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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 24. September 1870

Mein liebster Mann!

Besten Dank für Deinen lieben Brief1, den ich heute Morgen nebst seiner werthvollen Einlage erhalten habe. Ich sah gleich in Deinem Sekretär nach und fand die 3 Amerikaner2, also kannst Du ruhig sein, wenn Du auch den beabsichtigten Verkauf nicht ausführen kannst.

Ich freue mich sehr der guten Nachrichten und hoffe der kleine Ausflug wird Dir gut thun, um so mehr das Wetter jetzt etwas freundlicher zu werden scheint. Seit Du weg bist hat es wenigstens nicht mehr geregnet, wenn auch die Luft kalt und windig ist. Wir werden heute Nachmittag auf Rathsberg gehen, Luischen wünscht es sehr, und ich finde auch, man muß die wenigen schönen Tage die uns noch vergönnt sind, benützen. Im Haus geht es somit gut, die Kinder sind wohl, Mariechen verträgt sich vortrefflich mit Allen und trägt durch ihre komisch-trockene Weise sehr viel zur Erheiterung bei. Besonders findet sie an Anna ein dankbares Publikum, auf ihre lächerlichen Einfälle einzugehen, während Luise auch da wieder eine Sonderstellung einnimmt und gewöhnlich nicht in die Heiterkeit einstimmt. Anna ist erst gestern Mittag von Nürnberg zurückgekommen, sie wohnte auf dem Glockenhof und ließ sich gerne halten. In Nürnberg ist Alles wohl, nur sind unsre Lieben wieder in Sorge seit der Nachricht von dem Gefecht bei Paris, wo neben dem 5ten Armeecorps auch das 2te bayrische gegen Vinoy kämpfte. Zwar sollen die Verluste unbedeutend sein, aber wer steht Einem dafür ab, unter den wenigen Opfern nicht gerade wir Eines bringen mußten. Gott gebe daß bald beruhigende Nachrichten eintreffen. Freund Marquardsen hat die Nachricht telegraphisch eingesandt und Robert Pfaff brachte sie uns brennenden Kopfes; es half Nichts, die Fahne mußte hinaus, und wir hatten auch die Genugthuung, daß Hagens Fahne bald nachher erschien. Heute aber flaggt Alles, und es wird geschossen, um den Fall von Toul3 zu feiern. Freilich ist das ein wichtiger Punkt, besonders wegen der Eisenbahn4, noch weiß ich Nichts Näheres, nicht einmal wer die Belagerung oder den Sturm ausgeführt hat. Wenn nur Straßburg bald folgen würde.5

Gestern schrieb ich an Clara und sandte ihr unsre Glückwünsche zu Manuels Geburtstag6, wenn sie nur gute Nachrichten von Willy haben, das wäre die beste Geburtstagsfreude. – Daß Du Frau Grünewaldt doch gefaßter gefunden hast, freut mich sehr; möchte ihr nur die Sorge erspart bleiben, ihren Paul im Feld zu wissen. Heute Mor-gen habe ich auch einen traurigen Besuch gemacht bei einer betrübten Mutter; Frau Frank hat ihr kleines Mädchen wirklich vorgestern verloren; es war ja ein kleines, schwächliches Kindchen, aber für das Mutterherz bleibt’s eben doch ein unersetzlicher Verlust, doppelt schmerzlich wenn eine Zeit der Sorge um das erlöschende Leben vorhergeht und dadurch die Lücke doppelt fühlbar ist. – Auch bei Frau Heineke war ich, die gute Frau ängstet sich in bekannter Weise, hofft aber, ihren Mann bald wieder zurück zu haben, da vor Paris keine bedeutenden Schlachten zu erwarten sind; Gott gebe, daß sie Recht hat.

Mit Georg geht’s so weit ordentlich; ich halte darauf, daß er sein Pensum, das Du ihm gegeben arbeitet; wie das ist freilich eine andre Frage; außerdem ist er ordentlich. Mundel pfeift und brüllt abwechselnd, Beides gleich kräftig, Sophiechen hat ihre erste Religionsstunde bei Herrn Plitt gehabt und genießt außerdem ihre Ferien. Gottliebchen ist manchmal sehr niedlich und erzählt in seiner Weise sehr viel von den Franzosen, Preußen, Deutschen und Bayern. Wenigstens ist er sehr davon erfüllt, daß die Franzosen Spitzbuben sind und eingesperrt werden müssen.

Aus Deinen weitern Plänen ersehe ich, daß Du nicht nach Mainz gegangen bist; wäre denn das dortige Lager nicht recht interessant gewesen? Ich wünsche Dir nur, daß Du Gervinus in Heidelberg getroffen hast, der wird jetzt doch wohl auch mit dem Gang der Dinge zufrieden sein, 1866 war er es ja gar nicht. – In Stuttgart wirst Du wohl Kieser aufsuchen; denke sie sind jetzt wieder zweifelhaft ob Guntram wirklich todt ist; verschiedenen Berichten nach hat er am 6ten noch gelebt; Heinrich will selbst nach Süden, um Sicherheit zu erlangen; die armen Eltern!

Die inliegende Correktur ist gestern gekommen, ich schicke sie Dir, wie Du gewünscht hast, Briefe sind keine gekommen. Die Sachen nach München schicke ich am Mondtag7 oder Dienstag, denn vor Donnerstag wirst Du doch wohl nicht nach München kommen. Tuchers sind wieder zurück; ach und wie konnte ich das so lange ver-gessen, Luise hat seit Mittwoch früh einen 2ten kleinen Jungen. Bis Du hinkommst, kannst Du sie wohl sehen und sprechen auch wegen des Hochzeitsgeschenkes. Die Hochzeit soll am 15ten Oktober sein.

Unser kleiner Hausgenosse, das Eichhörnchen hat sich schon 2 Mal von der Kette losgerissen, Du kannst Dir denken zu welchem Jammer der Kinder, Therese hat es immer wieder glücklich eingefangen und im Triumph nach Hause gebracht, nun soll es aber doch eine Kiste haben, in unserm großen Hause wird sich wohl ein Platz dafür finden.

Doch nun Gott befohlen; mein Geliebter die Zeit drängt und der Brief soll mit dem Eilzug fort. Beste Grüße an Weizsäcker, Stälin und Kieser. Die Kinder grüßen von Herzen.

Ewig in treuer Liebe

 Deine Susanna.