Königsberg den 5 Januar 1870.
Verehrtester Freund,
Allerdings ist es meine Meinung, daß die Briefe von Hegel an Paulus mit aufgenommen werden müssen. Ist, wie schon gesagt, das Buch von Reichlin-Meldegg Ihnen nicht zur Hand, so bin ich erbötig, Ihnen die Briefe hier abschreiben zu lassen.
Ich gehe aber noch weiter. Es sind primo agressive Briefe Hegels in den zweiten Band seiner vermischten Schriften aufgenommen worden.
Wäre es nicht gut, sie da heraus zu nehmen um in Ihre Sammlung einzuordnen? Wenn die chronologische Folge im allgemeinen beobachtet wird, so würde sich fast | für jede Phase Hegels sowol sein Briefwechsel mit Schelling, so wie für jede Seite desselben ein Monument ergeben. Durch die Gesamtausgabe könnten Sie dann später fortbleiben und Ihr epistolarischer Theil als ein neuer Band in die Gesamtausgabe aufgenommen werden.
Was die Propädeutik in derselben anbetrifft, so sind es etwa 12 Jahr her, daß mir die ersten Anfragen zugingen, ob ich nicht eine neue Ausgabe voran stellen würde. Ich schrieb deshalb an Herrn Duncker. Was bekam ich zur Antwort?
Die Hegelsche Philosophie sei so im Cours gesunken, daß | er keine neue Auflage machen werde.
So blieb die Sache. Wie thöricht von Duncker.
Hätte er eine zweite Ausgabe gedruckt, was bei dem mächtigen Umfang der Briefe ihm keine großen Kosten gemacht hätte, so wäre die zweite Ausgabe eher vergriffen, als die erste, denn das Buch hätte nun für das pädagogische Oberlehrerpublicum durch diese Thatsache, viel gekauft zu sein, eine ganz neue Auctorität erhalten.
Mir war es ja nur um die Sache zu thun. Herr Duncker muß wissen, daß ich unei- | gennützig bin, denn ich habe bei ihm die vierte Ausgabe der Enzyklopädie besorgt, ich habe die Apologie Hegels bei ihm drucken lassen, ohne daß er mir für diese Arbeiten einen Pfennig gegeben hätte.
Aber die Buchhändler haben kein tieferes Interesse. Als ich Duncker die Apologie schickte, schrieb er mir, er verlege keine Brochuren, doch wolle er, da er seine Verpflichtung gegen Hegel nicht verkenne, eine Ausnahme machen – und aus Gnade das Büchlein drucken. Ich wußte nicht, daß Haym der Freund von Max Duncker war.
Immer Ihr treu ergebener
Rosenkranz.
Rosenkranz, Johann Karl FriedrichKarl Rosenkranz11860272118051879 Rosenkranz, Johann Karl Friedrich (1805–1879), in Magdeburg geborener Philosoph und Sohn des Steuerbeamten Johann Heinrich Rosenkranz (1757–1830) und seiner Ehefrau Marie-Katharine Rosenkranz, geb. Gruson (1770–1824). Er war von 1831 bis 1833 außerordentlicher Professor an der Universität Halle, von 1833 bis 1874 ordentliche Professor an der Universität Königsberg und Verfasser der ersten Biographie Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831).
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Königsberg54.70464845,20.456566646621738Residenzstadt des Herzogtums, dann Königreichs Preußen, am Pregel gelegen, seit 1824 Sitz der Oberpräsidenten der Provinz Preußen.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Schumm, K[arl]: Briefe von Karl Rosenkranz über seine Hegel-Biographie, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 11 (1933), S. 29-42
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Schumm, K[arl]: Briefe von Karl Rosenkranz über seine Hegel-Biographie, in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 11 (1933), S. 29-42.
1933
Haym
, Rudolf: Aus meinem Leben. Erinnerungen, aus dem Nachlaß herausgegeben, Berlin 1902.
