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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 8. April 1867

Mein liebster Manni!

Da Dir mein letzter Brief1 so gar trübselig erschien, nehme ich heute rosafarbenes Papier, vielleicht erscheint Dir auch der Inhalt dann freundlicher. Es geht ja auch Gottlob im Ganzen besser, Rosel ist wieder auf den Beinen und thut ihre Dienste mit Hülfe der Margareth, Luischen ist wieder ganz wohl, ebenso die Anderen und so bleibt nur Deine undankbare kleine Frau, die trotz alledem manchmal den Kopf hängen läßt und geneigter ist zu klagen und zu sorgen als zu danken und zu loben. Doch das wird ja auch wieder besser werden und wenn ich meines Gustelchens gedenke das mit eben solchen Murren erwartet wurde, dann meines Herzens Freude war, und das ich mit so heißen Thränen entbehren lernen mußte, so sollte ich wohl leichter mich in Gottes Willen ergeben. Doch genug davon, ich will ja heiter sein, und es würde mir leichter werden, wenn ich nur recht wohler wäre; ich habe noch immer Hausarrest, denn die Geschwulst ist bald da, bald dort und bei dem abscheulichen Wetter ist eine Erkältung unvermeidlich, so wie ich ausgehe. Unser Luischen ist freilich dadurch recht in ihrer Geburtstagsfreude gestört worden; von Tag zu Tag hoffte sie ich könnte ausgehen um ihre Herrlichkeiten zusammen zu tragen, endlich mußte ich mich begnügen durch Margareth und Mariechen Einiges zu besorgen. Die liebe Großmama in Nürnberg stellte sich zu rechter Zeit mit einer schönen neuen Schultasche ein und so freute sie sich des Manchem Erwünschten und Nützlichen. Die eigentliche Feier wurde auf Wunsch bis Sonntag2 verschoben, da die Aussicht auf die Prüfung am Freitag3 die Gemüther beschwerte. Freitag kam und ich durfte wieder nicht ausgehen, neuer Jammer – Mariechen nahm es ruhiger hin, aber Luischen erklärte: da gebe ich mir gar keine Mühe, ich mache gar keinen Aufsatz, ich wüßte nicht für wen u. s. w. Du kennst ja die kleine leidenschaftliche Person – aber die Aufregung legte sich und guten Muths zogen sie ab um nach 6 Uhr mit Jubel und Victoria wieder zurückzukommen; es war gut gegangen nur hatte Luischen die Jahreszahl des ersten punischen Krieges4 nicht gewußt, ich wüßte sie auch nicht, doch das ist keine Entschuldigung.

Gestern wurde nun die Geburtstagsfeier nachgeholt, Ida war zum Essen eingeladen, ein Paar Mädchen Nachmittags und da wurde dann lustig gespielt und gelärmt. Die Kleinen durften mitspielen und es wurde ihnen sehr schön gethan. Mundelchen ist jetzt wieder recht frisch und munter, nachdem er eine Zeitlang recht jammerlich war, nun aber sind die Beiden wieder niedlich und fröhlich miteinander, sie freuten sich sehr des besonderen Grußes.

Heute ist nun Georgs Prüfung, der ich auch nicht beiwohnen kann; es stürmt und gießt, dazwischen scheint die Sonne ein rechter April. Georg hatte keine besondere Aufregung wegen der Prüfung, er nimmt Alles leicht und ist immer mit seinem Wissen zufrieden. Die Schriften sind hier und werden mir Bericht erstatten. Soviel vom Hause und den Kindern; von Annchen kam vor wenigen Tagen ein langer langer Brief; sie schreibt sehr heiter, sie war in der Antigone und ist entzückt über die Jachmann, dann schreibt sie von der Feier des königlichen Geburtstages5 in der Schule, die Mädchen waren alle weiß-schwarz gekleidet, zum Theil als Provinzen die dem Könige ihre Huldigung brachten, die erst annektierten Provinzen waren durch kleine Mädchen der 6. Klasse vertreten. Dann war brillante Beleuchtung des Abends. Manuel sagt ihr, als Auftrag an uns, daß er sie gerne noch eine Zeitlang behalten wolle. Deinen Brief6, den er mit den Papieren richtig erhalten hat, wird er nach Deiner Zurückkunft beantworten. – Über die Angelegenheit mit Delitzsch weiß ich Nichts, ich sah Niemand, doch sagte mir die Hofmann, die Donnerstag7 hier war, Ihr Mann hoffe, er würde uns erhalten wenn sie nur in München bald Anstalten machten ihn kräftig zu halten. Dort wisse man aber gar Nichts von seiner Bedeutung, der Cultusminister kannte nicht mal den Namen; überhaupt wäre dort eine Kopflosigkeit eine Unfähigkeit die Vielen die Überzeugung aufdrängt, daß keine andere Hülfe ist als einen möglichst raschen und engen Anschluß an Preußen. Andere sind freilich wüthend über den Militärvertrag, ergehen sich in extatischen8 Äußerungen wie z. B. Nur noch ein Grab in bayrischer Erde, lieber mit Frankreich als mit dem verhaßten Preußen! Sind die Menschen nicht blind gegenüber den immer neuen Triumphen und Siegen Bismarks? Denn ist die Lösung der Luxemburger Frage, die die Gemüther schon so in Aufregung versetzte nicht ein glänzender, moralischer Sieg Preußens? und bestätigt ganz die von Dir in Straßburg bemerkte Stimmung. –

Ich wage nicht einen zweiten Bogen zu nehmen, war denn der erste Brief9 ein doppelter, er wog eben nur ½ Loth.

Leb wohl Liebster! Wenn Du Dich nur nicht erkältest in Deinem dünnen Überzieher, ich habe Sorgen um Dich.

Die Kinder grüßen, schreibe bald wieder und sey nicht böse Deiner manchmal kleinmüthigen Susanna.


Von Nürnberg habe ich Nachricht, daß es mit Großpapa gar nicht gut geht, Mutter fordert mich auf zu kommen, da es zweifelhaft sey, ob wir ihn an Ostern10 noch treffen; ich kann ja nicht.