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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 2. April 1867

Lieber Herzens Mann!

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief1 und freute mich der Gottlob guten Nachrichten. Du hast eine angenehme Reise gehabt und scheinst jetzt in Straßburg Dich auch ganz wohl zu fühlen ohne wohl so viel umherwandern zu müssen als im Herbst.2

Ich wollte, ich könnte Dir von uns auch so Gutes berichten, das Lazareth will noch kein Ende nehmen, seit Samstag3 habe ich wieder Hausarrest, wo möglich Zimmer-Arrest, da die Geschwulst an der Stirne sich wieder zeigte; es geht jetzt wohl wieder besser, aber ich darf noch nicht aus- gehen zu Luischens großem Jammer, deren Geburtstag morgen, nicht am 6ten ist4 und die wohl weiß, daß ich nun Nichts besorgen kann.

Auch die Rosel war wieder ein Paar Tage elend und lag zu Bette es scheint, es geht nicht mehr, und doch bangt mir vor Suche einer neuen Einrichtung. Die Kinder sind Gottlob wohl, auch Luischen erhält sich bei einer Arznei mit Eisen, die ihr der Doktor verordnete wacker. Georg nehme ich so viel als möglich vor, auch sein Latein, wir studierten gestern die Übersetzung zusammen, d. h. er mußte mir bei jedem Haupt- und Beiwort Zahl, Geschlecht und Fall angeben und sich darauf besinnen und wirklich die Übersetzung war bis auf 2 Schreibfehler richtig. Die Mädchen arbeiten für die Prüfung und die Kleinen sind munter und freuen sich ihres Lebens, das sie jetzt freilich mehr im Zimmer zubringen, denn seit Du weg bist haben wir Regen, Schnee, Kälte und Wind. Der Garten ist bestellt, Döller wurde Freitag Abend fertig, so daß er 4½ Tag gearbeitet hat. Es sieht Alles recht sauber aus aber freilich lange nicht so frühlingsartig wie Du es in Heidelberg und Straßburg gefunden. Von Berlin habe ich seit Du weg bist Nichts gehört, von Annchen erwarte ich jeden Tag Nachricht; Manuel wird doch über Annchens Leben hieher schreiben und nicht direkt an Dich. Durch Frau Grauel die heute hier war, hörte ich aber was deren Schwester Frau Köppe über Annchen schrieb; Du erinnerst Dich ja Annchen war mal bei Gretchen Köppe eingeladen, und da schreibt Frau Köppe, sie hatte ihr sehr gut gefallen und sähe aus wie eine eben aufblühende Centifolien-Knospe. Was willst Du mehr, glücklicher Papa?

Von hier kann ich Dir nur vermelden, daß wirklich endlich der gefürchtete Ruf an Delitzsch gekommen ist. Der gefährliche Herr Hübner war Sonntag wieder hier und wollte, daß Delitzsch sich gleich entscheidet, was dieser natürlich verweigert und sich wenigstens 8 Tage Zeit erbat. Man ist in großer Aufregung hier darüber und erklärt es für einen unersetzlichen Schlag für die Universität. Hofmann, den man herzlich erwartete, um mit seinem Gewicht auf Delitzsch’s Entschluß einzuwirken, kann wegen häuslicher Verhältnisse (das Dienstmädchen ist krank) nicht vor Donnerstag, Freitag kommen, schreibt aber lang und ausführlich an Delitzsch, warum er bleiben müßte und wendet natürlich Alles was möglich ist in München an, um das Ministerium zu veranlassen Delitzsch zu halten. Nun wollen wir sehen; der arme Delitzsch soll selbst sehr in einem innerlichen Kampf sein, die Frau zur Überraschung Aller es auch nicht wünschen und die Söhne sehr dagegen sein; bis ich Dir wieder schreibe ist es wohl entschieden.

Die Begegnung mit Kußmauls ist ja sehr nett und sie haben sich gewiß auch gefreut mal ausführlich von Erlangen zu hören.

Gestern hatte ich mein Kränzchen bei mir, weil ich es sonst hätte wieder versäumen müssen, Alle waren da obwohl Frau Schmidtlein auch ein ganzes Lazareth zu Hause hatte; ihr Mann ist noch sehr elend, sahest Du ihn noch, ehe Du weg gingest? auch Julchen und Mariechen sind krank; der kleine Stintzing hat den Keuchhusten, so ist überall Noth. Schone Dich nur recht, Du frierst gewiß in Deinem dünnen Rock, ich denke immer mit Sorgen daran. Schreibe bald wieder, und recht ausführlich, und recht vergnügt. Von ganzem Herzen in treuer Liebe Deine Susanna.

Briefe sind noch gar keine an Dich gekommen.