CollegeMakowiczka war eben bei mir, um mich zu ersuchen, unseren Dr. Vogel bei Ihnen zu empfehlen. Ich thue dies mit vielem Vergnügen, obwohl ich überzeugt bin, daß es meiner Empfehlung bei Ihnen nicht erst bedarf, da Sie den wackeren jungen und strebsamen Docenten selbst, von Seiten seines Charakters wie seiner wissenschaftlichen Befähigung und Lehrgabe, genügend kennen. Die Veranlassung zur Sache geht von Ihrem Collegen und politischen Widersacher Brinz aus, der deßhalb an Makowiczka geschrieben hat. Er beabsichtigt Vogel für eine außerordentliche publicistische Professur in Tübingen vorzuschlagen und wünscht dabei die Unterstützung seiner Tübinger Collegen zu finden. Dies ist gewiß um so anerkennenswerther, als Vogel, wie Sie wissen, Brinz aber vielleicht nicht ebenso gut weiß, durchaus nicht zu seiner politischen Partei1 gehört. Von diesem Wissen werden Sie vielleicht | so vorsichtigen Gebrauch machen, daß die andere Partei nicht stutzig undkryptischer2 wird. Vogel’s Art und Weise ist übrigens, wie Ihnen ebenfalls bekannt, durchaus nicht scharf provocirt3, sondern zurückhaltend und förmlich, mehr als mir gerade zusagt. Ich nehme vielen persönlichen Antheil an seinem Fortkommen und möchte wünschen, daß Sie etwas zu dem Erfolg seiner Anstellung in Tübingen4 beitragen könnten.
Kugler5 wird meinen Gruß an Sie aus dem Leistla in Nürnberg bestellt haben. Ich habe mich sehr erfreut an den forschen Eindrücken, die er von Berlin mitbrachte und lebendig mitzutheilen wußte.
Marquardsen ist vergangene Nacht mit den Collegen aus München, Stauffenberg, Jordan6 und Anderen dorthin abgefahren. Wir geben ihm um 11 Uhr das Geleite zur Eisenbahn von der Harmonie aus.
Unsere Vorlesungen haben diesmal nach neuer Vorschrift früher angefangen, zwar nicht am 15. dieses Monats7, wo noch kein Student zu sehen war, aber doch seit dem 20.; aber der Collegienbesuch ist bisher nur schwach und die Gesammtzahl erreicht nicht über 370, – es scheint, daß wir den Krebsgang einschlagen. | Den näheren Freunden geht es gut; in meinem Hause befindet sich Alles wohl. Markowiczka läßt Sie herzlich grüßen. Von ihm erhielt ich auch Ihre Antwort an Brinz, mit der ich sehr einverstanden war. Möge es Ihnen und Ihren Kindern wohl gehen! Meinen Gruß an Ihren Herrn Bruder.
Freundschaftlich der Ihrige Carl Hegel.
1Alois Brinz (1820-1887) war großdeutsch gesinnt; vgl. dazu einführend: DB , sowie: DB . 2Unsichere Lesart. 3Unsichere Lesart. 4Julius Weizsäcker (1828-1889) wirkte von 1867 bis 1872 als Ordinarius in Tübingen; sein Bruder, Karl Heinrich Weizsäcker (1822-1899), war dort seit 1861 Theologie-Professor, dann von 1890 bis zu seinem Tod Kanzler; zu den beiden Weizsäcker-Brüdern vgl. einführend: DB , DB . 5Eventuell handelt es sich hier um den Tübinger Kollegen Julius Weizsäckers (1828-1889), Bernhard Kugler (1837-1898), der in Tübingen, München und Greifswald studiert hatte und seit 1874 Ordinarius für Geschichte an der Universität Tübingen war; vielleicht war er gerade auf der Durchreise von Berlin zurück nach Tübingen, als er in Nürnberg Station gemacht haben könnte. 6Unsichere Lesart. 7Mittwoch, 15. April 1868.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Weizsäcker, Julius Friedrich LudwigJulius Weizsäcker
HiKo
11730804818281889Weizsäcker, Julius Friedrich Ludwig (1828–1889), in Öhringen geborener Historiker, der nach seinem Studium der evangelischen Theologie und seiner Habilitation im Fach „Geschichte“ an der Universität Tübingen im Jahre 1863 ordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Erlangen wurde, 1867 in Tübingen, 1872 in Straßburg, 1876 in Göttingen und 1881 in Berlin. Von 1860 bis 1889 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann Leiter der Abteilung „Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe“ der Historischen Kommission bei der bayerischen Akademie der Wissenschaften, von 1862 bis 1870 deren außerordentliches, darnach deren ordentliches Mitglied.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (StBPK), Berlin
NL Hegel 15, Fasz. IV, 3.
