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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 2. Oktober 1869

Mein liebster Mann!

Du maht1 Dich gewundert haben, das Paket mit den Druckbogen zu erhalten, ohne eine Zeile von mir, aber es wurde mir übergeben im Augenblick meiner Abreise nach Nürnberg; denn wie Du ganz richtig vermuthest, hatte ich mich entschlossen, mit den beiden Mädchen Luise und Mariechen zum Geburtstage der lieben Mutter hinüber zu gehen, als Ersatz für irgendein andres Geburtstags-Geschenk. Leider konnte ich Luischen nicht mitnehmen, da sie wieder so heftige Gesichts-Schmerzen hatte und recht angegriffen war. Heute geht es ihr etwas besser, und sie ist nun eben damit beschäftigt, ihren Schreibtisch einzurichten, der gestern gekommen ist und sie sehr erfreut hat; er ist auch wirklich recht hübsch. Als ich gestern Abend zurückkam, freute ich mich sehr, Deinen lieben Brief2 vorzufinden, den ich schon längere Zeit erwartet hatte; Gottlob scheint es Dir ja recht gut zu gehen und an Anregung der verschiedensten Art fehlt es nicht, möchte das Münchner Clima seinen guten Einfluß auf Dein Befinden auch dieß Mal wieder bewähren und Du recht erfrischt zu uns zurückkehren. Verlockt Dich das reizend schöne Wetter nicht zu einem Ausflug ins Gebirg auf ein Paar Tage, es würde Dir gewiß gut thun; Friedrich Grundherr streift mit seiner Rosa jetzt auch dort herum, er reiste am Mittwoch ab, über München ohne Aufenthalt nach Innsbruck u. s. w., um das schöne Wetter zu benützen und will dann erst auf dem Rückwege die Ausstellung besuchen. Doch nun sollst Du von den verschiedenen kleinen Ereignissen unsres Lebens hören. Am Dienstag3 war so große Lust zum Spazierengehen vorhanden, daß es mir Mühe kostete, mit Vernunfts- und Pflicht-Gründen dagegen aufzukommen; schließlich machte es sich dann auch, daß Anna mit Marquardsen und Luise mit Schnitzlein ging; Mittwoch war Mundel wieder mit Marquardsen in Siglitzhof, während wir fleißig zu Hause waren. Donnerstag Morgen kam Georg sehr befriedigt von seinem Aufenthalt zurück, er sieht gut aus, Gott gebe, daß er als ein Besserer zurückgekehrt ist. Ich lasse ihn jetzt seine Ferien-Aufgaben noch wiederholen, Dienstag fängt die Schule an. Gestern Vormittag, als wir nach der Bahn gingen, begegnete uns Stintzing, der in der Nacht vorher mit seiner Familie angekommen war. Er wollte Dich aufsuchen und läßt Dich einstweilen grüßen, er sieht nicht besser aus als sonst, ist aber sehr befriedigt von dem Aufenthalt, ebenso die Mädchen, die Anna sprach. In Nürnberg fand ich noch Caroline mit ihrem Kleinen, Ulrich ist fort, die Wunsch-Geschichte wird wohl bald im Reinen sein. Auf dem Glockenhof fanden wir noch die Hinkeldey mit ihren beiden Töchtern und dadurch die ganze Familie sehr vollzählig. Lina wollte ihren Mann nicht begleiten, da ihr Kleiner nicht recht wohl war, doch geht’s ihm besser.

Wegen der Kammer-Verhandlungen ist man auch hier sehr in der Spannung. Man will immer schon wissen, daß die Auflösung erfolgt sey; ich freue mich, nähere Details von Dir zu erfahren; es ist doch eine merkwürdige Fügung diese absolute Gleichheit; der nächste Wahlkampf wird um so erbitterter sein.

Heute suche ich Dich Mittag bei Löffelholz, morgen in Feldaffing, viel Vergnügen zu Eurem Dinner.

Die Kinder grüßen herzlich, sie sind Gottlob Alle wohl und freuen sich der schönen Tage. Schönste Grüße allen Lieben, ich kann mir denken, daß Tante Thekla sich nach Ruhe sehnt, das Leben in einem solchen Mittelpunkt, wo alle Augenblicke ein andrer lieber Gast erscheint, muß aufreibend sein, grüße sie bestens.

Gott befohlen, mein Getreuer und Geliebter, gönne Dir nur möglichst viel Zeit für Erholung und Freude; in treuer Liebe Deine Susanna.