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Adolph Eduard Cunitz an Karl Hegel, o. O., o. D.

der Geschäfte welche noch daneben Zeit und Kräfte in Anspruch nehmen gar vielerlei. Wohl fühle ich mich oft sehr müde, aber es geht immer noch. Uebrigens hatte ich während dieser Herbstferien auf ein paar Wochen Erholung gegeben. Ich bedurfte deren sehr, da ich es voriges Jahr nicht gethan und überhaupt seit den Zeiten der Belagerung2 vielleicht dort nicht mehr so rüstig bin wie früher. So ging ich in die Walliser Hochalpen und wählte mir einen stillen Aufenthalt 5-6000 Fuß über dem Meere. Nicht mehr wie dareinst, wo ich das Wandern vorzog, obgleich ich auch diesmal keineswegs ganz stille lag. Die Luft und die Ruhe und das Abschütteln der alltäglichen Sorgen noch einige Zeit, der Ausblick der Schnee- und Gletscherwelt, dies alles verfehlte auch jetzt seine Wirkung nicht ganz. Beßern Muthes kehrte ich wieder nach Hause3 zurück – aber es hielt nicht sehr lange an. Nun der liebe Gott wird auch noch weiter helfen. Von unsern reichsländischen Verhältnißen suche ich mich so viel wie möglich fern zu halten; sind sie doch nicht drauf angelegt das Gemüth zu erheben. Noch manches Jahr wird darüber hingehn bis die Dinge in ein einigermaßen normales Gleichgewicht kommen mag. Verbitterter Sinn nicht Verblendung einerseits nicht leider auch mancherlei Mißgriffe andererseits, wie solche auch bei dem besten Willen nicht zu vermeiden sind, werden wohl noch lange hernach nicht störend wirken. Solche Uebergangsverhältniße erfordern ja immer nicht nothwendig eine lange nicht schwere Lehrzeit. Auch thue ich Oxenstiernas Ansicht nicht theilen daß es zur Lenkung der Nationen nur sehr geringer Weisheit bedürfe. Freilich darf man andrerseits nicht allzuviel eingreifen wollen in den Gang der Dinge, wie leicht versieht man’s dabei! Obgleich der Grundsatz den jener Abt seinem Novizen einschärfte: sinere vadere mundum sicuti vadit etc. sich auch kaum unbedingt als oberstes Princip aller Staatsklugheit aufstellen läßt. Einst hörte ich bei Dahlmann, in Göttingen ein Collegium über Politik, ich weiß selbst nicht welch ein Kitzel mich trieb auch einen Blick in solche Regionen zu thun, aber es wollte mir bedrücken zuletzt daß mit dergleichen Dingen mit der Theorie nicht weit zu kommen sei. Und als ich gar dann zu Berlin Raumer darüber hörte, verlor ich vollends den Glauben an solche Wißenschaft. Wie viel höher stand Dahlmann aber über Raumer? Doch wohin gerathe ich! ich meinte wohl wir machten etwa wieder zusammen über dieses und jenes plaudern einen Gang auf einem unserer Wälle, wie mir ein solcher unvergeßen geblieben ist, wo wir einen ahnungsvollen Blick in die Zukunft richteten. – Möchte mir es vergönnt sein wieder einmal so traulich mit Ihnen zusammensein zu können, mein lieber Freund. Aber mit wie ganz anderen Dingen mag jetzt Ihr Herz und Sinn beschäftigt sein! – Und somit nochmals meinen innigsten Glückwunsche, und behalten Sie ein kleines Plätzchen wenigstens in Ihrem freundlichen Andenken dem der Ihnen auf immer mit einem Herzen treuer Freundschaft zugethan bleiben wird

E. Cunitz