Gestern Abend bin ich von drei wöchentlicher Reise und Aufenthalt in Paris hierher zurückgekehrt. Ich war in Paris getheilt zwischen Arbeit in der Bibliothek2 und sehr ermüdenden Genüssen. Für mich war dort Alles neu, wie die große Weltausstellung, so die Sammlungen des Louvre, die Theater, die Boulevards, das unermeßliche Wogen und Drängen in einem Centrum des Glanzes des Luxus und des Genusses unserer Welt und Zeit. Viel Schönes habe ich gesehen und mir angeeignet, am meisten im Louvre, doch bin ich froh, daß ich die Anstrengung, mit der man sich selbst solchen Genuß dort erkämpfen muß, hinter mir habe und in meine häusliche Stille zurückgekehrt bin. So sehr verlangte mich danach, daß ich mich auf der Reise weder in Straßburg aufhalten mochte, noch mich zu einem Abstecher nach Freiburg entschließen konnte, wie wohl Sie mich so freundlich dazu aufgefordert haben.
Die Hauptfrucht meiner Arbeit, den nach dem Original durch collationirten Closener sende ich Ihnen hierneben. Im Ganzen war doch die Abschrift, welche Schott für den Abdruck gebraucht hat, recht sorgfältig gemacht. Auslassungen und wesentliche Unrichtigkeiten habe ich nur wenige gefunden. Am meisten Schwierigkeit macht die Rechtschreibung. Die Handschrift ist sicher nicht Autograph, aber Abschrift nach diesem, vielleicht von dem Verfasser selbst veranstaltet, der mit rother Schrift die Überschriften am Rand und einige Correcturen hinzugefügt haben mag. Auffallende Fehler in der Schreibung der Nomen, wie z. B. Achene statt Athene und Anderes sind stehen geblieben, die der Autor sicher nicht begangen haben würde.
Ich habe constatirt, daß der Herausgeber, Schott, in der Rechtschreibung consequent geändert hat, was sicher nicht wohl gethan ist; z. B. so sehr der Schreiber die Umlautszeichen gebraucht und liebt, so schreibt er doch immer nur (allein mit einziger nicht ganz sicherer Ausnahme) frowen nicht fro~wen, während Schott immer frouwen dafür gesetzt hat; ebenso hat Schott in der Regel das ie an Stelle des i gesetzt in ving, ging und dergleichen, während der Schreiber, wo er wirklich ein e mit dem i haben will, seines darüber stellt z.B. bieten (bitten), was aber auch als biten und bitten geschrieben ist. Ich habe alle diese Unregelmäßigkeiten der Schreibung aufgenommen; so zB. bei darnach, welches bald so, bald als darnoch, oder dernoch geschrieben ist, wie wohl häufig beide letzten Formen nicht zu unterscheiden sind, da ein und dieselbe Abkürzung d’3 in der und dar aufgelöst werden kann, wie sich eben bei dem Schreiber selbst aufzeigen läßt.
Keine Schwierigkeit ist, das Zeichen für darüber gesetztes e zu erkennen, welches immer deutlich ~ ist, so regelmäßig bei o~ch für oech; ebenso bei darüber gesetztem e z. B. bei coerper, aber auch bei roet (Rath) doet (That), oebent (Abend), stoen (stehen), stoet (steht) getoeen (gethan) und wieder bei doet (Tod wie That).
Unrichtig ist, was Schott (S. XI) sagt, daß ei häufig zu öu wird; dieser letzte Diphtong kommt gar nicht vor, sondern ist jedesmal bei Schott falsche Lesung statt eu, welches in der Handschrift e~ geschrieben ist, so zB. S. 92 (fro~de und) fre~de bei Freude S. 93 erz~get und so immer.
Nicht zu unterscheiden sind die Umlautszeichen o ( ) über dem u, die so außerordentlich häufig sind, aber sehr oft auch bei denselben Wörtern weggelassen sind: wohl mag man bei zuo, wo es wohl kaum fehlt, dasselbe für ( ) ansehen, aber zu unterscheiden sind die meist nur mit feinem Doppelstrich ̆̑ angegebenen Zeichen doch nicht an sich selbst bei zuo oder zu ̆̑ , tŭtscher, gebŭrte, mŭter undsoweiter. Ich habe bei der Revision dieses Zeichen überall, wo es sich findet, als ̆ gesetzt, woraus man für den Druck, wo es für nöthig gehalten wird, leicht ein o machen kann, das im andern Fall aber als ´ oder ´´ zu geben ist: ich habe es weggelassen, wo es sich nicht findet, wo man es auch hinzufügen kann, wenn es das Wort schlechthin zu erfordern scheint. Andere ist in der Regel andre geschrieben, bisweilen aber auch andrre, in welchem Fall ich anderre gesetzt oder gelassen habe, wie wohl nur zweifelhaft ist, ob der Schreiber so hat schreiben wollen.
un̅ ist in der That überall, wo es ausgeschrieben unde.
Die Endung heim im Ortsnamen ist in der Regel gegeben mit hei̅, wo aber ausgeschrieben, mit hein̅ statt heim selten heim.
Auf diese und andere Dinge habe ich am Rand hingewiesen, nicht schon für den Druck, sondern vorläufig nur zu unserer, insbesondre Ihrer Notiz.
Ich bitte Sie nun freundlichst den von mir durchcorrigirten Text genau anzusehen, und mir vorläufig Ihre Meinung über die einzelnen vorhin erwähnten Punkte mitzutheilen, wie Sie dafür halten, daß man bei dem Druck mit ihnen verfahren soll, welche Zeichen man gebrauchen, welche auflösen oder etwa ganz weglassen soll, wo sie unnöthig erscheinen, wo sie ebenso häufig stehen als fehlen.
An Kern bitte ich das beiliegende Manuscript von Königshofen zu übergeben, das ich ungern genug aus der Hand gebe, dessen er aber für seine Nürnberger Chronik durchaus benöthigt zu sein glaubt, so sehr, daß er deßhalb nach Paris an mich geschrieben hat. Notabene
Notabene Bis Ende dieses Monats reise ich nach München zur Commissionssitzung4. Vielleicht kann ich noch vorher Antwort von Ihnen erhalten. Doch Eile hat es damit gerade nicht, also ganz nach Ihrer Bequemlichkeit. Meine besten Grüße an Ihre liebe Frau und ebensolche Wünsche für Ihr und der Ihrigen Wohlergehen.
Notabene Ich habe mich doch nicht dazu entschließen können, das Manuscript von Königshofen zu schicken. Besonders, weil ich es für völlig nutzlos halte für den Zweck, den Kern im Sinne hat, da diese letzte Bearbeitung des Königshofen, wie es scheint, gar nicht ans Publicum gekommen ist und so auch nicht von einer Nürnberger Compilation benutzt werden konnte. Geben Sie daher gefälligst an Kern den einliegenden Brief5.