Frankfurt, 21 September
Nachmittags 4 ¾ Uhr.
Liebes Weibchen!
Ich komme eben nach Haus, um einige Zeilen an Dich zu schreiben. Mein Haus ist Hotel Drexel, nicht Landsberg. Denn der gute Landsberg ist, wie ich von einem Reisenden schon vor Ankunft erfuhr, zum Theil abgebrannt und wird noch gebaut. Das Hotel ist mittelmäßig. Gestern Nachmittag 6 Uhr kam ich an. In Würzburg wurde ich von Wegele sehr freundlich auf dem Bahnhof empfangen. Frau Dr. Schiller war bei ihrer Tochter auf dem Lande und sollte erst Ende der Woche zurückkommen, ich sah sie also nicht. Ich ging mit Wegele auf die Mainbrücke und aß bei ihm zu Mittag. Frau Wegele wiederholte ihre herzliche Einladung für Anna. Ich sah das liebliche strahlende Kind, fand aber doch nicht, daß unser Gottliebchen von ihm so ganz in den Schatten gestellt wäre: eins kann wohl neben dem andern bestehen. | Herzliche Grüße wurden mir von Frau Wegele aufgetragen.
Hier habe ich heute morgen die Bibliothek besucht und mich lange dort aufgehalten. Das Wetter war hell und schön. Heut Nachmittag ist es wieder trübe geworden. Ich ging auch auf die Pfingstweide hinaus und sah dort die Lagerstadt für die Verwundeten: eine weite hölzern Umzäunung, welche eine große Zahl von Holzbaracken einschließt, ähnlich derjenigen in unserm Spitalgarten. Nach 12 Uhr ging ich hinaus in die Taunusstraße, um Frau Pfarrer Grünewald zu besuchen. Ich traf sie noch mitten im Umzug begriffen, doch zum Theil schon wohnlich eingerichtet. Ich fand sie doch gefaßter als ich erwartete; sie sprach sich in rührend herzlicher Weise gegen mich aus, theilte viel von ihren schönen Erinnerungen, von den letzten Lebenstagen ihrers Mannes mit; sie nöthigte mich bei Tisch zu bleiben. Die Freundin aus Danzig, Frl. Hain, war wieder da und ist eine recht erwünschte Hülfe im Haus seit Juli. Die alte Mutter, liebevoll und gut, fand ich unverändert. Von den Kindern | waren Marie, August und
Elisabeth anwesend. Paul sah ich nicht; er war so ermüdet von dem vormittägigen Übungswerkh, daß er sich schlafen gelegt hatte; er hat noch nicht ins Feld ausrücken müssen, ist auch erst seit April eingetreten. Anna ist noch in Nauheim. August ist recht gewachsen und sieht dem Vater am meisten ähnlich. Ich habe für Luischen um die Photographien gebeten; sie sind ihr aufs neue versprochen. Frau Grünewald entschuldigte sich wegen ihres Nichtschreibens, sie habe sich noch nicht zur Beantwortung der vielen theilnehmenden Briefe entschließen können.
Ich war gestern Abend im Theater und sah eine recht gute Aufführung von Stradella; Frl. Stella eine stattliche Erscheinung mit einer sehr gut geschulten reinen Sopranstimme gab die Leonore; Herr Schmidt hatte die Hauptrolle, ein angenehmer Tenor. Heute Abend werde ich ein Schauspiel, die Schule des Lebens von Raupach sehen, worin der alte Hendrichs die Gastrolle spielt. Ich vermißte im Theater meinen Operngucker und bitte Dich mir ihn nach München mitzuschicken; er befindet sich in meinem Schreibtisch, Schublade rechts. |
Ich schicke Dir hier die Geldpapiere zurück, die ich vergeblich mitgenommen. Sieh doch in meinem Secretär nach, ob in einem der oberen Pakete 3 amerikanische Papiere sich vorfinden gleich demjenigen, welches hier einliegt. Ich muß in der Eile das Paket verwechselt haben. Vielleicht liegen jene 3 Stück in der Schublade rechts, wo das andere Geld. Schreibe mir nach Stuttgart, ob Du sie vorgefunden, Adresse Oberstudienrath von Stälin.
Ich gedenke morgen Vormittag nach Mannheim und
Heidelberg zu fahren, wo ich übernachten will. Vielleicht treffe ich Gervinus.
Ich wünsche von Herzen, daß es Dir und den Kindern wohl geht. Es wird Euch die Zeit auch ohne mich nicht zu lang werden, da es im Hause und sonst in Erlangen immer viel zu thun giebt.
