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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 18./19. Oktober 1868

Mein liebster Herzens-Mann!

Obwohl ich glaube, daß ein Brief von Dir unterwegs ist und sich so mit dem meinigen kreuzt, wie bisher immer, möchte ich doch nicht gerne länger zuwarten Dir wieder Nachricht von uns zu geben, Gottlob ganz gute und befriedigende. Im Hause steht es gut bis auf die alte Rosel, die seit Donnerstag im Bett liegt und recht jämmerlich ist. Margareth ist aber so fleißig und brauchbar, daß ich für die gewöhnliche, laufende Arbeit die Rosel nicht sehr entbehre. Ich glaube, es geht nicht mehr lange mit ihr. Die Kinder dagegen sind wohl und auch von unserm fernen Kind sind gute Nachrichten eingelaufen. Sie hat gleich am Tag nach meiner Abreise geschrieben, etwas betrübt über die Ankunft all der andern Mädchen, wodurch natürlich die ihr schon bekannten mehr sich wieder unter die Allgemeinheit mischten, doch kam an demselben Tag das sehnlich erwartete Bettfaß an und umgeben von all den lieben heimathlichen Sachen fühlte sie sich heimischer. Ich denke, es soll gut gehen und sie vom Aufenthalt dort Freude und Nutzen haben. – d. 19ten Oktober.

Ich wurde gestern unterbrochen, durch die heimkehrenden Kinder, Anna war bei Schmidts um das aufs Neue geschenkte Lottchen zu genießen, Sophiechen bei Ziemssen zur Geburtstagsfeier, bei uns dagegen war Karl Schmidt mit dem kleinen Henke, da wurden Oktober-Feuer geschürt und gar zu gern hätte sich der Patriotismus der jungen Deutschen in einem Feuerwerk Luft gemacht, ich konnte aber in Deinem Schreibtisch Deine Oberwacht der Feuerwähren etc. nicht finden. Georg ist bis jetzt sehr glücklich in seiner 2ten Klasse, hat sehr wenig zu arbeiten, was mir schon ganz bedenklich wurde, Karl Schmidt versichert aber, er (Georg) hätte seine Arbeiten immer alle geliefert und noch nicht ein Mal sitzen1 müssen. Herr Trillhaas ist wohl noch etwas in Ferien-Stimmung, es wird schon schärfer werden. Heute ist das erste Specimen2, worauf unser fauler Strick sich wohl hätte besser vorbereiten können, aber er versichert immer, er könne Alles schon. Bei Mundel ist natürlich auch noch Freud und Wonne in der Schule. Er setzt auch seinen Stolz darein, allein hin und her zu gehen, was ich ihm gerne gestatte.

Gestern machte ich mit Annchen Besuch bei Hankel, ich wollte es doch nicht verschieben bis Du kämst; die junge Frau scheint sich recht gut einzuleben, ich weiß nicht mit wem sie hauptsächlich verkheren, wahrscheinlich Strauß3 und Zezschwitz. Ich sah sie bis jetzt nur allsonntäglich in der Kirche trotz der wenig anziehenden Predigten von Biarowsky. Bei Hankel trafen wir Schmidtlein, er sprach mir seine große Sehnsucht aus, nach Deiner baldigen Rückkehr, es scheint daß ihm das Baureferat4 zu schaffen macht. Übrigens ist jetzt das neue Schloßgarten-Thor fertig, das bei Raumers und zu meiner freudigen Überraschung ist nun durch das Garten-Eckchen entfernt und der Durchblick ganz fern.

Dein nächster Brief, den ich in den nächsten Tagen erwarte, wird mir wohl die Anzeige Deiner Rückkehr bringen; ich hoffe wenigstens recht darauf, bleiben denn Weizsäcker und Kerler auch so lange?

An Deinen Kleinen wirst Du Dich recht freuen, der Junge hat sich so köstlich entwickelt, sieht so gut aus und ist voll Lust und Leben. Er hat nun kurze Kleidchen und macht bedeutend Anstalten zu laufen, in 5 Wochen ist er ein Jahr und wie viel Freude haben wir schon an dem Kind gehabt, das so wenig erwünscht und erbeten kam. Ob er Dich wohl noch kennt, er guckt nach Deinem Bild, wenn man fragt: wo ist der Papa? aber so ein Kind hat doch ein kurzes Gedächtniß.

Doch nun lebe wohl, mein Liebster, Gott behüte Dich und führe Dich glücklich zu uns zurück.

Die Kinder grüßen Alle, am Innigsten aber

Deine Susanna.

P. S. Das Tagblatt brachte die Berufungen von Schröder aus Bonn, und Lommel aus Hofheim.