XML PDF

Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 2. August 1868

Mein Liebster!

Stündlich gedenke ich Deiner in diesen Tagen, begleite Dich in Gedanken auf Deiner Reise und sehe Dich jetzt in Mitten all der gelehrten und geehrten Herrn, die mit Dir zur schönen Feier nach Bonn gekommen sind.1 Daß ich freilich gar zu gerne diese schönen Tage wirklich mit Dir verlebt hätte, weißt Du, und je länger Du weg bist, um so mehr wünsche ich, Dir nachzufliegen; noch kann ich Nichts fest versprechen, doch scheint mir der Zustand des Kleinen in den letzten Tagen entschieden besser, er ist munterer, sieht zwar immer noch recht blaß aus, aber was die Hauptsache ist, das eigentliche Übel hat sich sehr gemindert. Diese Nacht hatte ich übrigens einen rechten Schrecken, er hat plötzlich sehr heftig gebrochen, war aber nach- her wieder munter und trank seine Suppe mit größerem Behagen als diese letzten Tage, so daß ich denke, das Erbrechen war Folge von zu viel des Guten. Noch habe ich dem Doktor Nichts gesagt von meinem halb gefaßten Plan, morgen abzureisen, ich will sehen was er sagt.

Doch nun kurz von unsern Erlebnissen seit Deiner Abreise; der Sonntag brachte uns Abends einen sehr hübsch gelungenen akademischenGesang-Verein, wo Annchen recht gut ihre Jephta Arie sang und außerdem ein Trio und Quartett gespielt wurde. Von allen Bekannten, die da waren, Schmidtlein, Ziemssen wurde ich bedauernd begrüßt und ich mußte immer an Dich denken im schönen Viktoria-Hotel in Bingen.

Gestern war dann nun das glänzende Offiziers Fest, zu dem das Wetter, was des Morgens kühl und trüb war sich noch recht günstig und freundlich gestal- tete. Wir hatten recht wenig Lust zu gehen da alle nähern Bekannten vorhatten zum Abendmahl zu gehen, aber da wir diese Abhaltung nicht hatten, fand ich es doch für richtig, mein bescheidnes Theil an Annachen der gebotnen Freundlichkeit zu bringen und bat Frau Ziemssen, uns im Vorübergehen mitzunehmen; sie kam mit Gerlachs und unter Herrn Gerlachs Schutz wagten wir uns in den mit militärischem Glanze ausgeschmückten Welsgarten. An der Pforte wurden wir von einem Theil der Offiziere empfangen und nach der obern Terrasse gewiesen, wo der Obristlieutenant uns in den bedeckten Balkon führte welcher besetzt war mit verschiedenen Bekannten und ‚Spitzen‘. Frau von Guttenberg machte die honneurs in sehr liebenswürdiger Weise und die Gesellschaft war sehr animirt und heiter. Marquardsen, Beetz, Forster, Schelling, Stintzing, die nicht zum Abendmahl gegangen waren, Keil, Caries, Löwenich. Alles war da. Die Musik spielte sehr hübsch und wir sahen wie in einem Panorama Alles was kam und ging an uns vorbeiziehen. Als es dunkelte, wurde der ganze Platz mit Lämpchen erleuchtet und ein brillantes Feuerwerk abgebrannt. Auf Tanz war es wohl nicht berechnet, aber wies geht, wo viel junge Leute sind, macht sich der Wunsch doch immer bemerkbar, und so zog dann um 10 Uhr, als es kühl wurde Musik und Gesellschaft in den Saal, und Annchen tanzte noch recht vergnügt einige Zeit; es war im Ganzen sehr gelungen.

Im Haus geht’s mir Groß und Klein gut. Georg versichert auf meine Mahnung, er habe jetzt viel weniger zu arbeiten, es ist wohl möglich so am Schluß des Schuljahres. Doch nun leb wohl, mein Schatz, Alles Weitere mündlich so Gott will. Ich werde morgen, wenn’s gut geht, mit dem Eilzug nach Nürnberg gehen um von da um 8.15 Uhr abzufahren und hoffe am Dienstag2 Mittag in Bonn einzutreffen. Ängstige Dich aber nicht, wenn ich nicht komme, Du weißt wie jede kleine Störung mich abhalten kann, und es bleibt ja immer noch die Möglichkeit Dich in Cöln zu treffen.

Empfiehl mich Deinen lieben Wirthen. Dieser Brief wird doch nicht wie ausgemacht morgen Mittag eintreffen, da ich durch einen Besuch von Frau Heineke abgehalten wurde, ihn bis zum Eilzug zur Bahn zu bringen, ich weiß nun nicht wie er geht. Habe auch noch keinen von Dir.

Leb wohl, mein Liebster, die Kinder grüßen, Mundel und Sophiechen gehen heute mit der Rosel zu den Seiltänzern. Von Herzen Deine Susanna.