SBPK Berlin1000
Makowiczka, FranzFranz Makowitzka11669180818111890Makowiczka, Franz (1811–1890), im böhmischen Hagensdorf/Komotau geborener deutscher Nationalökonom und Politiker, der nach seinem Studium der Philosophie und der Rechtswissenschaften von 1829 bis 1835 an der Universität Prag im Jahre 1836 promoviert wurde. Von 1842 bis 1845 war er Adjunkt des Juridisch-Politischen Studiums in Prag und dann von 1846 bis 1849 ordentlicher Professor an der Universität Krakau und 1850/51 Dozent für Statistik, Rechts- und Staatswissenschaften in Prag. Von 1851 bis 1890 war er ordentlicher Professor der Nationalökonomie (Staatswirtschaft, Finanzwissenschaft, Polizeiwissenschaften und Kulturpolitik) an der Universität Erlangen. Politisch setzte er sich für die Rechte der Deutschen in und aus Böhmen, Mähren und Schlesien ein und war 1849/50 Schriftleiter der „Deutschen Zeitung aus Böhmen“. 1848/49 war er als Vertreter Komotaus Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung, von 1869 bis 1873 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtags und wurde im Jahre 1877 Ehrenbürger der Stadt Erlangen.
Vogel, WilhelmWilhelm Vogel11746445718381891Vogel, Wilhelm (1838–1891), in Bayreuth geborener Jurist, der 1867 an der Universität Erlangen Privatdozent wurde und ab 1872 dort außerordentlicher Professor der Rechtswissenschaften war.
Brinz, Alois11851549718201887Brinz, Alois (1820–1887), aus dem Allgäu stammender Rechtswissenschaftler und Politiker, der nach seinem Studium an den Universitäten München und Berlin zunächst im Königreich Bayern in den Justizdienst eintrat. Im Jahre 1852 wurde er außerordentlicher Professor an der Universität Erlangen und war von 1854 bis 1857 dort Ordinarius für Römisches Recht. Anschließend war er von 1857 bis 1866 in gleicher Funktion an der Universität Prag, wechselte nach der österreichischen Niederlage von 1866 bis zum Jahre 1871 an die Universität Tübingen und beschloß sein Gelehrtenleben darnach an der Universität München, deren Rektor er zweimal in den Jahren 1876/77 und 1882/83 war. In München wurde er auch Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften; er hielt die Festrede anlässlich der Enthüllung des Herz-Denkmals in Erlangen am 5. Mai 1875.
Kugler, Bernhard10142291118371898Kugler, Bernhard (1837–1898), der in Tübingen, München und Greifswald studiert hatte, war seit 1874 Ordinarius für Geschichte an der Universität Tübingen.
Marquardsen, HeinrichHeinrich Marquardsen11678909318261897Marquardsen, Heinrich (1826–1897), in Schleswig geborener Jurist und Politiker, der nach seinem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Heidelberg im Jahre 1848 promoviert wurde und sich 1852 habilitierte. Als Privatdozent für Staats- und Völkerrecht wurde er 1857 in Heidelberg außerordentlicher Professor und war anschließend von 1861 bis 1897 Ordinarius an der Universität Erlangen. Im Zusammenhang mit der Schleswig-Holstein-Problematik wandte er sich der Politik zu und war 1864/65 Präsident der Schleswig-Holstein-Vereine im Königreich Bayern, war von 1868 bis 1870 als Mitglied der Fortschrittspartei Mitglied des deutschen Zollparlaments, von 1869 bis 1892 Mitglied der Abgeordnetenkammer des Bayerischen Landtages und von 1871 bis zu seinem Tode auch Mitglied des Deutschen Reichstages.
Stauffenberg, Franz August11724227618341901Stauffenberg, Franz August (1834–1901), in Würzburg geborener Jurist und Politiker, der von 1851 bis 1857 an den Universitäten Würzburg und Heidelberg studierte und dann von 1862 bis 1866 als Staatsanwalt in Augsburg in den königlich bayerischen Justizdienst ging. Von 1867 bis 1899 gehörte er der Abgeordnetenkammer des Bayerische Landtages an, von 1868 bis 1871 dem Deutschen Zollparlament und von 1871 bis 1892 dem Deutschen Reichstag.
