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Karl Hegel an Immanuel Hegel, Erlangen, 9. April 1869

Lieber Manuel!

In den Zeitungen las ich bereits von dem Unternehmen der philosophischen Gesellschaft in Berlin unserem seligen Vater zum hundertjährigen Geburtstage1 ein Denkmal in Berlin zu errichten. Und heute habe ich selbst die Einladung zur Subscription nebst Begleitschreiben2 von Michelet zugeschickt erhalten; in dem letzteren ist die Erwartung ausgesprochen, daß ich zur Förderung der Sache beitragen werde, und zugleich mitgetheilt, daß auch an unsere Universität die Aufforderung zur Betheiligung ergangen sei.

Ich möchte in der Sache nichts thun, ohne mich zuvor mit Dir verständigt zu haben. Ich weiß nicht, welches Ansehen die unterzeichneten Namen in Berlin und in der Öffentlichkeit überhaupt genießen, und übersehe noch weniger, welchen Erfolg das angeregte Unternehmen sich versprechen darf, bin aber in beiden Beziehungen einigermaßen mißtrauisch. Doch gleich viel! Zurückziehen können wir uns wohl keinesfalls von der Sache und dürftig soll unser Beitrag auch nicht erscheinen, wenn ich gleich nicht willens bin über meine gewöhnlichen Verhältnisse damit hinauszugehen; denn erstens sehe ich in dem Unternehmen keine Familienangelegenheit und zweitens bin ich, offen gestanden, wenig begeistert für dasselbe, sondern habe vielmehr eine starke Abneigung gegen diese Art Herausforderung des Ruhms und der öffentlichen Anerkennung zu überwinden. Unter diesen Erwägungen schlage ich vor, daß Jeder von uns beiden 25 Thaler oder besser, daß wir beide zusammen 50 Thaler Beitrag geben und bitte ich Dich, wenn es Dir so genehm ist, diesen gemeinsamen Beitrag an Michelet zu übersenden. Ehe ich selbst an ihn schreibe, erwarte ich Deine Erklärung, welche Du mir sofort zukommen lassen wollest.

In meinem Hause steht es Gottlob gut, Frau und Kinder sind wohl. Am vergangenen Sonntag3 wurde unser Mariechen eingesegnet; sie ist ein gutes und gewissenhaftes Kind, charakterfest und selbständig, sehr anspruchslos und noch ziemlich unaufgeschlossen, eine derbe und gesunde Knospe, die durchaus noch nicht von der Welt betrachtet sein will. Ich weiß daher auch so gut wie gar nicht, was bei der heiligen Handlung in ihr vorgegangen ist; ergriffen scheint sie nicht sehr, doch hat sie sicher einen tiefen und bleibenden Eindruck davon gewonnen.

Der Großpapa kam zu der Feier herüber, allein, denn die Mutter war seit Dienstag, 30. April4, Abends in Augsburg, wohin sie gegangen, um der jüngsten Tochter in ihrem ersten Wochenbett beizustehen; und es fügte sich, daß sie bei ihrer Ankunft das Kindlein, einen kräftigen Knaben, schon vorfand, denn es war ganz unerwartet seit drei Stunden geboren.

Meine Frau sitzt in dieser ganzen Woche nebst Anna in der Schneiderei, denn wir haben eine Schneiderin aus Nürnberg im Gastzimmer, nur die Sommerkleider für die Kinder sollen gerichtet werden.

In gut einer Woche gehen die Vorlesungen wieder an; ich war in den kurzen Ferien fleißig bei meinen Straßburger Sachen, denn der 1. Band von diesen soll jetzt in Druck kommen.5 Ein Band Magdeburg mit der Schöppenchronik ist fertig und wird noch in diesem Monat ausgegeben.6

Die Dividenden der Berlin Potsdam Magdeburger werden wohl jetzt ausgegeben; ich rechne darauf und auf die wenigen anderen Zinsen von den Niederschlesisch Märkischen. Den Rest nach Abzug des Beitrages für das Denkmal bitte ich mir zu schicken. Die Berlin Potsdam Magdeburger Gesellschaft hat für 7 Millionen Thaler (wenn ich nicht irre) Prioritäten ausgegeben; sollte es wirklich außerdem die Absicht sein noch neue Actien zu creiren? Das wäre mir wenig angenehm. Mit den Cöln Mindenern bin ich sehr zu Schaden gekommen; sie wollen sich gar nicht wieder heben; die Bahn scheint durch die Concurrenz der Berg Märkischen auf die Dauer herabgedrückt zu sein; außerdem drückt auch wohl der starke Actienverkauf Seitens des Staats auf den Curs.

Meine herzlichen Grüße an die liebe Clara und die Kinder. Susanna und Anna grüßen und werden nächstens selbst schreiben.

Treulichst
Dein Bruder Carl.7  

P. S. Ich sah dieser Tage eine sehr gute Photographie von König Wilhelm, Kniestück, mit Mantel und Feldflasche, erschienen bei Jamrath und Sohn Taubenstraße 20; sei doch so gut, kaufe und schicke sie mir zu.