Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für Ihre gütige Sendung.
Die mongolischen Märchen, so weit ich sie bis jetzt gelesen und mit gewissen Reticenzen auch meiner Familie vorgelesen habe, haben uns viele Unterhaltung gewährt und zum Theil bei Jung und Alt große Heiterkeit erregt, so beispielsweise ganz besonders ‚der Vielfraß’1. Recht komisch ist meist die Wendung mit einer trockenen Sentenz oder Betrachtung, welche den anmuthigen Schlußrefrain herbeigeführt, und interessant überall der Hintergrund mongolischen Wesens, roher Sitte und grober Naturanschauung. Sie haben gewiß unendlich viel Mühe und Gelehrsamkeit aufwenden müssen, um diesen Erzählungen| aus einer ohne Zweifel ebenso ungebildeten sprachlichen Form heraus das freundliche und helle Gewand unserer lieben Muttersprache anzulegen. Auch der schöne splendideDruck ist für das Auge sehr wohlgefällig.
Also noch einmal sei Ihnen bestens gedankt.
Dem Bonner Fest2 verdanke ich wie so vieles Schöne und Gute, auch Ihre liebe Bekanntschaft. Hoffentlich sind wir uns nicht zum letzten, wie zum ersten Mal begegnet. Doch für jetzt durchkreuzen sich unsere Wege. Sie gehen nach Würzburg zur Philologenversammlung3, wohin auch einige meiner hiesigen Collegen, Keil und Raumer (so viel ich weiß) kommen wollen, und ich in entgegesetzter Richtung nach München zur Jahressitzung der historischen Commission, welche am 30. dieses Monats beginnt4. Sollten Sie sich auf dem Rückweg in München aufhalten, so könnte es wohl sein, daß Sie mich dort noch träfen – im Goldenen Bären; doch weiß ich nicht, wie lange die Sitzungen und somit auch | mein Aufenhalt in München dauern werden. Von da will ich noch auf 2 Wochen nach Straßburg meiner Chroniken wegen.5
1Märchen aus der Edition der „mongolischen Märchen“ Bernhard Jülgs (1825-1886), S. 16-23. 2Zum Bonner Universitätsjubiläum im August 1868 vgl. Hegel, Leben und Erinnerungen, S. 196-199, sowie Neuhaus, Karl Hegels Gedenkbuch, S. 200 f.3Die 26. Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner fand im Jahr 1868 in Würzburg statt vom 30. September bis 3. Oktober 1868. 4Die Plenarversammlung der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München fand im Jahr 1868 vom 30. September bis 5. Oktober in München statt, vgl. dazu Neuhaus, 150 Jahre Historische Kommission, S. 22.5Karl Hegel edierte für „Die Chroniken der deutschen Städte“ die Straßburger Chroniken, die in zwei Bänden 1870 und 1871 erschienen.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Jülg, BernhardBernhard Jülg11722097318251886Jülg, Bernhard (1825–1886), war ein aus Baden stammender Sprachforscher, der in Berlin und Heidelberg studiert hatte; er wurde zunächst Extraordinarius an der Universität Lemberg, 1853 Ordinarius an der Universität Krakau und 1863 an der Universität Innsbruck. Er wirkte besonders auf dem Gebiet der Komparatistik innerhalb der Sprach- und Sagenforschung. Seine Sammlung mongolischer Märchen, welche 1868 in Innsbruck erschien unter dem Titel: „Mongolische ‚Märchen. Die neun Nachtrags-Erzählungen des Siddhi-Kür und die Geschichte des Ardschi-Bordschi Chan. Eine Fortsetzung zu den ‚Kalmükischen Märchen’. Aus dem Mongolischen übersetzt mit Einleitung und Anmerkungen“, wurde von Karl Hegel (1813–1901) und seiner Familie rezipiert.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Österreichische Nationalbibliothek Wien
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Österreichische Nationalbibliothek Wien1000
Hegel
, Karl: Leben und Erinnerungen. Mit einem Portrait in Heliogravüre, Leipzig 1900.
Hegel
, Leben und Erinnerungen
1900
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Neuhaus
, Helmut: 150 Jahre Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Eine Chronik, München 2008.
Neuhaus
, 150 Jahre Historische Kommission
2008
Keil, HeinrichHeinrich Keil11609418418221894Keil, Heinrich (1822–1894), bei Wismar geborener Altphilologe, der nach seinem Studium der Klassischen Philologie von 1839 bis 1843 an den Universitäten Göttingen und Bonn dort 1843 promoviert wurde. Im Jahre 1848 habilitierte er sich an der Universität Halle und lehrte ab 1855 neben seiner Tätigkeit am Friedrichwerderschen Gymnasium als Privatdozent an der Universität Berlin. Von 1859 bis 1869 war er ordentlicher Professor der Klassischen Philologie an der Universität Erlangen und anschließend bis zu seinem Tode an der Universität Halle.
Raumer, Friedrich11905962217811873Raumer, Friedrich (1781–1873), war Historiker und politischer Publizist. Er wirkte zunächst als ordentlicher Professor für Staatswissenschaften an der Universität Breslau, bevor er 1819 an die Universität Berlin wechselte, wo er 1822 Rektor war, seine Emeritierung erfolgte 1859.
