Dein lieber Brief1, den ich schon Dienstag Abend erhielt hat mir große Freude gemacht recht durch die guten Nachrichten von Dir und dann durch die unerwartete Kunde Deiner baldigen Rückkehr. Scheint mir doch auch die Zeit seit unsrer Trennung unendlich lang und fehlst Du mir doch mehr und mehr von Tag zu Tag. Gebe Gott ein frohes Wiedersehen nach all den großen und kleinen Erlebnissen der letzten Wochen.
Du scheinst fast den Wunsch zu haben, uns hier abzuholen und ich möchte Dich auch schrecklich gern hier erwarten, wenn mich nicht Georgs Latein und Examen nach Hause triebe; ich wollte nächsten Sonnabend den 14ten weg um am Mondtag einen geregelten Unterricht beginnen zu lassen, nun wird aber die liebe Lina für Sonntag erwartet und die gute Mutter redet mir sehr zu, doch noch 2 Tage zu bleiben und meine Abreise für Montag festzusetzen, bis dahin könntest Du freilich hier sein, aber wenige Tage Aufenthalt würden unsre Abreise bis Donnerstag2 verzögern und was ist dann von einem Unterricht von höchstens 10 Tagen zu hoffen? Hermann und Anna theilen sich freilich in die Aufgabe, den Georg zu beschäftigen aber welche Mühe kostet es, ihn bei der Arbeit zu erhalten und welche Unmöglichkeit ist es, seine Gedanken von all den Verführungen des hiesigen Lebens fern zu halten. Also lassen wirs beim Mondtag und Du bleibst vielleicht einen Tag länger in Heidelberg, um nicht vor uns nach Hause zu kommen, was mir nicht lieb wäre und findest dann Gott gebe es Haus, Weib und Kind Alles in Ordnung. Die hier versammelten Lieben würden sich natürlich sehr freuen, Dich zu sehen, aber sie finden doch diese Einrichtung auch für die beste und hoffen dann von Erlangen aus auf einen längeren Besuch von Dir. Christoph und Paula, mit welchen Beiden wir uns Alle recht eingelebt haben gehen freilich Donnerstag den 19ten weg, aber Onkel Gottlieb mit seinen Lieben bleibt noch den ganzen Monath hier, da sein Urlaub erst mit dem 9ten Oktober zu Ende geht.
Wir leben hier wenn auch nicht gerade in stiller, doch in nicht aufregender Weise fort. Du hast doch den Brief von Kern3 erhalten, dem ich ein Paar Worte zufügte, da war ja der Sonntag mit all seinem lieben Besuch noch in Aussicht, und da fehlte es denn auch nicht an alten und jungen Gästen, Onkel Benoit mit Holzschuhers4 von Henfenfeld, Onkel Wilhelm, Caroline Tucher mit ihrem Brautpaar von Nürnberg. Es war sehr nett und munter, vom Wetter wie bisher Alles begünstigt. Am Montag wurde eine Parthie nach Winterstein gemacht, und über die Oberndorfer Quelle zurück, ich beschränkte mich aber wieder aufs Entgegenfahren, Dienstag blieben wir hübsch gemüthlich zu Hause und Onkel Gottlieb las uns vor aus der bibliotheka Simmelsdorfiana: Ödypus auf Colonnos, wunderschön, sie hatten es schon angefangen und ich hörte nur den großartigen, versöhnenden Schluß.
Gestern war wieder die Nachbarschaft geladen bei Tante Thekla und Paula, es wurde um etwas Abwechslung in die Unterhaltung zu bringen auch etwas musicirt. Du hast doch Annchens Panoffka mitgebracht oder Dich wenigstens darnach erkundigt? Heute soll das alljährlich neue Vergnügen des Kartoffelbratens im Wald vorgenommen werden, die Kinder freuen sich natürlich sehr. Das sind freilich ganz andre Vergnügungen als die die Dir zu Gebot stehenden, ich freue mich daß Du es in den verschiedenen Theatern so glücklich getroffen hast, die gerade jetzt berühmten Stücke zu sehen, die sich die gekrönten Häupter besonders bestellt haben und von denen man so oft las. In Heidelberg grüße ganz besonders Webers und Gervinus wenn sie da sind. Ob Du wohl die Vettern in Paris noch getroffen hast, kommen denn die österreichischen Herrschaften noch hin? Du hast verhältnißmäßig eine ruhige Zeit in Paris getroffen, meinst Du denn doch genügend gesehen zu haben, um ohne Bedauern Deinen Aufenthalt abzubrechen? Du sparst wohl noch etwa auf einen Aufenthalt mit mir, nicht wahr mein guter Liebster?
Die lieben Eltern, Onkel und Tante grüßen, ebenso die Jugend, Friedrich und Siegmund sind noch nicht zurück. Gott behüte Dich, mein Liebster und führe uns glücklich und froh zusammen.
Ich lasse mir wieder einen Wagen von Erlangen kommen, die hiesigen sind zu schwehr und kommen so nicht Mondtag Abend in Erlangen an.