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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, München, 4. Oktober 1867

Liebes Suschen!

Heute Morgen erhielt ich Deinen lieben Brief1, den ich herzlich beantworte. Bei Beetz schreibe ich Einiges auf die folgende Seite, die Du abschneiden und ihm zusenden wirst. Ich wünsche sehr, daß die Lehrer mit Georgs Prüfung ebenso zufrieden sein mögen wie der unverbesserliche Bruder Schwindel selbst! Gewiß ist, daß in der Prüfung nicht viel verlangt wird. In Betreff des jungen Mädchen aus Eichstätt, das sich Dir vorgestellt hat, bin ich der Meinung, daß sie für das nächst vorliegende Bedürfnis durchaus nicht paßt. Du brauchst entweder eine erfahrene Wartefrau, die mit einem Neugeborenen umzugehen weiß und Nacht wie Tag zu diesem Dienst bereit ist, oder, wenn es nicht anders sein kann, eine Amme. Die Dienste einer Wartefrau kann das junge Mädchen nicht versehen, auch wenn sie sie gern übernehmen wollte, was ich doch bezweifle. Du würdest die Hälfte dieser Dienste selbst verrichten müssen, was nicht angeht. Ob die Pöppl später für uns passen wird, können wir noch nicht wissen. Für die nächsten Monate brauchst Du, wie gesagt, eine Wartefrau, und eine solche findet sich doch wohl in Erlangen oder Nürnberg. Sagtest Du nicht von einer solchen, die bei Frau Stintzing war oder noch ist? Es muß Deine erste Sorge sein, Dich einer solchen zu versichern.

Meinen Brief2, den ich gestern Morgen aufgab, wirst Du erhalten haben. Wir waren bei Döllinger zu Tisch. Leider nehmen diese Diners die Nachmittage so ganz in Anspruch, daß man zum Spaziergang kaum noch kommen kann; und gestern fing es zu regnen an. Heute schneite es fast den ganzen Tag und ist abscheulich kalt. Ich bin froh, daß ich meinen Winterüberrock bei mir habe. Um den Abend hinzubringen ging ich gestern in’s Actientheater und sah eine recht alberne komische Oper: Orpheus in der Unterwelt; das Haus war kaum zur Hälfte gefüllt und die Vorstellung matt und der Witz schal; im Opernhaus wurde der Nordstern gegeben. Vielleicht seh ich am Sonntag Undine. Denn die Landparthie wird sicher zu Wasser werden, wenn nicht zu Schnee.

Unsere Sitzungen werden voraussichtlich am Montag3 zum Abschluß kommen, so daß ich bis Dienstag Mittag in Erlangen sein kann. Natürlich habe ich nicht Lust hier länger zu verweilen, als nothwendig ist. Heute Abend bin ich zu Staatsrath Maurer geladen und zum Onkel, wo ich auch die Schwäger treffen soll. Ich werde zuerst zu diesem gehen und dann zum Souper zu Maurer. Morgen Mittag gibt Archivdirektor Löher uns das Diner. So muß man sich im eigentlichen Sinne durchbeißen, und zwar mit mangelhaftem Gebiß, wie Du weißt! Bei Harsdorfs machte ich heute Nachmittag Besuch und traf Wilhelmine und Kinder ganz munter. Die Hochzeit von Gottlieb Schwarz soll bis zum 19. verschoben sein. Ich weiß nicht, liebes Suschen, ob ich Dir noch einmal schreibe. Wenn nicht, so erwarte mich bis Dienstag Mittag. Frau Giesebrecht lädt Dich oder Annchen zu sich ein. Herzlichen Gruß an Annchen und die andren Kinder. Möge es Dir wohl gehen.

Liebste Frau, vergönne Dir die nöthige Nachtruhe; Du schreibst mir nicht, daß Du den Mundel abgegeben hast; das ist unbedingt nöthig. Lebe wohl! In treuer Liebe

der Deinige.