Straßburg Mittwoch 24 April
1867. Abends
Liebes Suschen! Deinen letzten lieben Brief aus Nürnberg habe ich wieder sehr prompt erhalten. Deine Nachrichten von der zunehmenden Schwäche des Großvaters haben mich sehr bewegt; ich muß darauf gefaßt sein, ihn nicht mehr am Leben zu finden, bis ich nach Nürnberg komme, doch kann diese Agonie auch noch länger dauern; ich wünschte sehr ihn noch einmal zu sehen, seine Stimme zu hören.
Mein Aufenthalt hier geht mit dieser Woche zu Ende und ich thue gern, was ich kann, um meine Arbeit abzuschließen: ich verlange sehr nach zu Hause, nach Frau und Kindern. Die Feier- und Festtage waren überhaupt und für mich besonders nicht schön. Der Grün-Donnerstag zuerst brachte uns heiteres Wetter. Wir hatten für die Feiertage einen Ausflug nach den Vogesen vor. Weizsäcker drängte das gute Wetter sogleich zu benutzen und so fuhren wir am Charfreitag, ohne ihn zu heiligen, über Schlettstadt nach St. Hippolyt, bestiegen von dort aus die Hohe Königsburg, eine alte interessante Schloßruine, hatten aber keine Aussicht, weil es regnete; erst am Nachmittag wurde es wieder schön, wie der Morgen gewesen. An den beiden Ostertagen, besonders am ersten, war es wieder kalt, regnerisch und windig. Ich hörte eine vortreffliche deutsche Predigt von Decan Brug, Professor der Theologie und Präsident des Consistoriums, ein sehr würdiger und lieber Mann. |
Auf Nachmittag waren wir von Professor Reuß zu einer Ausfahrt nach seinem Landgut Neuhof eingeladen, die aber durch das Wetter vereitelt wurde. Ich hielt mich zu Haus an meine Bücher, nur Montag Nachmittag gingen wir nach Kehl hinüber.
Das waren meine Erlebnisse. Seit gestern bin ich wieder an der Arbeit im Archiv und auf der Bibliothek. Ich brauche noch ein Paar Tage dazu, habe nebenbei Abschiedsbesuche zu machen und Vorbereitungen für die Abreise und den Fortgang der Arbeiten zu treffen. Ich glaube nicht, daß ich schon am Samstag früh abreisen werde, sondern erst am Sonntag, bin dann Mittags in Heidelberg, wo ich einen halben Tag zu bleiben gedenke, werde Montags früh von dort nach Würzburg bis Mittag fahren und komme gegen 6 ½ Uhr in Nürnberg an, wo ich gerade noch Zeit habe mich nach dem lieben Großvater zu erkundigen und zu den Eltern zu gehen. Möchtest Du mir nicht dorthin entgegenkommen, mich auf dem Bahnhof erwarten? es wäre sehr schön! Du würdest mich sogleich von dem Stand der Dinge unterrichten. Sollte das Ende des lieben Großvaters schon in diesen gegenwärtigen Tagen erfolgt sein, so wirst Du mir wohl noch hierher davon Nachricht geben. Ich bedaure sehr, daß die lieben Ingolstädter und Eichstädter schon morgen wieder abreisen; indessen hängt auch | dis wohl noch von den Umständen ab.
Heute war ein schöner Frühlingstag! der erste recht warme Tag; Alles steht in prachtvoller Blüthe; auch die Pappeln sind schon grün, ich ging Abends hinaus ins Freie, Weizsäcker wollte eine Wasserfahrt auf der Ill machen, was seine Leidenschaft ist.
Ich hoffe Dich und die Kinder wohl anzutreffen. Es geht Dir ja nun auch besser, liebes Suschen, und Du hast Dich in das Unvermeidliche gefunden, wie ich auch. Hätte ich Dich nur in Heidelberg! wie schön wird es dort sein! Ich wollte Dich dringend einladen mir dorthin entgegenzukommen; allein ich ergebe mich darein, daß es Dir nicht möglich sein wird auf drei Tage vom Haus abzukommen, abgesehen davon, ob es die Umstände in Nürnberg erlauben würden, daß Du reisest. Auch Caroline wäre nicht zu haben, und vermuthlich auch dann nicht, wenn sie nicht nach München gegangen wäre. Aber nach Nürnberg kannst Du mir doch wohl entgegenkommen, wenn Dich nicht anderes abhält.
Ich freue mich sehr auf das Wiedersehen und die Heimkehr. Möge beides noch ungetrübt sein. Herzliche Grüße an die lieben Kinder. Gehab Dich wohl gutes Suschen! Ich gebe den Brief noch heute Abend auf. Lebe wohl!