Weizsäcker, Bertha, verh. Müller110861004818641945Weizsäcker, Bertha (1864–1945), war die einzige Tochter des Historikers Julius Weizsäcker (1828–1889) und dessen jung, nach der Geburt des vierten Kindes (Totgeburt) im Wochenbett verstorbenen Frau Agnes Weizsäcker, geb. Rindfleisch (1835–1865). Sie war verheiratet mit dem evangelischen Theologie-Professor und Kirchenhistoriker Karl Müller (1852–1940).
Weizsäcker, Heinrich11730794718621945Weizsäcker, Heinrich (1862–1945), Sohn von Agnes (1835–1865) und Julius Weizsäcker (1828–1889), Kunsthistoriker, von 1891 bis 1904 Direktor des Städelschen Kunstinstituts und Museums in Frankfurt am Main.
Weizsäcker, Carl Heinrich11730811018221899Weizsäcker, Carl Heinrich (1822–1899), in Öhringen geborener Bruder des Historikers Julius Weizsäcker (1828–1889), evangelischer Theologe, ab 1861 ordentlicher Professor der Kirchen- und Dogmengeschichte an der Universität Tübingen, von 1890 bis 1899 deren Kanzler.
Tübingen48.5236164,9.0535531Stadt am Neckar im Königreich Württemberg mit 1477 gegründeter Universität, etwa 40 Kilometer südlich von Stuttgart gelegen.
Nürnberg49.453872,11.077298In Franken an der Pegnitz gelegene ehemalige Reichsstadt, seit 1806 Stadt des Königreichs Bayern.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Docent, DozentLehrender.
wissenschaftlichAuf die Wissenschaft bezogen, ihr zuzuordnen, auf ihr gründend, sie betreffend, zu ihr gehörend, sie beinhaltend.
TübingerZu Tübingen gehörend, auf Tübingen bezogen, Tübingen zuzuordnen.
kryptischKryptisch im Sinne von: unverständlich, rätselhaft, schwer zu deuten bzw. zu fassen; auch: im Verborgenen agierend.
Leistla (Leistenkeller, Nürnberg)Fränkisch-Nürnbergerische Bezeichnung für den „Leistenkeller“ in Nürnberg (Sebald), welcher auf dem Weinmarkt diente, um nicht verkauften Wein über Nacht einzulagern; in der Nähe befand sich auch das alteingesessene Gasthaus „Zum Roten Ross“, in dem sich zeitweise auch die Nürnberger „Harmonie“ traf, was wohl zu der entsprechenden Bezeichnung im Kontext dieser Versammlung geführt hatte.
Harmonie (Nürnberg)Gesellschaft, zu der sich seit 1805 das höhere Bürgertum einer Stadt zu gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen versammelte; die Gesellschaft wurde vornehmlich aufgrund von inneren Unstimmigkeiten mehrmals umgestaltet und es kam im Laufe ihrer Geschichte zu Austrittswellen, Spaltungen und Fusionierungen mit anderen Gesellschaften. 1863 erfolgte die Errichtung eines eigenen Gesellschaftshauses. Zeitweise wurde im 19. Jahrhundert auch im Gasthaus Rotes Ross am Weinmarkt getagt.
Harmonie (Erlangen)Gesellschaftshaus, in dem sich seit dem 18. Jahrhundert das höhere Bürgertum einer Stadt zu gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen versammelte. In Erlangen gründete sie – allgemein als „Clubb“ bezeichnet – 1788 der Rechtswissenschaftler Johann Ludwig Klüber (1762-1837), ab 1794 war es die „Mittwochsgesellschaft“ und ab 1809 die „Gesellschaft Harmonie“ als Geselligkeitsverein zur Pflege von Kultur und Kunst, mit dem sich eine Lesegesellschaft und die 1791 organisierte „Musikalische Gesellschaft“ verbanden. Die Erlanger „Harmonie“ verfügte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts über ein eigenes Haus am Holzmarkt in der Stadtmitte nahe der Hugenottenkirche.
Vorlesung(en)Lehrveranstaltung(en) an Universitäten.
StudentMännliche Person, die an einer Universität oder Hochschule immatrikuliert ist und dort entsprechend der gewählten Fachrichtung ausgebildet wird; auch ein Schüler einer höheren Schule.
Colleg, Collegium, CollegienAkademische Vorlesung(en) bzw. Vorlesung(en) an einer Universität oder Hochschule.
KrebsgangIn Bezug auf die Gangart des Krebses für stagnierende Verhältnisse gebräuchliche Redensart; in falscher Annahme, dass der Krebs sich rückwärts (statt seitwärts) bewege, auch Ausdruck für eine rückläufige, sich verschlechternde Entwicklung in einer bestimmten Angelegenheit.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis