XML PDF

Karl Hegel an Wilhelm Wackernagel, Erlangen, 26. Juni 1868

Hochgeehrter Herr College!1

Bei der Bearbeitung der Chronik von Königshofen macht die Quellenuntersuchung am meisten zu schaffen. Im ganzen bin ich nun damit wohl im Reinen; doch ist es mir noch nicht über alle im Einzelnen gelungen die jedesmal benutzte Quelle aufzufinden. So viel ist gewiß, daß Königshofen wenig oder nichts aus eigener Erfindung zur älteren Geschichte hinzugethan hat; er schreibt die Älteren meist wörtlich aus; nur die Composition ist ihm eigenthümlich.

So glaube ich auch, daß nicht er den abgeschmackten Schwank erst erfunden hat, den er S. 4 der Schilter’schen Ausgabe vorträgt: ‚Warumbe frowen me claffent denne man.’2 Dies könnte wohl einer populären Predigt entflossen sein oder irgend einem satyrisch didaktischen Werk.

Ich wollte mir deßhalb bei einem der besten Kenner unserer deutschen Literatur die Anfrage erlauben, in dem ich mich an Sie, meinen verehrten Collegen in der historischen Commission, wende, ob Ihnen diese Schnurre, wie es im Zusammenhang mit der Schöpfungsgeschichte, deren eigentliche Quelle ich ebenfalls nicht ermitteln konnte – Vincentius, speculum historiale S. 9 und 10 und ff. giebt nur Ähnliches in sehr bereiter Ausführung – oder als solche für sich irgendwo schon vorgekommen ist?

Hoffentlich sehen wir uns im Herbst zu München wieder?
Mit vorzüglicher Hochachtung
Ihr aufrichtig ergebener
Carl Hegel.