Lebe wohl, geliebte Susi. Tausend Grüße an Alle
Hegel, KarlKarl Hegel
HiKo
11657075X
Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher
Susanna Maria Hegel, geb. Tucher116146891918261878Hegel, Susanna Maria Karoline Henriette, geb. Tucher (1826–1878), häufig „Susette“ genannt, Tochter Johann Sigmund Karl Tuchers (1794–1871) und Maria Magdalena Tuchers, geb. Grundherr (1802–1876), Ehefrau Karl Hegels (1813–1901); siehe auch: Tucher, Susanna Maria.
Frankfurt (Main)50.1106444,8.6820917Ehemalige Reichsstadt am Main, oftmaliger Wahl- und Krönungsort der Könige des Heiligen Römischen Reiches sowie Freie Stadt innerhalb des Deutschen Bundes, dessen Bundestag sich dort versammelte. Die Frankfurter Paulskirche war von Mai 1848 bis Mai 1849 der Tagungsort der Frankfurter Nationalversammlung, die die Frankfurter Reichsverfassung vom 28. März 1849 erarbeitete. Seit dem Mittelalter war es eine bedeutende Messestadt und ein Finanzplatz mit Wertpapierbörse für den Handel mit Staatsanleihen und Aktien.
Privatbesitz
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Privatbesitz
1000
Wegele, Franz XaverFranz Xaver Wegele
HiKo
11930313218231897Wegele, Franz Xaver (1823–1897), in Landsberg am Lech geborener Historiker, der an den Universitäten München und Heidelberg studierte und sich im Jahre 1849 habilitierte. Von 1851 bis 1857 war er außerordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Jena, von 1857 bis zu seinem Tode ordentlicher Professor an der Universität Würzburg. Im Jahre 1858 gehörte er, ein Freund Karl Hegels (1813–1901), zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und war von 1873 bis 1897 einer der Redakteure bei der Allgemeinen Deutschen Biographie (ADB).
Wegele, KarlKarl Wegele-18591929Wegele, Karl (1859–1929), Sohn des Historikers Franz Xaver Wegele (1823–1897), Patenkind Karl Hegels, Arzt, Leiter des Sanatoriums für Magen- und Darmkranke in Bad Königsborn bei Unna in Westfalen.
Hegel, Gottlieb (Friedrich)Gottlieb Friedrich Hegel-18671874Hegel, Gottlieb (Friedrich) (1867–1874), achtes und jüngstes Kind Karl und Susanna Maria Hegels (1826–1878). Er wurde am 22. November 1867 im elterlichen Haus in Erlangen geboren und starb dort am 31. März 1874 an der Bräune.
Grünewald, Emma Sophie Isidore Charlotte, geb. Gersdorff
-18271894Grünewald, Emma Sophie Isidore Charlotte, geb. Gersdorff (1827–1894), Ehefrau des Frankfurter Pfarrers Johann Conrad August Grünewald (1815–1870), Tochter des sachsen-weimarischen Kammerherrn Wolf-Julius von Gersdorff (1794–1837).
Grünewald, Johann Conrad August109760118818151870Grünewald, Johann Conrad August (1815–1870), in Frankfurt am Main geborener Theologe, der nach seinem Studium der evangelisch-lutherischen Theologie an den Universitäten Erlangen und Bonn sowie nach bestandenen Abschlußprüfungen in der Schweiz tätig war, als Hauslehrer u. a. in Genf und Lausanne und als Pfarrer in Vevey, später in Bockenheim und Dornholzhausen, Lehrer an Höheren Mädchen- und Bürgerschulen in Bockenheim und Frankfurt am Main, von 1864 bis 1870 Pfarrer an der Dreikönigskirche in Frankfurt am Main. Ab 1853 war er in verschiedenen Gemeinden Pfarrer in Frankfurt am Main. Er war der Ehemann Emma Sophie Grünewalds, geb. Gersdorff (1827–1894), und Vater u. a. von Marie Grünewald (1855–1933).
Grünewald, Elisabeth Bertha-18601927Grünewald, Elisabeth Bertha (1860–1927), Tochter des Frankfurter Pfarrers Johann Conrad August Grünewald (1815–1870), heiratete 1883 Johannes Grünewald, Pfarrer in Möschlitz bei Schleiz.
Grünewald, Anna-Grünewald, Anna, Frankfurt am Main.
StellaStella, Sopranistin an der Oper in Frankfurt am Main, die im Jahre 1870 in der Rolle der Leonore in Heinrich von Flotows (1812–1883) Oper „Alessandro Stradella“ auftrat.
Schmidt, N. N.-Schmidt, N. N., Tenor an der Oper in Frankfurt am Main in der Rolle des Alessandro Stradella in Heinrich von Flotows (1812–1883) Oper „Alessandro Stradella“ im Jahre 1870.
