Ich grüße Dich auf der Spitze des Rigi, umgeben von Nebel, der mir die Aussicht bis jetzt verhüllt. Am Sonntag2 Mittag kam ich nach Basel und war dort bis gestern Vormittag mit Arbeit auf der Bibliothek beschäftigt. Wackernagel und Gerlach riethen mir dringend die Zeit des schönen Wetters, das wir in den letzten Tagen hatten, zu einem Ausflug nach dem Vierwaldstätter See zu benutzen. Ich dachte, daß ich es mir vergönnen dürfte nach ziemlich angestrengter und ermüdender Arbeit auf einige Tage vor meiner Heimkehr mich zu erfrischen und fuhr Vormittag 10 ½ Uhr von Basel nach Luzern, wo ich mich sogleich nach Ankunft auf das Dampfboot begab und bei herrlicher Beleuchtung des Sees die kurze Fahrt nach Weggis machte. Unterwegs hatte ich mich an ein ganz junges nettes Ehepaar aus Hessen Homburg angeschlossen, in dessen Gesellschaft ich noch am Nachmittag zu Pferd den Rigi bis Kaltbad hinaufritt. Von dort ging ich zu Fuß bis Rigi Staffel, wo wir übernachteten, um heute Morgen den Sonnenaufgang auf Rigi Kulm zu sehen. Alle Reisenden rühmten, wie schön derselbe in den letzten Tagen gewesen sei; heute morgen war er leider durch diesen Nebel unsichtbar und mit ihm jede Fernsicht verschlossen. Seit 5 ½ Uhr sind wir oben; erst jetzt gegen 10 Uhr fängt der Himmel über uns an seine Bläue zu zeigen, zu unsren Füßen ist ein von der Sonne durchleuchtetes Nebelmeer in unaufhörlicher Bewegung des Aufsteigens, Sinkens; einzelne Alpenspitzen mit Schnee bedeckt zeigen sich zwischen den glänzenden Wolken. Vielleicht hellt sich das Panorama und die Tiefe unter uns bis Mittag auf. Solange will ich es abwarten, bis ich wieder hinunter steige. Ich denke den Weg über Arth und Zug nach Zürich einzuschlagen und je nach Wetter und Umständen noch einen Tag das ist morgen Donnerstag irgendwo zuzubringen. Am Freitag aber will ich die Heimreise ohne Aufenthalt einschlagen und hoffe ich entweder Sonnabend oder Sonntag Abend bei meinen Lieben, nach denen ich mich herzlich zurücksehne anzukommen. Doch beabsichtige ich den Nachmittag noch in Nürnberg mich aufzuhalten, um mit Lexer nothwendige Verhandlung wegen Fortführung unserer Arbeiten zu treffen; daher ich erst am Abend in Erlangen ankommen kann – wenn möglich am Samstag. Vielleicht sind die Eltern nicht mehr in Nürnberg, sonst könntest Du mich dort erwarten; doch ist es für diesen Fall mißlich, daß ich den Tag der Ankunft nicht fest bestimmen kann.
Ich grüße Dich und die Kinder aus innigem Herzen. Möge es Euch wohl gehen; seit 8 Tagen habe ich nichts von Euch gehört. Der Brief3, den Du mir nach Straßburg Quai des bateliers schriebst, ist glücklich in meine Hände gekommen und hat mir große Freude gemacht. Noch einmal sei gegrüßt bis auf nahes Wiedersehen.
NB.
Meinen letzten Brief4 aus Straßburg habe ich erst in Basel aufgeben können.
Da ich den Brief heute morgen noch nicht fortschicken konnte, öffne ich ihn noch einmal, um Dir zu sagen, daß der heutige Nachmittag wundervoll wurde; allmählich vertheilten sich die nd gewährten vorübergehenden Durchblick auf den Zuger- und Vierwaldstätter See; einzelne Abschnitte des beschneiten Hochgebirgs ließen sich sehen, dann ließ sich der Zuger See zu unseren Füßen ganz überblicken, später auch der von Lowerz bis Schwyz (Du mußt es den Kindern auf der Karte zeigen); die hohen Bergspitzen erglänzten über den Wolken. Ich blieb mit meinen Reisegefährten über Mittag auf dem Kulm und ging erst Nachmittags zurück nach Staffel, welches bloß eine halbe Stunde weit tiefer liegt. Von einer andern Höhe in der Nähe, Rigi Rothstock, sahen wir den prachtvollen Sonnenuntergang, der die ganze Reihe der Hochalpen wundervoll beleuchtete. Ich bleibe zu Nacht auf Staffel, wo ein guter Gasthof ist, wenn auch weniger großartig und vornehm als auf Kulm und weiter unten im Kaltbad. Morgen früh werde ich noch einmal nach dem Sonnenaufgang sehen und dann um 7 Uhr nach Arth hinuntersteigen, um dort mit Dampfschiff nach Zug, mit Eisenbahn nach Zürich, wo ich den Nachmittag bleibe.
Nebel uÜbermorgen Freitag fahre ich von Zürich über Romannshorn und Bodensee nach Lindau und wenn alles klappt noch bis Augsburg, so daß ich Sonnabend Mittag in Nürnberg sein könnte. Wenn aber ein so rasches Weiterkommen ohne Anstrengung nicht möglich ist, so wird sich meine Ankunft noch bis Sonntag Mittag verzögern.
P. S. Ich nehme den Brief morgen früh nach Zürich mit und gebe ihn erst dort auf, weil er schneller auf diese Weise würde besorgt werden.