Bei der Bearbeitung der Chronik von Königshofen macht die Quellenuntersuchung am meisten zu schaffen. Im ganzen bin ich nun damit wohl im Reinen; doch ist es mir noch nicht über alle im Einzelnen gelungen die jedesmal benutzte Quelle aufzufinden. So viel ist gewiß, daß Königshofen wenig oder nichts aus eigener Erfindung zur älteren Geschichte hinzugethan hat; er schreibt die Älteren meist wörtlich aus; nur die Composition ist ihm eigenthümlich.
Ich wollte mir deßhalb bei einem der besten Kenner unserer deutschen Literatur die Anfrage erlauben, in dem ich mich an Sie, meinen verehrten Collegen in der historischen Commission, wende, ob Ihnen diese Schnurre, wie es im Zusammenhang mit der Schöpfungsgeschichte, deren eigentliche Quelle ich ebenfalls nicht ermitteln konnte – Vincentius, speculum historiale S. 9 und 10 und ff. giebt nur Ähnliches in sehr bereiter Ausführung – oder als solche für sich irgendwo schon vorgekommen ist?
Hoffentlich sehen wir uns im Herbst zu München wieder?
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr aufrichtig ergebener Carl Hegel.
1In dem folgenden Brief geht es vornehmlich um die von Karl Hegel (1813-1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München geleitete Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, hier vornehmlich um die projektierte Herausgabe der Straßburger Chroniken, die 1870 und 1871 als Bände 8 und 9 der Gesamtreihe erschienen; vgl. dazu und in dieses Unternehmen einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 165 ff., insbesondere zur Erarbeitung der Straßburger Chroniken-Bände auch S. 263 ff. 2Rollenstereotypisches, schwankhaftes Zitat aus der Chronik von Köngishofen, zitiert von Karl Hegel (1813-1901) nach der Ausgabe Schilters (1698), S. 4, aus der frühen Phase des Frühneuhochdeutschen, in der Bedeutung von: ‚Warum Frauen mehr laut reden/sprechen/schwatzen/plaudern/schnattern [auch im Sinne von: klatschen, jemanden verleumden, nachreden] als Männer.’, was der Verfasser mit dem Schöpfungsmythos erklärt, da die Frau demnach aus einem Knochen, einer Rippe aus der Seite des Mannes entstand, während der Mann selbst aus einem Lehmklumpen geformt wurde – bereits wenige Knochen in einem Korb klapperten, Lehm/Erde hingegen nicht.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Wackernagel, WilhelmWilhelm Wackernagel
HiKo
11708651718061869Wackernagel, Wilhelm (1806–1869), in Berlin geborener deutscher Schriftsteller, Germanist, Historiker und Philologe, der nach seinem Studium von 1824 bis 1827 an der Berliner Universität im Jahre 1833 Professor an der Universität Basel und 1835 dort ordentlicher Professor für deutsche Sprache und Literatur wurde. Im Jahre 1863 wurde er ordentliches Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
StA Kanton Basel-Stadt
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StA Kanton Basel-Stadt1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Königshofen, Jakob (Jacob) Twinger11915235513461420 Königshofen, Jakob (Jacob) Twinger, oder Jakob von Köngishofen (1346–1420), Geschichtsschreiber von Straßburg und als Priester ordinirt seit 1382, Kapitelherr von St. Thomas in Straßburg seit 1395; er verfasste eine Chronik von Straßburg, die Karl Hegel (1813–1901) im Rahmen seines monumentalen Editionswerks der Städtechroniken im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgab. Siehe auch: Twinger von Königshofen, Jakob.
Schilter, Johannes11879501516321705Schilter, Johannes (1632–1705), Jurist, Historiker, Hochschullehrer, war seit 1686 ständiger Rechtsrat in Straßburg, wo er auch als Honorarprofessor tätig war; er gab 1698 die „deutsche Chronik“ zu Straßburg heraus, basierend auf einer verlorenen Originalschrift.
Vinzenz (Vincent) von (de) Beauvais (Vincentius)118627163um 1184/851264Vinzenz (Vincent) von (de) Beauvais (um 1184/85–1264), latinisiert: Vincentius Bellovacensis, war ein französischer Dominikaner und Gelehrter, welcher u. a. ein historisches Werk erarbeitete, das unter dem Titel „speculum historiale“ die Geschichte aus christlicher Sicht darstellt und von Karl Hegel (1813–1901) rezipiert wurde. In gedruckter Form erschien es u. a. 1483 durch den Verleger, Buchdrucker und Buchhändler Anton Koberger (Koburger, Coberger, Coburger) (1440–1513) in Nürnberg.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Königshofen's ChronikDer Straßburger Historiograph, Priester, Kanoniker an St. Thomas in Straßburg, Historiker und Chronist Jakob Twinger bzw. Jakob von Königshofen (1346-1420) verfasste eine umfangreiche Chronik von Straßburg in deutscher Sprache, die er zunächst durch eine lateinische Materialsammlung vorbereitet hatte. Diese Chronik hatte Karl Hegel in seiner Editionsreihe, die er für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgab, selbst bearbeitet und veröffentlicht. Karl Hegel (1813-1901) veröffentlichte zu diesem Chronisten und seiner Chronik auch einen Artikel in der Deutschen Biographie, vgl. dazu: DB , sowie
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 8, Straßburg, Bd.1,
und
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 9, Straßburg, Bd. 2.