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Straßburg48.584614,7.7507127Ehemalige Reichs-, Universitäts- und Bischofsstadt am Westufer des Rheines und an der Ill zwischen Vogesen im Westen und Schwarzwald im Osten gelegen.
Privatbesitz
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Privatbesitz
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Weizsäcker, Julius Friedrich LudwigJulius Weizsäcker
HiKo
11730804818281889Weizsäcker, Julius Friedrich Ludwig (1828–1889), in Öhringen geborener Historiker, der nach seinem Studium der evangelischen Theologie und seiner Habilitation im Fach „Geschichte“ an der Universität Tübingen im Jahre 1863 ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Erlangen wurde, 1867 in Tübingen, 1872 in Straßburg, 1876 in Göttingen und 1881 in Berlin. Von 1860 bis 1889 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Leiter der Abteilung „Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe“ der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, von 1862 bis 1870 deren außerordentliches, darnach deren ordentliches Mitglied.
Bruch, Jean-Frédéric (Johann Friedrich)11672464117921874Bruch, Jean-Frédéric (Johann Friedrich) (1792–1874), in Pirmasens geborener evangelischer Theologe, Professor an der Universität in Straßburg, war dort auch Dekan der Theologischen Fakultät und wirkte als Pastor der Saint-Nicolas-Kirche in Straßburg sowie als kirchlicher Inspektor; in der Kirche des Augsburger Bekenntnisses, verkörpert er den gemäßigten Liberalismus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Reuß, Eduard Wilhelm EugenEduard Wilhelm Reuss11892143618041891 Reuß, Eduard Wilhelm Eugen (1804–1891), in Straßburg geborener evangelischer Theologe und Gymnasiallehrer, der von 1819 bis 1827 am Straßburger Protestantischen Seminar, an der Theologischen Fakultät der Universität Straßburg sowie an den Universitäten Göttingen und Halle studierte. 1828 wurde er am Protestantischen Seminar in Straßburg Privatdozent, 1834 außerordentlicher, 1836 ordentlicher Professor der evangelischen Theologie an der Universität Straßburg und 1859 Direktor des Seminars. Außerdem wurde er 1838 außerordentlicher Professor an der Theologischen Fakultät der Universität und erhielt 1864 den Lehrstuhl für Altes Testament, den er auch von 1872 bis 1888 an der neu gegründeten Straßburger Kaiser-Wilhelms-Universität behielt.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Voges, VogesenMittelgebirge westlich des Oberrheins gegenüber dem rechtsrheinischen Schwarzwald gelegen, das Höhen bis zu etwa 1400 Metern erreicht.
Schlettstadt48.2594396,7.454217In karolingische Zeit zurückreichender Ort, ehemalige Reichsstadt mit bedeutender Lateinschule, etwa 50 Kilometer südwestlich von Straßburg zwischen Vogesen und Rhein gelegen.
St. Hippolyt (Saint-Hippolyte)48.2326964,7.3698232Am Osthang der Vogesen, etwa zehn Kilometer südwestlich von Schlettstadt gelegener Ort, dessen Name auf den Märtyrer Hippolyt von Rom (um 170-235) verweist und dessen Reliquien in der dortigen Pfarrkirche aufbewahrt werden.
Hohe Königsburg, Hohkönigsburg48.249489800000006,7.34429620253195Die „Hohkönigsburg“ (französisch Château du Haut-Koenigsbourg bzw. gelegentlich auch Haut-Kœnigsbourg) ist eine auf das 12. Jahrhundert zurückgehende staufische, zu Beginn des 20. Jahrhunderts rekonstruierte Burg bei Orschwiller (Orschweiler) im Elsass (Département Bas-Rhin), gut 10 Kilometer westlich von Sélestat (Schlettstadt).
Neuhof48.5412623,7.7682257Etwa sechs Kilometer südöstlich Straßburgs zwischen der Altstadt und dem Rhein gelegener Ort.
Kehl48.5728929,7.8109768Auf der rechten Rheinseite, dem linksrheinischen Straßburg direkt gegenüberliegender Grenzort zwischen Deutschland und Frankreich.
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Würzburg49.79245,9.932966Alte Bischofsstadt am Main, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg und etwa 110 Kilometer südöstlich von Frankfurt am Main auf der Fränkischen Platte zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegen.
IllIm nördlichen Schweizer Jura entspringender, circa 200 Kilometer nach Norden fließender, Straßburg durchquerender Fluß, der nördlich von Kehl in den Rhein mündet.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
KonsistorialpräsidentLeiter des staatskirchenrechtlichen Konsistoriums der Provinz Brandenburg. Immanuel Hegel (1814-1891) war von 1865 bis 1891 Präsident des Evangelischen Konsistoriums der preußisch-evangelischen Landeskirche in Berlin.