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Karl Hegel an Matthias Lexer, Straßburg, 26. April 1867

Theurer Freund!1

Ich habe mich gleich heute auf der Bibliothek, wo, wie Sie wissen, Stadt- und Seminars-Bibliothek zur Zeit noch in denselben Räumen vereinigt sind, nach der von Müllenhoff gewünschten Handschrift erkundigt. Die Bezeichnung Johanniter Bibliothek B 812 stimmt mit der im Katalog dieser Bibliothek, wonach die Handschrift die von Ihnen angegebenen Städte enthalten soll. Nun ist aber diese Johanniter Bibliothek ein Theil der Stadtbibliothek, aus welcher Handschriften, wie Sie ebenfalls schon wissen, überhaupt nicht verliehen werden. Der, welcher darüber zu verfügen hat, ist nicht der Minister, sondern allein der Maire der Stadt, gegenwärtig Herr Humann, welcher, wie mir der Bibliothekar, Herr Saum, sagte, sogar die Sendung einer Handschrift nach Paris trotz ministeriellem Ansuchen verweigert hat. An ihn allein also hätte man sich zu wenden.

Vielleicht ist die Mittheilung von Interesse, daß auch die Seminarsbibliothek eine werthvolle Handschrift vom Rosengarten, Wolfdietrich usw. besitzt – ich habe sie früher nur ganz flüchtig angesehen, welche leichter zu bekommen sein würde. Man müßte sich deßhalb an den Herrn Decan Jean-Frédéric Bruch wenden. –

Ich wünsche daß Ihre Parthie nach dem Kaiserstuhl gut ausgefallen sein möge. Wir haben hier mit Brucker und Sohn zusammen einen Ausflug in die Vogesen über Schlettstadt hinaus nach St. Pült und der Hohen Königsburg gemacht, der wenigstens zum Theil von freundlichem Wetter mit Sonnenschein begünstigt war. Übermorgen gehen wir endlich von hier ab; ich freue mich sehr nach Hause und bin auch froh von hier fortzukommen, wo es einen bei der erregten, wenn auch äußerlich nicht besonders kundgegebenen, Stimmung doch noch gerade unheimlich wird.3 Die herrschende Meinung ist auch hier, daß Frankreich Preußen gegenüber im vollen Recht sei, nicht anders als wie in Süddeutschland im vergangenen Jahre man das Unrecht nur auf Seite Preußens finden wollte.4

Mein Empfehlung an Ihre liebe Frau und meinen Gruß an Kern.
Freundschaftlich
der Ihrige
Carl Hegel.