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Susanna Maria Hegel, geb. Tucher, an Karl Hegel, Erlangen, 28. September 1870

Mein Liebster!

Hoffentlich ist Deine Klage, die mir in Deinem lieben gestrigen Brief1 so vorwurfsvoll ans Herz drang jetzt gründlich gehoben und Du hast meine 2 Briefe2 nebst Correkturen erhalten. Den ersten schickte ich ab Samstag Nachmittag, den andern Mondtag Mittag, immer unter Adresse von Stälin, der Dich ja immer am sichersten zu finden weiß. Über Deinen lieben Brief freute ich mich sehr, es geht Dir gut, Du bist vergnügt und befriedigt von Deinem Aufenthalt. Auch bei uns geht es gut, immer hübsch bunt und unruhig, Mariechen muß versorgt werden, Anna geht Sonntag oder Mondtag nach Würzburg, dazu ist am Sonntag3 der lieben Mutter Geburtstag4 wozu ich wahrscheinlich nach Nürnberg gehe, so bringt jeder Tag seine Abwechslung und Sorge. Ich dachte es am vorigen Sonntag bei dem Text, an den die Predigt von Prälat Kapf gewiß auch anknüpfte, wie schön es besonders für uns Frauen ist sich vor der Gefahr zu bewahren in den kleinlichen Sorgen des irdischen Lebens aufzugehen, wo jeder Tag uns die Sorgen oder wenigstens die Frage entgegen bringt. Was werden wir essen, womit werden wir uns kleiden. Ich freue mich für Dich, daß Du Gelegenheit gehabt mal wieder eine Predigt nach Deinem Herzen und Bedürfniß zu hören, es ist wirklich ein Segen, den wir hier je länger je mehr schmerzlich entbehren. Der gute Biarovsky ist gar zu langweilig; die Kirche wird auch immer leerer, und jetzt fehlt auch die Erbauung durch den schönen, kräftigen Gesang der jungen Leute und das Orgelspiel von Herzog, dem es wieder besser geht, aber noch soll er sehr jämmerlich sein.

Ich sende Dir hiermit all die gewünschten Sachen und hoffe, sie erwarten Dich schon in München. Suche nur Schwager Löffelholz bald auf, um ihm Deinen Glückwunsch zu sagen, wenn Du auch unsre Luise nicht sehen kannst, die leider wieder Sorge hatte um ihr ältestes Bübchen, wie ich aus einem Brief der lieben Mutter erfahre. Gottlob geht’s wieder besser. Auch das Hochzeitsgeschenk für Anna kannst Du mit Löffelholz noch endgültig besorgen, da am 3ten5 Oktober 1870 Hochzeit sein soll und er über eine etwaige Wahl nach Nürnberg berichtete. Es sollen 2 Bilder gegeben werden, die mit Rahmen 30 fl. Florin, Gulden kosten, also gerade die Summe von 6 Thailen repräsentiren. –

Eben hängt das Irrenhaus seine Fahne heraus und Georg bringt die Nachricht: Straßburg übergeben! Gottlob – wenn nur nicht zu viel Menschen dabei zu Grund gegangen sind, am Ende gehst Du doch noch hin, bist ja in Tübingen ganz nahe, aber welches Elend, welchen Gräuel der Verwüstung mochtest Du dann sehen müssen. Ich bin sehr gespannt auf Deinen Entschluß. – Doch nun weiter in der Angelegenheit des Hochzeitsgeschenkes. Also 6 Theile, entweder wir 5 Schwestern und Manuel (Friedrich soll seiner Zeit ihr, so Gott will, Etwas aus Paris mitbringen) oder wenn Du Etwas Hübsches, Passendes in München findest, das sich zum Geschenk für Manuel eignet, so kauf es in seinem Namen und die Bilder sind dann von uns 6 Geschwistern. Ich werde heute noch an Löffelholz schreiben und ihn an Dich verweisen. Sieh, nun kommst Du noch so unverhofft zur Hochzeit, ich schicke Dir die weiße Weste mit, im Fall Du sie brauchst, was sonst nöthig ist an Handschuhen, Cravatte etc. findet sich ja leicht in München; Ihr Herren habt’s ja leicht und gut in dieser Beziehung.

Gestern sind auch Hofmanns nach München, Du wirst sie jedenfalls schon gesehen haben, da sie auch im Bären wohnen.

Leb wohl, mein Liebster! Gott behüte Dich und führe Dich glücklich und froh zu uns zurück. Die Kinder grüßen bestens. Von Herzen Deine Susanna.

P. S. Einen Brief aus Cöln schicke ich Dir mit. Stehkragen hast Du alle mitgenommen, ich lege deßwegen Liegekragen bei.