Ficker, Johann Kaspar JuliusJulius Ficker11853286318261902Ficker, Johann Kaspar Julius (1826–1902), im ostwestfälischen Paderborn geborener Historiker und Rechtshistoriker, der zunächst Jura, dann Geschichte an der Universität Bonn studierte und 1849 zum Dr. phil. promoviert wurde. Nach seiner Habilitation im Jahre 1851 in Bonn war er von 1852 bis 1863 Professor für Allgemeine Geschichte an der Universität Innsbruck und wechselte dann bis 1879 als Ordinarius für deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte in die dortige Juristischen Fakultät.
Würzburg49.79245,9.932966Alte Bischofsstadt am Main, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg und etwa 110 Kilometer südöstlich von Frankfurt am Main auf der Fränkischen Platte zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegen.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Straßburg48.584614,7.7507127Ehemalige Reichs-, Universitäts- und Bischofsstadt am Westufer des Rheines und an der Ill zwischen Vogesen im Westen und Schwarzwald im Osten gelegen.
Mongolische Märchen (Jülg)Märchen-Sammlung des klassischen Philologen und Sprachforschers Bernhard Jülg (1825-1886), welche 1868 in Innsbruck erschien unter dem Titel: „Mongolische ‚Märchen. Die neun Nachtrags-Erzählungen des Siddhi-Kür und die Geschichte des Ardschi-Bordschi Chan. Eine Fortsetzung zu den ‚Kalmükischen Märchen’. Aus dem Mongolischen übersetzt mit Einleitung und Anmerkungen“.
ReticenzenRetizenzen als bewusste Auslassungen bei einem Vortrag, beim Vorlesen (Verschweigen bestimmter Worte, Zeilen oder Passagen auch im Sinne von Zensur); auch als rhetorisches Mittel bei einer Rede durch Satz- oder Redeabbruch zur betonenden Verstärkung, Anspielung etc.
VielfraßEin guter Esser, der übermäßig viel Nahrung zu sich nimmt; vornehmlich in Nordeuropa, Asien und Amerika vorkommendes, zu den Mardern gehörendes Raubtier mit einem kleinen, bärenhaften und eher plumpen Aussehen; mongolisches Märchen aus der Märchensammlung („Mongolische Märchen“) Bernhard Jülgs (1825-1886).
SentenzSinnspruch, Denkspruch, die „Moral“ z. B. bei einer Fabel, einem Märchen etc. als kurz und treffend formulierter, einprägsamer, auch lehrhafter Ausspruch, der Allgemeingültigkeit beansprucht.
SchlußrefrainSchlussrefrain, Kehrreim am Ende eines Gedichtes oder Liedes.
mongolischSprache der Mongolen; die Mongolei, die Mongolen betreffend, zu ihnen gehörend.
ErzählungLiteraturwissenschaftliche Bezeichnung für ein kürzeres episches Werk.
Deutsch/deutsch, Deutsche/r; DeutschesAuf die deutschen Staaten bezogen, den deutschen Staaten zuzuordnen, zu den deutschen Staaten gehörend; deutschsprachig; deutsche Sprache; Angehörige/r der deutschen Staaten, Deutschlands.
Druck, Drucke„Druck“ als Abkürzung oder Synonym für Drucklegung gebraucht, darüber hinaus auch für ein fertiges Druckerzeugnis (z. B. Kunstdruck, gedruckte Edition einer handschriftlichen Quelle etc.) stehend, somit auch im Sinne von „alte Drucke“.
Bonner Fest (1868)Jubiläumsfeier der Universität Bonn zu ihrem 50-jährigen Bestehen.
BonnerZu Bonn gehörend, auf Bonn bezogen, Bonn zuzuordnen.
Philologenversammlung, Philologencongress1837 gegründeter „Verein deutscher Philologen und Schulmänner“ mit dem Ziel, das Studium der Philologie zu fördern auch hinsichtlich seiner Wissenschaftlichkeit sowie seiner Lehrmethodik; seit 1838 hielt er regelmäßig jährliche Philologenversammlungen ab, die an wechselnden Orten stattfanden, der erste 1838 in Nürnberg.
Chronik(en), Chroniken der deutschen Städte (Städtechroniken), chronikalische DenkmälerEdition „Die Chroniken der deutschen Städte vom 14. bis ins 16. Jahrhundert“, von 1862 bis 1899 hrsg. von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften durch Karl Hegel (1813-1901); auch allgemein: auf die Antike zurückgehende geschichtliche Darstellung, in der die Ereignisse in zeitlich genauer Reihenfolge, dabei aber, im Gegensatz zu den formal strengeren Annalen, in größeren Zeitabschnitten aufgezeichnet werden, auch im Sinne von: Lebensläufen.
Professor, ProfeßorBerufs- oder Amtsbezeichnung und Anrede für den Inhaber einer Professur an einer Universität oder Hochschule, wobei nicht jeder Professor eine Professur bekleidet; früher auch Bezeichnung für einen Gymnasiallehrer (Gymnasial-Professor) bzw. Lehrer an einer Lateinschule.
Mehrere Registerverweise
Zitierempfehlung
Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel (1813-1901), bearbeitet von Helmut Neuhaus und Marion Kreis