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Karl Hegel an Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, München, 3. Oktober 1868

Liebes Suschen!

Ich habe gestern Deinen lieben Brief2 erhalten. Gottlob daß es Euch Allen in Erlangen wohl geht! Über Mundel’s fröhlichen ersten Schulgang habe ich mich auch herzlich gefreut. Ich hege alles gute Zutrauen zu seiner frischen Natur für den weiteren Fortgang. Auch der erwartete Bericht aus Lübeck ist mir noch rechtzeitig zu Händen gekommen, ich konnte ihn ganz warm zum Vortrag bringen.3 Das Paket aus Cöln, welches eine werthvolle Handschrift enthielt, hatte ich eher erwartet; ich muß dafür so bald als möglich den Empfangsschein ausstellen; vermuthlich liegt er bei. Schicke doch sogleich zu Dr. Schröder und laß ihn das Paket bei uns aufmachen und lies die Zuschrift von Dr. Ennen. Wenn kein Empfangsschein mit der Bezeichnung der Handschrift, den ich nur zu unterschreiben habe, vorliegt, so ersuche Herrn Schröder, daß er die Bezeichnung der Handschrift nach Titel und Nummer aufsetze und schicke mir diese zu. In jedem Falle muß ich das Eine (den Empfangsschein) oder das Andere (die Bezeichnung) nach hierher bis Dinstag4 Morgen haben, damit ich den Empfangsschein ausstellen und nach Cöln absenden kann.

Ich habe in disen letzten Tagen, seit Mittwoch, viel zu thun gehabt und konnte mich der Mädchen5 wenig annehmen, doch war dies auch nicht gerade nöthig, da es ihnen an Begleitung nicht fehlt. Denn außer Onkel und Tante sind noch die gute Anna und die beiden Vettern Sigmund und August da, welcher letztere vorgestern von Leitheim gekommen ist, die sich ihnen jederzeit gerne zu Diensten stellen. Nachmittags konnte auch ich sie einige Mal begleiten. Das Wetter war die ganze Woche hindurch meist schön oder klärte sich Nachmittags auf.

Am Dinstag6 sahen wir Vormittags das königliche Schloß und fuhren Nachmittags nach Großhessellohe an der Isar, besuchten dort die Villa Schwaneck, welche ehemals dem Bildhauer Schwanthaler gehörte. An einem andern schönen Nachmittag führte uns der Onkel mit der Tante durch den englischen Garten nach Brunnthal, wo wir Caffe tranken und über die Anlagen auf dem Gasteig zurück. Natürlich haben die Mädchen Glyptothek und Pinakothek besucht und ich selbst nahm sie unter dem Titel der historischen Commission in das Nationalmuseum mit, welches disen von dem Director von Hefner-Alteneck gezeigt wurde. Annchen hat die Oper: weiße Dame gesehen und wird heute mit uns die Festoper des Octoberfestes Oberon besuchen, nachdem wir zuvor auf der Theresienwiese den König, das Volk und das Vieh gesehen haben werden. Dazwischen bin ich durch die Sitzungen und Mahlzeiten sehr beschäftigt. Denke nur, gestern Abend hatte Annchen die Ehre mit Frau v. Giesebrecht allein als weiblicher Theil in der Gesellschaft bei dem Souper der Historischen Commission, zu welchem sie von Giesebrecht eingeladen worden, zu erscheinen, und da bekam sie in einem an sie gerichteten Toast von Cornelius allerlei Schönes vom Veilchen und der Rose zu hören.7 Wir blieben bis nach Mitternacht; es waren auch junge Historiker und Martin dabei und Frau Giesebrecht wollte diesen jüngeren Theil der Gesellschaft gar nicht fortlassen.

Ich denke Mittwoch8 Morgen mit den Mädchen von hier abzureisen. Würde die zuerst angekündigte Jessonda an diesem Tage gegeben, so hätte ich sie noch einen Tag länger zurückgelassen; so aber ist die neue Oper von Auber an die Stelle getreten, um derentwillen ich die Abreise doch nicht verschieben will, besonders da es sehr wünschenswerth ist, daß Annchen einen Tag vor Deiner Abreise in Erlangen eintrifft. Die Mädchen werde ich in Augsburg verlassen, wo sie den Vormittag bei Caroline bleiben können bis 1 Uhr, wenn der Postzug abgeht.

Mit Harsdorf waren wir mehrere Male des Abends zusammen. Löffelholz habe ich besucht, und Annchen war wiederholt bei Luise, die durch eine geschwollene Backe auszugehen verhindert ist.

Annchen wird Dir noch schreiben.

Wie weit bist Du mit der Ausstattung für Luischen. Ist doch die Tonne mit den Betten rechtzeitig fortgeschickt? Ich werde das Kind mit herzlichem Antheil in meinen Gedanken bei der Abreise von Erlangen begleiten. Gott sei mit ihm! Es geht hoffentlich allen Kindern fortdauernd wohl. Auch Annchen hier ist wohl und munter. Röschen kann weniger vertragen und war zwei Mal vorübergehend von Unwohlsein befallen; da es durchaus unbedenklich war, wurden wir auch nicht dadurch beunruhigt.

Also schicke mir sogleich den verlangten Schein, daß ich ihn bis Dinstag9 erhalte vor meiner Abreise und adressire ihn zur größeren Sicherheit an OberAppelationsRath v. Tucher Briennerstraße 45, damit er nicht verloren geht, wenn ich abgereist sein sollte. Ich gedenke am Mittwoch oder Donnerstag spätestens in Straßburg zu sein; schreibe mir dorthin poste restante10, wie die Prüfung von Georg ausgefallen ist. Ich grüße Dich und die Kinder tausend Mal von ganzem Herzen.

In inniger Liebe
Dein Getreuer.

NB.11 Den Frankfurter Brief mache nur auf wie alle; es wird nichts als ein zurückgegebener Empfangsschein darin sein.

Waitz will am Dinstag Abend bei Schellings übernachten; hat sich bereits dort angemeldet.