und Berlin hat er sich recht festgesetzt, möchte er sich bald ganz entfernen; eher möchte ich mit Annchen nicht hin.

Von Collegen und Freunden habe ich in der letzten Zeit wenig gehört, Stintzing ist von Muggendorf zurück, sie hatten Besuch von Reinkes, Hofmanns sind hier, ich sah sie in der Kirche, jedenfalls aber nur auf kurze Zeit da der Landtag Mitte November zusammentreten wird.4 Brater reist morgen ab, seine Frau folgt ihm in acht Tagen um mit ihm nach Italien zu gehen. Die armen Menschen, mit welchen Gefühlen wird sie ihn abreisen sehen – ! Sein Vater liegt in Meran begraben. Delitzsch, die in Rohrschach waren sind zurück, Frau Thiersch ist auch von München zurück, sie holten Sophiechen gestern auf den Rathsberg ab. Ziemssens sind miteinander fort nach Berlin und Greifswald, aber nur auf acht Tage, Frau Graul ist zurück und hat Philchen5 und noch 2 junge Mädchen mitgebracht, die Anna reizend findet und sehr bedauert, daß sie verurtheilt sind nach Indien später zu gehen. – Die Leipzig Dresdner Aktien waren in Nürnberg und sind besorgt.

Nun leb wohl, mein trautester, liebster Mann, möchte es Dir fort und fort gut gehen und Du glücklich und froh zu uns zurückkehren.

Die Kinder grüßen von Herzen. In treuer Liebe

Deine Susana.