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Karl Hegel an Matthias Lexer, Straßburg, 17. April 1867

Theurer Freund!3

Ihr lieber Brief und die Geldsendung sind richtig in meine Hände gekommen. Ich freue mich des lebhaften Antheils, den Sie aufs neue an der Edition des Königshofen beweisen und fortdauernd versprechen. Ihre Bemerkungen zur Textesberichtigung nehme ich einstweilen zur Notiz und komme später darauf zurück; für jetzt und hier in Straßburg suche ich mich des massenhaften Materials in Handschriften und Druckschriften so gut als es geht in sachlicher Beziehung zu bemächtigen. Ich arbeite fleißig Vormittags im Archiv, Nachmittags in der Bibliothek, wo ich alle Handschriften, die nicht catalogisirt sind, ansehen oder theilweise ganz durchgehen muß, und hoffe eine schöne Ausbeute mit nach Hause zu bringen. Morgen Donnerstag und übermorgen Charfreitag ist die Bibliothek ganz geschlossen, aber das Archiv steht uns auch morgen offen. Ich werde die Feiertage4 hier zubringen, so schwer es mir ist, so lange und gerade in der Festzeit fern von meinen Lieben und vom Hause zu sein; denn ich will bis Ende der nächsten Woche hier ausharren. So lange werden auch Weizsäcker und Kerler hier bleiben, ohne deren Gesellschaft ich noch weniger gern hier wäre. Das Wetter ist beinahe fortwährend schlecht, immer Regen und Wind; nur Sonntags war es etwas besser und wir wußten nichts Besseres zu thun als abermals nach Kehl zu wandern und dort Cigarren zu kaufen. Der Kriegslärm hat uns wenig berührt; er zeigte sich nur in einer etwas lebhafteren Unterhaltung im Casino beim Caffee und sogar im Rindsfuß des Mittags; und jetzt ist es schon wieder ruhig geworden, wie sonst. Von Demonstrationen, wovon in den Zeitungen die Rede gewesen sein soll, ist auch von anderen Leuten5 hier nicht das Mindeste wahr genommen worden. Man ist durchaus friedlich gestimmt: alles andere Gerede ist bare Lüge und Tendenz.6

Ihre Grüße habe ich ausgerichtet und werden solche bestens erwiedert. Professor Reuß ist nun wohl. Einladungen haben wir nicht weiter erhalten und unser Leben ist sehr kahl und eintönig abgesehen von der Arbeit, die freilich das Beste ist.

Von Kern habe ich eben einen Brief erhalten7; er will von Carlsruhe aus einen Abstecher nach Tübingen machen.

Schöne Grüße an Ihre liebe Frau.
Freundschaftlich
der Ihrige
Carl Hegel.