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Karl Hegel an Georg Waitz, Erlangen, 21. April 1870

Theuerer Freund!

Ich danke für Ihre Sendung und freundlichen Zeilen und lege für jene die Quittung bei.

Sehr angenehm ist mir zum voraus Ihre Anzeige meines 1. Bandes Straßburg.1 Meine Recension des Maurer’schen Buchs, die ich schon im Januar nach Bonn schickte und welche dennoch nicht mehr im 2. Hefte der Zeitschrift Raum finden konnte, wird nun ebenfalls erst im 3. Heft erscheinen.

An Springers Biographie von Dahlmann Band 1 habe ich mich mit ganz reinem Genuß erfreut und manches Neue für mich darin gefunden, das mir den Mann, wenn möglich, noch verehrungswürdiger gemacht hat.

Stintzing hat uns gestern verlassen. Ich verliere besonders viel an ihm, da ich in den wichtigsten Lebensbeziehungen und Lebensanschauungen mit ihm harmonirte und gern und oft mit ihm verkehrte. Auch er hat hier viel aufgegeben und mit ihm beinahe noch mehr seine liebenswürdige Familie, die sich in hiesigen Kreisen aufs Schönste eingelebt hatte und einen Mittelpunkt für sie bildete. Stintzings Nachfolger Bechmann aus Kiel, ein geborner Nürnberger und darum unserer patriotischen Regierung, wie dem König, doppelt angenehm, wird sehr gerühmt; er hat auch Stintzings schönes Haus und Garten um 18000 florin gekauft, ein sehr billiger Preis!

Kern war vor Ostern2 hier und in Nürnberg; er kam von Bremen, wo er sich, wie Sie wohl schon durch ihn selbst wissen, verlobt hat. Seine Braut macht im Bilde einen sehr angenehmen wie jugendlichen Eindruck; überdies soll die Familie, der sie angehört, sehr reich sein. Ich hätte nicht geglaubt, daß er bei dem schönen Geschlecht ein solches Glück machen würde. Mit seinen Nürnberger Chroniken3, hoffe ich, wird er nun bald fertig werden, so daß der Druck im Herbst beginnen kann. Die Arbeit, die er mir vorlegte, hatte einen so sterilen Inhalt und Charakter und ein so wüstes mit Zeichen, Varianten und Citaten Aussehen in einer für den Druck kaum wiederzugebenden Gestalt, daß ich sie vorerst zurückweisen mußte. Hoffentlich werden wir uns aber schließlich doch noch verständigen.

Dr. Cardauns, mit dem ich über seine Arbeit4 correspondire, macht mir durch sein eingehendes Verständniß wie durch seine Sachkenntniß einen sehr guten Eindruck und ich erwarte von ihm etwas recht Tüchtiges.

Kern hatte den unglücklichen Jaffé noch kurz vor seinem Ende in Berlin auf der Reise von Bremen gesehen; er sprach von seinen weiteren Editionsplänen und es war ihm keine trübe Stimmung anzumerken. Wie sehr muß man bedauern, daß er nicht an den Monumenten fortarbeiten konnte. Seine Existenz wie seine Hoffnungen haben sich an dem harten Felsen, den die Monumenta aufgerichtet und bis jetzt getragen, zerstoßen!

Treulichst
der Ihrige
Carl Hegel