Haym
, Erinnerungen
1902
Hegel, Georg Wilhelm FriedrichGeorg Wilhelm Friedrich Hegel https://www.deutsche-biographie.de/sfz28648.html#ndbcontent11854773917701831 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), Philosoph, Ehemann Maria Helena Susanna Hegels, geb. Tucher (1791–1855), Vater Karl und Immanuel Hegels , von 1808 bis 1816 Gymnasialrektor und Schulrat in Nürnberg, ordentlicher Universitätsprofessor für Philosophie von 1816 bis 1818 an der Universität Heidelberg und von 1818 bis 1831 an der Universität Berlin.
Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob11536836117611851Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (1761–1851), in Leonberg geborener evangelischer Theologe, der nach seinem Studium der Theologie und Philosophie an der Universität Tübingen 1789 Professor der orientalischen Sprachen an der Universität Jena und dort von 1793 bis 1803 ordentlicher Professor für Theologie war, dann an der Universität Würzburg. Nach Schul- und Kirchenverwaltungsaufgaben in Bamberg, Nürnberg und Ansbach wurde er 1811 Geheimer Kirchenrat und Professor an der Universität Heidelberg.
Reichlin-Meldegg, Karl Alexander Maria11926133218011877Reichlin-Meldegg, Karl Alexander Maria (1801–1877), in Grafenau geborener Philosoph und Theologe, der nach seinem Studium an der Universität Freiburg im Breisgau dort 1830 ordentlicher Professor für Kirchengeschichte wurde. 1832 konvertierte der katholische Priester zum Protestantismus und wechselte in die Philosophische Fakultät der Universität Heidelberg, wo er 1840 Ordinarius für Philosophie wurde.
Schelling, Friedrich Wilhelm JosephFriedrich Wilhelm Joseph Schelling11860705717751854 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph (1775–1854), im württembergischen Leonberg geborener Philosoph, außerordentlicher Professor an der Universität Jena von 1798 bis 1803, ordentlicher Professor an den Universitäten Würzburg von 1803 bis 1806, München von 1827 bis 1841 und Berlin von 1841 bis 1846 als zweiter Nachfolger Georg Wilhelm Friedrich Hegels (1770–1831). Er war Vater Paul Heinrich Joseph Schellings (1813–1889) und Clara Schellings (1818–1857), verh. Waitz.
Duncker, Karl Friedrich Wilhelm11625174317811869Duncker, Karl Friedrich Wilhelm (1781–1869), Verleger und Buchhändler, zusammen mit dem Buchhändler und Verleger Peter Humblot (1779–1828) Begründer des Verlages Duncker & Humblot in Leipzig, Vater des Historikers und Politikers Maximilian Wolfgang Duncker (1811–1886).
Haym, RudolfRudolf Haym11854738018211901Haym, Rudolf (1821–1901), teilweise auch Heym, in Grünberg in Schlesien geborener Philosoph, Literarhistoriker und politischer Publizist, der von 1839 bis 1843 an den Universitäten Halle und Berlin evangelische Theologie, Philosophie und Klassische Philologie studierte. Er war Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 und ab 1868 ordentlicher Professor für deutsche Literatur an der Universität Halle, deren Rektor er im Studienjahr 1873/74 war. Im Jahre 1900 wurde er auswärtiges Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
Duncker, Maximilian Wolfgang11868123018111886Duncker, Maximilian Wolfgang (1811–1886), Historiker, Politiker und Journalist, war von 1842 bis 1857 außerordentlicher Professor für Geschichte an der Universität Halle und von 1857 bis 1859 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Tübingen, Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, in Erfurt 1850 Mitglied des Volkshauses des Unionsparlaments für die preußische Provinz Sachsen; von 1859 bis 1866 war er Ministerialbeamter im Preußischen Staatsministerium in Berlin, von 1867 bis 1874 Direktor des Preußischen Staatsarchivs.