Nach Schluß der diesjährigen Plenarversammlung der historischen Commission2 gedenke ich morgen3 früh von hier nach Straßburg zu reisen4 und werde auf diesem Wege Nachmittags in Carlsruhe eintreffen. Dort bleibe ich ein Paar Stunden, welche mir die Zeit gewähren Sie aufzusuchen und noch ein kurzes litterarisches Geschäft abzumachen, zu dessen rascher Erledigung ich mir Ihre freundliche Beihilfe erbitten möchte. Ich wünsche nämlich die von Mone viel benutzte Handschrift des Königshofen (aus St. Blasien5), welche sich, so viel ich weiß, in der Großherzoglichen Bibliothek befindet, einzusehen. Wäre nun die Bibliothek zwischen 3 und 4 Uhr Nachmittags ohnehin geöffnet, so bedürfte es Ihres Beistandes nicht, | im andern Fall aber ersuche ich Sie freundlich mir entweder für diese Stunde gefälligst dort Zutritt zu verschaffen, oder, wenn Sie dies noch einfacher finden, die Handschrift auf Ihr Arbeitslocal im Archiv bringen zu lassen. Nur möge ich auch den Schilter’schen Abdruck des Königshofen dabei haben und bei derselben Gelegenheit auch die Handschrift einer CölnischenChronik ansehen, die sich gleichfalls in der Großherzoglichen Bibliothek befinden soll.
Indem ich mich herzlich darauf freue, Sie nach langer Zeit unter sehr veränderten Verhältnissen6 wieder zu sehen, empfehle ich mich
mit vollkommener Hochachtung
ergebenst Carl Hegel.
P. S. Ich werde vom Bahnhof aus direct nach dem Schloß ins Archiv gehen, um Sie dort zu finden gegen 3 Uhr.
1In dem folgenden Brief geht es vornehmlich um die von Karl Hegel (1813-1901) im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München geleitete Edition der „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, hier hauptsächlich um die projektierte Herausgabe der Straßburger Chroniken, die 1870 und 1871 als Bände 8 und 9 der Gesamtreihe erschienen; vgl. dazu und in dieses Unternehmen einführend Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 165 ff., insbesondere zur Erarbeitung der Straßburger Chroniken-Bände auch S. 263 ff. 2Die 9. Plenarversammlung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München fand vom 30. September bis 5. Oktober 1868 in München statt, vgl. dazu Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, S. 22.3Mittwoch, 7. Oktober 1868. 4Zu Karl Hegels dritter Reise nach Straßburg im Rahmen der Erarbeitung seiner Straßburger Chroniken-Editionen, wie in Anm. 1 oben; vgl. auch Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 201. 5Dies bezieht sich auf die Signatur dieser Handschrift, die noch heute unter der Signatur „Cod. St. Blasien 12“ in der Badischen Landesbibliothek zu finden ist, https://digital.blb-karlsruhe.de/urn/urn:nbn:de:bsz:31-46635 . 6Friedrich Weech (1837-1905) hegte zunächst den Wunsch, die Hochschullaufbahn einzuschlagen, 1864 folgte er dann dem Ruf an die Hofbibliothek in Karlsruhe, wo er zunächst Hilfsbeamter mit dem Titel eines Hofbibliothekars wurde, Ende der 1860er Jahre ernannte man ihn zum Archivrat am Generallandesarchiv, dessen Vorstand er 1885 wurde und es bis zu seinem Tod 1905 blieb. Vgl. dazu Kreis, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung, S. 230.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Weech, Friedrich Friedrich Weech11720809418371905Weech, Friedrich (1837–1905), in München geborener Archivar, Bibliothekar und Historiker, der 1862 Privatdozent für Geschichte an der Universität Freiburg wurde, von 1864 bis 1868 Bibliothekar an der Großherzoglich-Badischen Hofbibliothek in Karlsruhe und von 1885 bis 1905 Direktor des Badischen Generallandesarchivs in Karlsruhe war. Er war Mitarbeiter Karl Hegels (1813–1901) an der Edition der „Chroniken der deutschen Städte“ der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
GLA Karlsruhe
.
GLA Karlsruhe1000
Kreis
, Marion: Karl Hegel. Geschichtswissenschaftliche Bedeutung und wissenschaftsgeschichtlicher Standort (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Bd. 84), Göttingen, Bristol, CT, USA 2012.
Kreis
, Geschichtswissenschaftliche Bedeutung
2012
Neuhaus
, Helmut: 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik, München 2008.
Neuhaus
, 150 Jahre Historische Kommission
2008
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Mone, Franz Josef11886147617961871Mone, Franz Josef (1796–1871), war badischer Archivar und Historiker; er wirkte von 1835 bis zu seiner Pensionierung 1868 als Direktor des Generallandesarchivs Karlsruhe.
Königshofen, Jakob (Jacob) Twinger11915235513461420 Königshofen, Jakob (Jacob) Twinger, oder Jakob von Köngishofen (1346–1420), Geschichtsschreiber von Straßburg und als Priester ordinirt seit 1382, Kapitelherr von St. Thomas in Straßburg seit 1395; er verfasste eine Chronik von Straßburg, die Karl Hegel (1813–1901) im Rahmen seines monumentalen Editionswerks der Städtechroniken im Auftrag der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgab. Siehe auch: Twinger von Königshofen, Jakob.
Schilter, Johannes11879501516321705Schilter, Johannes (1632–1705), Jurist, Historiker, Hochschullehrer, war seit 1686 ständiger Rechtsrat in Straßburg, wo er auch als Honorarprofessor tätig war; er gab 1698 die „deutsche Chronik“ zu Straßburg heraus, basierend auf einer verlorenen Originalschrift.
