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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, München, 3. Oktober 1867

Liebes Suschen!

Ich wünsche Euch einen herzlichen guten Morgen aus dem Goldenen Bären no. 46! Hier wurde ich am Montag1 Abend um 10 ½ Uhr glücklich untergebracht, nachdem ich die 6 stündige und doch lange Fahrt in Gesellschaft einiger Herren aus Fürth, worunter der Apotheker Dr. Maier, Landtagsabgeordneter, glücklich zurückgelegt hatte. Im Gastzimmer, wo ich vor Schlafengehen noch ein Glas Bier trinken wollte, traf ich Collega Ziemssen, der ebenfalls im Bären eingekehrt ist. Und am folgenden Mittag war derselbe Bär so freundlich mich mit Hofmanns zusammenzuführen, die gewöhnlich da speisen, und wieder am folgenden Mittag, nämlich gestern, war auch Marquardsen in ihrer Gesellschaft. Ich selbst war gestern zum Diner bei Professor Cornelius mit den übrigen Historikern eingeladen und werde heute Mittag beim Stiftspropst Döllinger speisen. Hieraus siehst Du, daß wir wieder im gewöhnlichen Gang sind. Die Historiker sind diesmal Alle, mit Ausnahme von Droysen, der nicht mehr kommt, beisammen. Auch Weizsäcker fehlt nicht. Waitz, Pertz, Ranke, Sybel. Mit mir im Bären wohnen Stälin und Wegele. Lappenberg und Häusser hat uns der Tod entrissen. Gestern morgen war die Eröffnung unserer Sitzungen2, welche Ranke mit einer Gedächtnisrede auf diese beiden einleitete. Ich kam auch gestern schon zu meiner Berichterstattung.3

Den ersten Tag, Dienstag4, den ich frei hatte, benutzte ich für die Bibliothek und Besuche. Die lezteren begann ich früh bei August und Marie im Leinfelder, die ich zu Hause traf und die noch auf die Entscheidung warteten. Es war verabredet, daß sie mit Löffelholz und Frau eine Parthie nach Starnberg um 10 Uhr ausführen wollten, allein das trübe, windige Wetter schreckte sie davon ab. Den Vormittag brachte ich auf der Bibliothek zu, Mittags aß ich mit Hofmanns im Bären und ging darauf mit ihnen in die permanente Kunstausstellung, machte sodann Besuche. Auch zu Löffelholz in Arcisstraße 8 kam ich und erfuhr, daß sie zwar die Parthie nach Starnberg nicht ausgeführt hätten, aber doch nicht zu Hause seien. Luise war mit ihrem Luischen in der Schule. Nachher kam Löffelholz zu mir in den Gasthof und lud mich zum Abend ein, wo ich mit August und Marie zusammen traf. Ich sah das liebliche gestern 8 Wochen alte Mägdlein, welches Luise auf dem Arm hatte; die Wohnung ist geräumig und freundlich. Luise sah gut aus, wenn auch noch etwas blaß.

Ich vergaß zu erwähnen, daß ich gleich vom Leinfelder aus zum Onkel ging. Er war aber, als ich kam, in Begriff seinen Hermann auf die Eisenbahn zu bringen, um nach Meran abzureisen und man war beim bewegten Abschied. So sah ich die Tante nur einen Moment; gestern konnte ich nicht wieder hin, aber die Salzburger5 habe ich hingeschickt.

Wie ich höre, werden unsere Sitzungen wohl bis Dienstag6 dauern, so daß ich erst bis Mittwoch zurück kommen werde. Die Eröffnung des Octoberfestes ist am nächsten Sonntag7. Bis jetzt ist es noch stille hier und das Bier schlecht.

Möge es Dir und unseren Kindern wohlgehen! Ich bin gespannt auf Deine Benachrichtigung von Georg’s Prüfung, die heute beginnt. Doch erhalte ich wohl noch vorher einen Brief von Dir. Gott sei mit Euch! Wie geht es Dir, liebes Suschen, mit Befinden und Stimmung?

 Dein
 Geliebter und Getreuer.