Raupach, Ernst10082354817841852Raupach, Ernst (1784–1852), deutscher Schriftsteller, von 1817 bis 1823 Professor für Geschichte an der Universität St. Petersburg.
Hendrichs, Hermann11670115318091871Hendrichs, Hermann (1809–1871), deutscher Schauspieler.
Stälin, Christoph FriedrichChristoph Friedrich Stälin
HiKo
11720279718051873Stälin, Christoph Friedrich (1805–1873), in Calw geborener Bibliothekar und Historiker, der von 1821 bis 1825 an den Universitäten Tübingen und Heidelberg Philosophie, Theologie und Philologie studierte und danach in den Dienst der Königlichen Öffentlichen Bibliothek in Stuttgart eintrat, deren Direktor er 1869 wurde. Im Jahre 1858 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften.
Gervinus (Gervin), Georg Gottfried jun.Georg Gottfried Gervinus11853891818051871Gervinus, Georg Gottfried jun. (1805–1871), deutscher Historiker, Literaturhistoriker und Politiker, Sohn von Georg Gottfried Gervinus sen. (1765–1837) und seiner Ehefrau Anna Maria Magdalena Gervinus, geb. Schwarz (1772–1837). Er war Ehemann von Victorie Gervinus, geb. Schelver (1820–1893), 1835/1836 Professor der Geschichte und Literatur an der Universität Heidelberg, 1836/1837 an der Universität Göttingen (einer der „Göttinger Sieben“), 1844 Honorarprofessor an der Universität Heidelberg, 1848 Mitglied der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.
Würzburg49.79245,9.932966Alte Bischofsstadt am Main, etwa 100 Kilometer nordwestlich von Nürnberg und etwa 110 Kilometer südöstlich von Frankfurt am Main auf der Fränkischen Platte zwischen Steigerwald im Osten und Spessart im Westen gelegen.
Danzig54.3706858,18.61298210330077Ehemalige Hansestadt und alte Handelsstadt an der Ostsee, etwa 500 Kilometer nordöstlich von Berlin gelegen. Im Jahre 1815 kam sie ans Königreich Preußen.
Nauheim50.3681107,8.7473608Etwa 30 Kilometer nördlich von Frankfurt am Main gelegener Ort, der sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zum Heilbad entwickelte und seit 1866 zum Königreich Preußen gehörte.
München48.1371079,11.5753822Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Bayern an der Isar in Oberbayern.
Stuttgart, auch: Stuttgard48.7784485,9.1800132Am Neckar gelegene Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg.
Mannheim49.4892913,8.4673098Ehemalige Residenzstadt der Kurfürsten von der Pfalz an der Mündung des Neckars in den Rhein, etwa 80 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, seit 1806 Stadt im Großherzogtum Baden.
Heidelberg49.4093582,8.694724Alte Universitätsstadt am Neckar, seit 1803 zum Großherzog Baden gehörend und mit Eisenbahnanschluß seit 1840. Circa 90 Kilometer südlich von Frankfurt am Main gelegen, war die Stadt mit ihrer malerischen Schloßruine einer der Hauptorte der Romantik.
Erlangen49.5928616,11.0056Mittelfränkische Universitätsstadt, etwa 20 Kilometer nördlich von Nürnberg gelegen, seit 1810 Stadt und Universität des Königreichs Bayern.
Hotel Drexel (Frankfurt am Main)Seit 1845 bestehendes Hotel im Zentrum Frankfurts am Main, Große Friedbergerstraße 16-20.
Hotel Landsberg (Frankfurt am Main)Hotel im Zentrum Frankfurts am Main, im Jahre 1870 teilweise abgebrannt.
MainbrückeIn Würzburg die älteste und lange Zeit die einzige Brücke über den Main, die die rechtsmainische Altstadt mit der linken Flußseite verbindet, über der sich die Festung Marienberg erhebt.
Pfingstweide (Frankfurt am Main)Im Frankfurter Ostend gelegenes Gelände, auf das 1874 der Zoologische Garten verlegt wurde.
„Stradella“„Alessandro Stradella“, Oper Heinrichs von Flotow (1812-1883), 1844 in Hamburg uraufgeführt.
LeonoreRolle (Sopran) des Mündels des reichen Venezianers Bassi in Heinrich von Flotows (1812-1883) Oper „Alessandro Stradella“.
„Die Schule des Lebens“Schauspiel von Ernst Raupach (1784-1852) aus dem Jahre 1841.
CouponDividendenschein bei Wertpapieren, der zur Einlösung von Gewinnanteilen oder Zinsen am Tag der Dividendenausschüttung berechtigte.