Straßburg48.584614,7.7507127Ehemalige Reichs-, Universitäts- und Bischofsstadt am Westufer des Rheines und an der Ill zwischen Vogesen im Westen und Schwarzwald im Osten gelegen.
PlenarversammlungJährlich stattfindende Vollversammlung der Mitglieder der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München; von Karl Hegel (1813-1901) auch gebrauchter Begriff für die jeweiligen Jahresversammlungen der Zentraldirektion der MGH in Berlin.
Lit(t)erarische Arbeit(en), litterarische(s) Unternehmen oder HandlungSchriftstellerische Arbeit(en), häufig bezogen auf wissenschaftliche Publikationen bzw. historisch-kritischeEdition(en).
Königshofen's ChronikDer Straßburger Historiograph, Priester, Kanoniker an St. Thomas in Straßburg, Historiker und Chronist Jakob Twinger bzw. Jakob von Königshofen (1346-1420) verfasste eine umfangreiche Chronik von Straßburg in deutscher Sprache, die er zunächst durch eine lateinische Materialsammlung vorbereitet hatte. Diese Chronik hatte Karl Hegel in seiner Editionsreihe, die er für die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München herausgab, selbst bearbeitet und veröffentlicht. Karl Hegel (1813-1901) veröffentlichte zu diesem Chronisten und seiner Chronik auch einen Artikel in der Deutschen Biographie, vgl. dazu: DB , sowie
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 8, Straßburg, Bd.1,
und
Chroniken der deutschen Städte, Bd. 9, Straßburg, Bd. 2.
Großherzogliche Bibliothek, Großherzogliche Hof- und Landesbibliothek (Baden)Die „Großherzogliche Hof- und Landesbibliothek“ in Karlsruhe geht zurück auf die adelige Büchersammlung von markgräflicher Seite aus und fand ihren ersten Zentralen Aufbewahrungsort im 1765 neu errichteten Karlsruher Schloss, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts folgte ein neu erbautes Sammlungsgebäude als neuer Bibliotheksstandort.
Generallandesarchiv KarlsruheDas Generallandesarchiv in Karlsruhe wurde 1803 als Generallandesarchiv des damaligen Landes Baden gegründet und ist heute eine Abteilung des Landesarchivs Baden-Württemberg; der ehemalige Mitarbeiter Karl Hegels (1813-1901), Friedrich Weech (1837-1905), war von 1885 bis zu seinem Todesjahr 1905 sein Direktor.
Schilter’scher Abdruck, Schilter’sche AusgabeJohannes Schilter (1632-1705), Jurist, Historiker, Hochschullehrer, war seit 1686 ständiger Rechtsrat in Straßburg, wo er auch als Honorarprofessor tätig war; er gab 1698 die „deutsche Chronik“ zu Straßburg heraus, basierend auf einer verlorenen Originalschrift, in der sich die von Karl Hegel (1813-1901) später noch einmal edierte Chronik Jakob Twingers von Königshofen befindet unter dem Titel: „Die Alteste Teutsche so wol Allgemeine Als insonderheit Elsassische und Straßburgische Chronicke/ von Jacob von Königshoven/ Priestern in Straßburg/ Von Anfang der Wt biß ins Jahr nach Christi Geburth M CCC LXXXVI. beschreiben. Anjetzo zum ersten mal heraus und mit Histoirschen Anmerkungen in Truck gegeben von D. Johann Schiltern, Straßburg/ Verlegt und getruckt durch Jisias Städel. M DC XCVIII.“, vgl. dazu auch
„Chroniken der deutschen Städte“, Bd. 8, Straßburg, Bd.1,
, S. 165
, sowie DB .
Cölner, Kölner, Cölnisch, KölnischZur Stadt Köln gehörend, auf Köln bezogen, Köln zuzuordnen.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Stadtchroniken, Städtechroniken, auch: ChronikenIm Rahmen von Stadtgeschichtsschreibung und -forschung geschriebene, teilweise auch edierte Chroniken von Städten. Karl Hegel (1813-1901) gab im Rahmen seiner Leitung des umfangreichen wissenschaftlichen Editionsunternehmens für die Münchener Historische Kommission „Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“ – angefangen mit seiner Geburtsstadt Nürnberg – solche Städtechroniken heraus.
Bahnhof (Karlsruhe)Der „Alte Bahnhof“ in Karlsruhe geht auf Ende der 1830er und die frühen 1840er Jahre zurück, als im Zuge der Errichtung der Badischen Hauptbahn zwischen Mannheim und Basel auch ein Bahnhof in Karlsruhe entworfen und gebaut wurde. Der damalige Bahnhofsplatz befand sich auf der sogenannten „Nachtweide“, an der heutigen Kriegsstraße befindlich zwischen Ettlinger Tor und Mendelssohnplatz, etwa 500 Meter südlich vom Karlsruher Marktplatz; das Bauland war zuvor Eigentum des Markgrafen. Zur Entstehungsgeschichte des Karlsruher Bahnhofs vgl.
Weech, Karlsruhe
, S. 108ff.
Schloß (Berlin)Das Schloß auf dem südlichen Teil einer Spree-Insel inmitten Berlins war seit dem 15. Jahrhundert die Hauptresidenz der Kurfürsten von Brandenburg, seit 1701 der Könige in und von Preußen sowie ab 1871 der Deutschen Kaiser. In den Jahren 1698 bis 1713 wurde es nach den Plänen der Architekten Andreas Schlüter (1659-1714) und Johann Friedrich Eosander (1669-1728) grundlegend umgebaut.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis