Erlangen 27 Juni 1870.
Lieber Manuel!
Es sind nun bereits drei Wochen, daß Deine liebe Tochter in meinem Hause verweilt. Alles freut sich einen so lieben Gast zu besitzen, der so anspruchslos und gefällig, heiter und mittheilsam sich beweist. Besonders für unser Annchen ist der engere Gedankenaustausch mit Marie erfrischend, tröstend und fördernd. Er hilft ihr über manche trübe Stunde hinweg und entreißt sie der Vereinsamung, in welche sie bei ihren immer schmerzlicher sich aufdringenden Gehörleiden gar zu leicht verfällt. Leider hat die Kur in Fürth, bei welcher hauptsächlich Jodeinspritzungen angewendet wurden, nichts gebessert, sondern ich meine, eher verschlimmert. Der Arzt meinte dies zwar nicht, sondern versprach uns vielmehr von der Kur den Erfolg, daß sie für eine längere Zeit den status quo aufrechterhalten werde. Ich gedenke jedoch noch einmal Tröltsch zu befragen und Anna zu ihm nach Würzburg zu schicken. |
Marie hat Euch schon geschrieben, wie sie mit uns gelebt und was sie hier erlebt hat. Die Studentenfestlichkeiten im Freien haben ihr wie der anderen Jugend Freude gemacht und für sie überdies den Reiz der Neuheit gehabt. Leider wurde nur die Bubenreuter
Kirchweih am vergangenen Samstag einigermaßen verregnet und das schlechte Wetter hat seitdem angehalten; wir sehen dies für jetzt noch mit ziemlicher Gemüthsruhe an, vorausgesetzt daß es sich bis Ende dieser Woche bessert, wenn meine Frau mit Marie und Anna eine Ausfahrt nach Simmelsdorf zu unternehmen gedenkt, wo gegenwärtig unsere Eltern mit Luise aus München und mit Grundherrs aus Schweinfurt sich aufhalten. Da muß das Wetter schön sein, sonst ist Simmelsdorf verdorben. In nächster Woche ist die Zeit für Mariens Reise nach München herangekommen, wo sie bis zu Hochzeitsfeier der Münchener Anna bleiben wird. Sie hat Euch schon von dem kurzen Besuch der lieben Münchener bei uns geschrieben. Die Braut schien recht glücklich und wie die Eltern befriedigt von den in Leipzig angetroffenen | Verhältnissen. Der Bräutigam, der uns schon früher auf der Durchreise besuchte, freilich ein angehender Fünfziger, dem man aber dieses Alter nicht ansieht, hat uns recht gut gefallen. Er ist klein und untersetzt, lebhaft und gesprächig, offen und einnehmend. Als Kaufmann in Leipzig befindet er sich in sehr gutem Wohlstande, besitzt ein Haus in der Stadt und ein Landhaus draußen, als Vater hat er vier Söhne, von denen der älteste schon 17 Jahre zählt, die sehr wohlerzogen sein sollen und sich zur großen Freude von Anna Tucher sogleich sehr herzlich an die neue junge und hübsche und Herz gewinnende Mutter angeschlossen haben. Er nimmt lebhaften Antheil an den Zwecken der inneren Mission und verkehrt auf freundschaftlichem Fuß mit den theologischen Professoren und Pfarrern in seiner Stadt, so wie er auch hier mit Zezschwitz nahe befreundet ist, welcher ihn sogar zuerst auf seiner Brautreise nach München hin dirigirt hat.
Ich habe mich recht gefreut über Eures Willi Brief, den uns Marie auf mein Verlangen gestern Abend mittheilte. Es spricht sich ein recht frischer, offener und tüchtiger Sinn darin aus, und Du kannst, meine ich, recht wohl mit einem solchen Sohn zufrieden sein. |
Ihr werdet nun bald die Reise nach Schlesien zu mehrwöchentlichem Gebirgsaufenthalt antreten. Ich wünsche zu der guten Luft auch gute Kost und andauernd schönes Wetter, damit Genuß, Erholung und Stärkung für das folgende Arbeitsjahr in aller Weise ihre Rechnung finden.
Ich habe bis jetzt für uns oder mich allein noch keine bestimmten Pläne zum Herbst, außer der Jubiläumsreise nach Berlin. Vorher muß ich noch mit meinem zweiten Straßburger Band fertig werden, sodaß alles Weitere nur davon abhängt.
Bevor Du von Berlin abreisest bitte ich mir noch die am 1. Juli fälligen Zinsreste und Dividenden der Cöln-Mindener zu schicken, da ich das Geld brauchen kann.
Mit großem Bedauern sehen wir dem baldigen Abzug von Schmidtleins entgegen, an denen wir wie an Stintzings aufs neue eine uns am nächsten befreundete Familie verlieren. Der Universitätssenat ist eben jetzt dabei die Vorschläge zur Wiederbesetzung der Stelle zu machen; leider sind aber unsere Geldmittel sehr knapp. Da Schmidtlein sein ganzes Gehalt als Pension behält und unser Etat keine Überschreitung gestattet.
Ich lege die vor kurzem aufgenommene Photographie meiner Frau bei, die wir sehr wohlgetroffen finden und die auch Euch Freude machen wird. |
Marie hat heute die Richter’schen Bilder richtig erhalten und ist bereits mit deren Abzeichnung beschäftigt; sie läßt bestens grüßen. Ich füge meine Grüße und die meiner Susanna an Euch hinzu.
Möge es Euch Allen wohl gehen!
Treulich Dein Karl.
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel)Immanuel HegelJurist/Konsistorialpräsident der Provinz Brandenburg11657072518141891 Hegel, Immanuel (Manuel, Emanuel) (1814–1891), Bruder Karl Hegels, studierte von 1832 bis 1834 und von 1835 bis 1836 Jura an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, von 1834 bis 1835 an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München, trat 1836 in den preußischen Staatsdienst ein und war als Verwaltungsjurist in verschiedenen Verwendungen des Königreichs Preußen, vor allem im Staatsministerium, tätig, wurde 1865 Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg, heiratete 1845 Friederike Flottwell (1822–1861) und 1865 Clara Flottwell (1825–1912), beide Töchter des oftmaligen preußischen Oberpräsidenten und Staatsmanns Eduard Heinrich Flottwell (1786–1865), war u. a. Vater des preußischen Verwaltungsbeamten und Politikers Wilhelm (Willi) Hegel (1849–1925), war 1856 Taufpate seines Neffen Georg Hegel (1856–1933).
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Die Chroniken der deutschen Städte
vom 14. bis in’s 16. Jahrhundert, hg. durch die Historische Commission bei der Königl. Academie der Wissenschaften von Karl
Hegel
, Bd. 9, Die Chroniken der oberrheinischen Städte. Straßburg, bearb. von Karl
Hegel
, Bd. 2, Leipzig 1871. (https://dlibra.bibliotekaelblaska.pl/dlibra/publication/59556/edition/55556 )
Chroniken der deutschen Städte
, Bd. 9, Straßburg, Bd. 2
1871
Neuhaus
, Helmut: Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert. Unter Mitarbeit von Katja Dotzler, Christoph Hübner, Thomas Joswiak, Marion Kreis, Bruno Kuntke, Jörg Sandreuther und Christian Schöffel (= Erlanger Studien zur Geschichte, Bd. 7/Katalog zur Ausstellung des Instituts für Geschichte der Universität Erlangen-Nürnberg vom 20. November bis 16. Dezember 2001), Erlangen, Jena 2001.
Karl Hegel – Historiker im 19. Jahrhundert
2001
Neuhaus
, Helmut (Hg.): Karl Hegels Gedenkbuch. Lebenschronik eines Gelehrten des 19. Jahrhunderts, Köln, Weimar, Wien 2013.
Neuhaus
, Karl Hegels Gedenkbuch
2013
Hegel, Marie (Maria), verh. BitterMarie Hegel, verh. Bitter103810830618481925Hegel, Marie (1848–1925), Tochter Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels, geb. Flottwell (1822–1861), Ehefrau des Juristen, hohen preußischen Verwaltungsbeamten, Kronsyndikus und Politikers Rudolf Bitter (1846–1914), siehe auch: Bitter, Marie.
