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Karl Hegel an Heinrich Sybel, Erlangen, 9. November 1867

Verehrter College!

Ich meine Ihnen neulich Abend bei Staatsrath Maurer1 schon gesagt zu haben, daß wir unser Augenmerk bei Wiederbesetzung der Weizsäcker’schen Stelle2 vorzugsweise auf Wachsmuth in Marburg und Nissen gerichtet hätten. Denn es wird ein Fachmann für Alte Geschichte, und zwar ein solcher gewünscht, der auch die Kunstarchäologie mit übernehmen könnte, welche letztere nur vorübergehend durch Privatdocenten bei uns vertreten gewesen ist und gegenwärtig gar nicht gelesen wird. Zu beiden genannten Männern habe ich in wissenschaftlicher Hinsicht das vollste Vertrauen, aber ich kenne persönlich keinen von beiden und kann somit nichts aussagen weder über ihre Persönlichkeit im Allgemeinen, noch über ihre Lehrgabe insbesondere. Nun ist es aber doch nothwendig von sicherer Hand zu wissen, ob wir an dem einen oder dem andern auch einen humanen Collegen und einen begabten Docenten gewinnen würden, und ich wende mich deshalb in vertraulicher Weise an Sie, da Sie beide Männer persönlich kennen und wissen, worauf es ankommt, um etwas Näheres hierüber zu erfahren. Da unser Ministerium3 ohne Zweifel geneigt sein wird, wieder einen Eingebornen4 zu bevorzugen, so haben wir um so mehr Ursache, wenn wir einen Ausländer5 vorschlagen, sowohl uns selbst die Gewißheit zu verschaffen, daß wir den besseren Mann gewählt haben, als auch durch unsere nachdrückliche Empfehlung ihn als solchen erscheinen zu lassen.

Ich sende Ihnen gleichzeitig ein von mir verfaßtes Universitätsprogramm6, welches mir die Veranlassung gegeben hat, auf meine alten längst zurückgestellten italienischen Studien noch einmal zurückzukommen7.

Ich wünsche, daß Ihre Frau Gemalin die Rückreise von München ohne weiteren Nachtheil glücklich überstanden hat und bitte mich ihr zu empfehlen.

Ihr
ergebenster
Carl Hegel.