Gestern schrieb ich Dir nach Flinsberg, doch besorge ich immer mehr, daß mein Brief Dich dort nicht angetroffen haben wird, daß Du bereits nach Berlin zurückgekehrt bist. Deshalb wiederhole ich hier, was ich Dir1 in Bezug auf Marie schrieb. Wenn Du sie etwa gleich zurückrufen solltest, so würde ich nur wünschen, daß sie hier bei uns noch einmal übernachtete, damit ich mich zuvor wegen ihres weiteren Fortkommens informierte. Man wird hier in Erlangen wenigstens wissen, ob über Bamberg die Weiterreise durch Truppenzüge nicht gehindert ist2; oder besser noch bringe ich selbst Marie bis Bamberg und höre dort, wie es zwischen Hof und Bamberg steht. Durch die Zeitungen erfährt man davon nichts. Schon gestern hieß es, daß Truppenzüge aus Sachsen über Bamberg in die Rheinpfalz gegangen seien. Solltest Du jedoch keinen Grund finden wegen Mariens Verbleiben bei uns ängstlich zu sein, denn sie ist bei uns ebenso sicher wie in Berlin, oder sollte sie selbst nicht dringend wünschen, sofort zurückzukehren, so könnte meinem Hause und mir selbst natürlich nichts lieber und angenehmer sein, als daß sie bei uns im stillen Erlangen so lange bleibe, bis der Sturm vorüber ist.
Unsere Sorge betrifft am meisten Deinen lieben Sohn, unseren treuen Willi, der mit ausrücken muß in einen vermuthlich furchtbaren Krieg. Er hat jetzt den ehrenvollsten Platz! Auch unsere Eltern haben die gleiche Sorge zu tragen für ihren Sohn Friedrich, der bei der Artillerie auf dem Lechfeld eben die Exercitien mitmachte, und für den Schwiegersohn Löffelholz, welcher als nunmehriger Obristlieutnant derselben Waffengattung angehört; nicht für August den Landwehrcommandanten in Schweinfurt, der nicht ins Fed ausrückt, und leider auch nicht für Ulrich Brockdorf, der seinen3 Urlaub auf dem Lande zubringt und dessen Gesundheitszustand, vielleicht Brustleiden, nicht unbedenklich ist.
Unsere norddeutschen Studenten haben uns heute größtentheils verlassen, auch die bairischen werden jetzt einberufen.
Man wird kaum noch Vorlesungen halten können.
Eben habe ich Erbkamms aus Berlin bei Schmidtleins getroffen, die aus der Schweiz zurückkommen, nachdem sie diese eben erst erreicht hatten; Alles, sagen sie, fliehe von dort und eile nach Hause; die Pensionen ständen leer.
Baiern macht mobil, sagt die bayrische Correpondenz4 aus München; „die Operationen der beiden Armeen (!) werden sofort beginnen“ – nämlich der preußischen und bairischen. Umso lächerlicher ist diese Prahlerei, da man wohl weiß, wie schlecht sie gerüstet sind, wovon Du mehr in meinem gestrigen Briefe5 lesen wirst, falls er Dir nachgeschickt wird.
Lebe wohl! Tausend Grüße an Clara und Eure Kinder von uns Allen. Gott schütze Deutschland und gebe ihm den Sieg, Er6 beschütze unsere Lieben!