Tröltsch, Anton Friedrich11742021218291890Tröltsch, Anton Friedrich (1829–1890), in Schwabach bei Nürnberg geborener Sohn des späteren Appellationsgerichtsrates Christian Friedrich Tröltsch (1780–1851) und seiner Ehefrau Susanne Tröltsch, geb. Haller von Hallerstein († 1840), der nach seinem Abitur in Nürnberg zunächst an der Universität Erlangen Rechtswissenschaften studierte. Nach zwei dem Studium der Naturwissenschaften gewidmeten Semestern an der Universität München studierte er von 1849 bis 1853 Medizin an der Universität Würzburg und bildete sich, in Würzburg promoviert, bis 1856 in verschiedenen europäischen Städten (Berlin, Prag, Dublin, Glasgow, London, Paris) weiter, immer mehr der Augen- und Ohrenheilkunde zugewandt. Ab 1857 praktizierte er vornehmlich als Ohrenarzt, habilitierte sich 1861 an der Universität Würzburg und wurde dort 1864 außerordentlicher Professor der Ohrenheilkunde.
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Mangelsdorf, Edmund-18191879Mangelsdorf, Edmund (1819–1879), Ehemann von Anna Sophia Maria Mangelsdorf, geb. Tucher (1842–1935), Kaufmann in Leipzig, der in einer Leipziger Verlags- und Sortimentsbuchhandlung gelernt hat. Seine erste Ehefrau stammte aus einer alten Leipziger Buchhändlerfamilie.
Zezschwitz, Karl Adolf GerhardKarl Adolf Gerhard Zezschwitz11877267818251886 Zezschwitz, Karl Adolf Gerhard (1825–1886), in Bautzen geborener evangelisch-lutherischer Theologe, der nach seinem Studium an der Universität Leipzig Pfarrer wurde. Er habilitierte sich 1857 in Leipzig, wurde dort außerordentlicher Professor, wechselte 1861 nach Neuendettelsau und diente innerhalb der Inneren Mission. Im Jahre 1865 wurde er ordentlicher Professor an der Universität Gießen, 1866 an der Universität Erlangen, dort dazu ab 1867 Universitätsprediger. In zweiter Ehe war er ab 1856 mit der Nürnbergerin Julie Zezschwitz, geb. Meier (1832–1906), verheiratet.
Hegel, Wilhelm (Willi)Wilhelm Hegel13593263718491925Hegel, Wilhelm (Willi) (1849–1925), in Berlin geborener Sohn Immanuel (1814–1891) und Friederike Hegels (1822–1861), Ehemann Armgard Hegels, geb. Wulffen (1862–1928), und Neffe Karl Hegels. Er war hoher preußischer Verwaltungsbeamter, u. a. von 1886 bis 1890 Landrat des Kreises Jerichow I, von 1895 bis 1905 Regierungspräsident von Gumbinnen, von 1905 bis 1908 in Allenstein, von 1908 bis 1917 Oberpräsident der Provinz Sachsen. Es war von 1887 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstages und wurde im Jahre 1909 in den erblichen preußischen Adelsstand erhoben.
Schmidtlein, Eduard JosephEduard Joseph Schmidtlein11679424017981875Schmidtlein, Eduard Joseph (1798–1875), in Würzburg geborener Jurist, der von 1816 bis 1820 an den Universitäten Würzburg, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften studierte. Als außerordentlicher Professor 1823 an die Universität Landshut berufen, wechselte er 1826 mit ihr nach München und lehrte dort von 1828 bis 1834, bevor er dann bis 1870 ordentlicher Professor der Rechtswissenschaft an der Universität Erlangen war. Er war in erster Ehe mit Clara Göschen (1806–1840) verheiratet, einer Tochter des Juristen Johann Friedrich Ludwig Göschen (1778–1837). Aus seiner 1842 geschlossenen zweiten Ehe mit Therese Müller (1815–1872) stammt u. a. die Tochter Marie Schmidtlein.
Stintzing, Franziska Karoline Charlotte, geb. BokelmannFranziska Karoline Stintzing, geb. Bokelmann11726003718281908Stintzing, Franziska Karoline, geb. Bokelmann (1828–1908), Ehefrau des Juristen Roderich Stintzing (1825–1883).
Stintzing, RoderichRoderich Stintzing10127505618251883Stintzing, Roderich (1825–1883), in Altona geborener Rechtswissenschaftler, der von 1841 bis 1848 an den Universitäten Jena, Heidelberg, Berlin und Kiel studierte und 1852 in Heidelberg promoviert wurde. Im Jahre 1854 wurde er ordentlicher Professor für Römisches Recht an der Universität Basel. Nach seinem dortigen Rektorat wechselte er von 1857 bis 1870 an die Universität Erlangen und anschließend bis zu seinem Tode an die Universität Bonn. Wie in Basel war er auch in Erlangen (1864/65) und in Bonn (1875/76) jeweils Rektor bzw. Prorektor.
Fürth49.4772475,10.9893626Etwa zehn Kilometer westlich von Nürnberg am Zusammenfluß von Pegnitz und Rednitz gelegene Stadt des Königreichs Bayern (1808/1818), die 1835 als Endpunkt der ersten deutschen Eisenbahn zwischen Nürnberg und Fürth mit der beginnenden Industrialisierung in Berührung kam, 1843 Anschluß an den Ludwig-Donau-Main-Kanal fand und sich mit den Eisenbahnanschlüssen an die Ludwig-Süd-Nord-Bahn und die Ludwigs-West-Bahn der 1860er Jahre zu einer modernen Industriestadt entwickelte.
Würzburg49.79245,9.932966Alte Bischofsstadt am Main, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg und etwa 110 Kilometer südöstlich von Frankfurt am Main auf der Fränkischen Platte zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegen.
Bubenreuth49.6277003,11.0143385Etwa vier Kilometer nördlich von Erlangen gelegene Gemeinde, die im Jahre 1810 an das Königreich Bayern kam.
Simmelsdorf49.5972637,11.3379197Namengebender Sitz der Nürnberger Patrizier-Familie Tucher von Simmelsdorf, 1598 erworben, nordöstlich der alten Reichsstadt Nürnberg gelegen. Das Alte Tucher-Schloß, ursprünglich ein Wasserschloß, wurde in den 1830er Jahren im gotischen Stil umgebaut, das „Neue Herrenhaus“ 1808 erbaut.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Schweinfurt50.0499945,10.233302Etwa 130 Kilometer östlich von Frankfurt am Main und etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg am Main zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegene ehemalige Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches, die von 1810 bis 1814 zum kurzlebigen Großherzogtum Würzburg gehörte und dann an das Königreich Bayern fiel. Im Jahre 1852 entstand ein Bahnanschluß.
Leipzig51.3406321,12.3747329Am Zusammenfluß von Weißer Elster, Pleiße und Parthe gelegene Universitäts- und Messestadt in Sachsen.
SchlesienSeit Beginn des 19. Jahrhunderts Provinz des Königreichs Preußen mit Breslau als Provinzhauptstadt.
Berlin52.5170365,13.3888599Hauptstadt des Königreichs Preußen und ab 1871 auch des Deutschen Reiches.
KirchweihAlljährliches Fest anläßlich der Wiederkehr des Tages der Weihe einer Kirche, der zumeist in einem großen, auch mehrtägigen Volksfest gefeiert wurde.
Innere MissionAus dem Gedankengut der pietistischen Erweckungsbewegung gespeist, rief Johann Hinrich Wichern (1808-1881) die Innere Mission auf dem Wittenberger Kirchentag des Jahres 1848 ins Leben, um mitmenschliche Hilfe zu initiieren und zu verbreitern und durch karitative kirchliche und staatliche Hilfe den negativen Folgen der Industrialisierung zum Beispiel bei allgemeiner Armut (Pauperismus), Verwahrlosung von Kindern und Vernachlässigung von Bildung entgegenzuwirken. In der Inneren Mission wurde evangelisch-christliche Sozialarbeit gebündelt, abgesetzt von der äußeren Mission in den Formen der Juden- und Heidenmission. Im Königreich Bayern folgte Pfarrer Wilhelm Löhe (1808-1872) den Zielsetzungen der Inneren Mission, indem er mit der Gründung der Neuendettelsauer Diakonissenanstalt ein Zentrum für die Ausbildung weiblichen sozialen, pflegerischen und pädagogischen Hilfspersonals (Diakonissen) schuf.
Köln-Mindener EisenbahnDie Köln-Mindener Eisenbahn-Gesellschaft begann 1843 mit dem Bau der Eisenbahnverbindung zwischen dem preußisch gewordenen Rheinland, dem Ruhrgebiet als aufstrebendem Industriezentrum und der ostwestfälischen Stadt Minden an der Weser auf dem Weg zur königlich preußischen Hauptstadt Berlin.