XML PDF

Karl Hegel an Rudolf Jhering, Erlangen, 31. Dezember 1867

Lieber Freund!

Du spendest Geist nach allen Seiten! Herzlichen Dank für den süßen Saft und für Deine freundliche Erinnerung an mich!

Das alte Jahr ist vergangen, das Dir wiederum ein großes Leid gebracht, einen Theil Deines Lebens hinweggenommen und Dich vereinsamt hat. Tief habe ich Dich beklagt, lieber Freund, und aufs neue, wie schon oft, der schweren Stunden gedacht, die wir im ähnlichen schmerzlichsten Fall zu Rostock mit einander durchlebten.1 Du willst Dich nun herausreißen aus dem Ort, in dem Du keine Heimat mehr findest, und eine neue suchen draußen außerhalb des Ganzen des zur Zeit möglichen Deutschlands. Möge es Dir dort nicht zu sehr anthun nach diesem, mögest Du in der Wissenschaft Dein Glück, wie Deinen Ruhm, finden, möge es Dir auch dort2 nicht an gleichgesinnten Freunden des deutschen Namens und der deutschen Ehre, die nur unter Preußens Führung sich heben und wachsen können, fehlen!

Gestern kurz vor Mittag wurden wir und die ganze Stadt erschreckt durch das plötzliche Auflodern einer mächtigen Flamme auf dem Dach des nahen Universitäts- Krankenhauses3; binnen kurzem war das ganze Dach davon ergriffen; die Kranken wurden in der Eile hinweg gebracht, die Betten und Geräthe zu den Fenstern hinausgeworfen. Der Brand griff in dem oberen Stockwerk um sich, wüthete am heftigsten in den beiden Flügelgebäuden, dauerte noch die Nacht hindurch; dabei war es bitter kalt, das Wasser fror in den Eimern und Schläuchen. Heute steht ein verödetes Haus als Ruine da! Morgen werden wir daran denken es wieder aufzubauen.

Baue auch Du, lieber Jhering, Dir ein neues Haus in der Ferne und vergiß in Deinem neuen Garten auch die Quitten nicht und sende uns, wenn sie gewachsen sind, wieder von Ihrem Saft und Deinem Geist; denn ich bin sicher, daß Du auch meiner nicht vergessen hast, der ich bin und bleibe

Dein
alter Freund
Carl Hegel