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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 15. Februar 1867

Theurer Freund!

Ich wende mich an Sie mir der Bitte um gefällige Auskunft in Sachen der Universitätsdisciplin, welche wie mir scheint, hier bei uns mit der Zeit allzu schlaff geworden ist, und stelle daher die Fragen:

  1. Bedürfen die Studierenden in Göttingen keiner Erlaubniß der Universitätsbehörde, speciell des Rectors, bei öffentlichen Aufzügen mit Musik, Fahnen dgl?
  2. Finden solche Aufzüge (mit oder ohne Erlaubniß) zu Tageszeiten statt, in welchen regelmäßig Vorlesungen gehalten werden?
  3. Können die Studierenden während des Semesters die Universität einzeln oder in Masse ohne Urlaub verlassen und nach Belieben fortbleiben, um Verbindungsfeste dgl. an anderen Orten zu feiern? –

Der neue Band Augsburg1 wird Ihnen gewiß Freude gemacht haben; es ist eine sehr tüchtige Arbeit Frensdorffs, die sich selbst lobt. Für den Herausgeber ist es eine sehr delicate Sache, sich über das Verdienst oder den Antheil mehrerer Bearbeiter eines Buchs auszusprechen, wie ich bei dieser Gelegenheit und einer früheren erfahren habe. Bei Einführung des 1. Bandes Augsburg2 habe ich Lexer tief verletzt, weil ich auf Verlangen Frensdorffs erwähnte, daß dieser die Handschriften noch einmal revidirt habe, und das zweite Mal scheine ich Frensdorff tief gekränkt zu haben, weil ich davon geschwiegen habe; denn er hat gegen mich ein zugeknöpftes Wesen angenommen, welches beinahe unleidlich ist. Indessen hat er sich doch dazu herbeigelassen mir die Bearbeitung noch eines dritten Bandes3 zuzusagen. Für das gegenwärtige Jahr jedoch soll ein Band Braunschweiger Chroniken4 erscheinen, dessen Vollendung Dr. Hänselmann bis zum Herbst sicher versprochen hat und dessen Druck hoffentlich im nächsten Monat beginnen wird. Ich selbst habe die Straßburger Chroniken in die Hände genommen und bin fest in der Arbeit an Königshofen. Mein Aufenthalt in Straßburg im letzten Herbst5 hat die Eifersucht der Französischen und Elsässer Patrioten dergestalt erregt, daß gleich darauf ein Comité für Herausgabe Elsässischer Chroniken zusammengetreten ist. Indessen fehlt es ihnen vorläufig, wie es scheint, an materiellen Mitteln sowohl wie an Arbeitskräften. Dr. Rudolf Reuß fertigt die Abschrift für mich an6, die Lexer in sprachlicher Beziehung revidiren wird, ich selbst aber auch noch einmal revidiren will.

Zu Ranke’s Jubiläum am 20. Februar werden Sie selbst wohl schwerlich hinkommen?

Wie mir Weizsäcker mittheilte sind Sie in Tübingen vorgeschlagen. Ich kann nicht glauben, daß Sie unter allen Umständen Göttingen für Tübingen aufgeben werden. Weizsäcker macht sich für seine Person nicht viel Hoffnung, weil ihm die Württembergische Regirung nicht geneigt sein soll. Er ist immer noch trostlos über den Verlust seiner Frau7 und bisweilen seinem Schmerz haltlos hingegeben, sucht sich aber durch verdoppelte Energie des Arbeitens hinwegzuhelfen. Der Druck der Reichstagsacten geht, wo viel ich weiß, fort und muß der 1. Band bald zum Ende kommen.8 Mir und den Meinigen geht es gut. Meine älteste Tochter, ein 15 jähriges Mädchen, ist in diesem Winter bei meinem Bruder in Berlin. Ihr Schwager Schelling und seine Familie sind wohl; Cäcilie ist guter Hoffnung, ihr Mann von uns zum außerordentlichen Professor vorgeschlagen.

Ich würde mich freuen auch etwas von Ihnen über Ihr Befinden und das der Ihrigen zu hören.

Ich bitte Thöl’s recht herzlich zu grüßen. Wie kommt man doch durch die Zeit von guten alten Freunden auseinander!

Treulichst
der Ihrige
Carl Hegel.