Quelle(n), historischeTexte als Quellen und andere Zeugnisse wie Sachquellen, Bildquellen, auch Zeitzeugenberichte und Ähnliches sowie abstrakte Quellen, die die vergangene Geschichte unmittelbar erleuchten und dabei helfen, bei historisch-kritischer Behandlung, die Vergangenheit entsprechend zu beleuchten, zu rekonstruieren, neue Erkenntnisse darüber zu gewinnen sowie einordnen und bewerten zu können; eindeutig abgegrenzt werden die Quellen von der fachwissenschaftlichen Literatur in Form sogenannter Darstellungen, in der Germanistik auch als Sekundärliteratur im Gegensatz zur Primärliteratur bezeichnet.
CompositionKomposition, Zusammenstellung.
Schwank, abgeschmackterDerb-komische, geschmacklose Erzählung in Prosa oder Versen bzw. lustig-derbes Schauspiel mit Situations- und Typenkomik und geschmacklosen, geistlosen, faden, törichten oder albernen Inhalten.
Schilter’scher Abdruck, Schilter’sche AusgabeJohannes Schilter (1632-1705), Jurist, Historiker, Hochschullehrer, war seit 1686 ständiger Rechtsrat in Straßburg, wo er auch als Honorarprofessor tätig war; er gab 1698 die „deutsche Chronik“ zu Straßburg heraus, basierend auf einer verlorenen Originalschrift, in der sich die von Karl Hegel (1813-1901) später noch einmal edierte Chronik Jakob Twingers von Königshofen befindet unter dem Titel: „Die Alteste Teutsche so wol Allgemeine Als insonderheit Elsassische und Straßburgische Chronicke/ von Jacob von Königshoven/ Priestern in Straßburg/ Von Anfang der Wt biß ins Jahr nach Christi Geburth M CCC LXXXVI. beschreiben. Anjetzo zum ersten mal heraus und mit Histoirschen Anmerkungen in Truck gegeben von D. Johann Schiltern, Straßburg/ Verlegt und getruckt durch Jisias Städel. M DC XCVIII.“, vgl. dazu auch
„Chroniken der deutschen Städte“, Bd. 8, Straßburg, Bd.1,
, S. 165
, sowie DB .
Predigt, populäreVolksnahe, gemeinverständliche, bei der Masse Anklang findende Rede mit religiösem Inhalt, zumeist mit inhaltlichem Bezug auf religiöse Schriften (z. B. Bibel) und ggf. auch entsprechender Auslegung innerhalb von kirchlichen Festtagen, Gottesdiensten etc.
satyrischsatirisch.
didaktischlehrhaft, belehrend.
Deutsche Literatur, auch ältere Schreibung: deutsche LitteraturTeilgebiet der im 19. Jahrhundert sich erst als Universitätsdisziplin etablierenden Germanistik.
Historische Commission/Kommission, MünchenIm Jahre 1858 in München auf Anregung des Berliner Historikers Leopold Ranke (1795-1886) vom bayerischen König Maximilian II. Joseph (1811-1864) bei seiner Akademie der Wissenschaften gegründete Institution zur Erforschung der deutsche Geschichte.
SchnurreUnterhaltsame, kurze, humorvolle Erzählung über eine wunderliche und/oder lustige Begebenheit.
SchöpfungsgeschichteInnerhalb des Christentums Erzählung über die Erschaffung der Welt durch Gott (Sechstagewerk), mit der die Bibel (Buch Genesis) beginnt.
speculum historialeWerk des französischen Dominikaners und Gelehrten Vinzenz von Beauvais (um 1184/85-1264), auch Vincent de Beauvais, latinisiert: Vincentius Bellovacensis, welches unter dem Titel „speculum historiale“ die Geschichte aus christlicher Sicht darstellt; in gedruckter Form erschien es u.a. 1483 durch den Verleger, Buchdrucker und Buchhändler Anton Koberger, auch: Koburger, Coberger, Coburger, (1440-1513) in Nürnberg.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis