Zu meiner und unser Aller großen Betrübniß wurden wir durch Deine Tochter Marie von der Verwundung des braven Willi benachrichtigt.1 Sie schrieb, daß eine Kugel ihm durch beide Beine gegangen sei, daß er in Vendome, von französischen Ärzten behandelt, liege und so bald als möglich fort transportiert werden solle. Deine Beziehungen zu den Feldgeistlichen werden gewiß dazu beitragen, daß alle Sorgfalt bei seiner Behandlung so wie bei dem Transport angewendet wird, und es wird ihm, dem Kranken, wie Euch, den Eltern und Geschwistern, die nächste und größte Wohlthat sein, daß er die treuste und liebevollste Pflege in dem eigenen Hause findet. Gott schütze ihn vor Allem auf dem langen und beschwerlichen Wege bis dorthin!
Die Art der Verwundung selbst läßt hoffen, daß keine Verletzung des Knochens stattgefunden hat, und so wird ja wohl auch – falls keine stärkere Blutung mehr zu besorgen ist – der Transport bald möglich sein. Möchte der liebe Kranke doch schon auf dem Wege sein! um nicht der gefährlichen Luft gefüllter Lazarette länger ausgesetzt zu werden. Da Du selbst es nicht nöthig findest, ihn abzuholen, so weißt Du ihn sicher in guten Händen geborgen, die ihn treu besorgen und geleiten werden. Ich bin herzlich beunruhigt und bitte Dich, mir bald weitere Nachricht zu geben.
Gestern Nachmittag waren wir in Nürnberg, um dem lieben Vater zum Geburtstag Glück zu wünschen, an welchem er das 76. Jahr vollendet hat; der Geburtstag2 war eigentlich schon am Tage zuvor, am 12., wurde aber erst gestern in der Familie gefeiert. Gottlob ist der liebe Vater, wenn auch nicht mehr so rüstig wie sonst, doch durchaus nicht hinfällig, so daß er bei jedem Wetter Abends in das ziemlich weit entfernte Theater geht. Er hatte die Freude außer seinen beiden Schwiegersöhnen in Nürnberg und Erlangen, auch den dritten, Ulrich, Carolinens Mann bei sich zu sehen, da letzterer erst vor wenigen Tagen von Paris her zurückgekommen ist. Er wurde als Oberlieutenant zum Dienst beim Depot in Nürnberg zurückberufen; inzwischen erfolgte, während er auf der Reise war, der Armeebefehl, in welchem er zum Hauptmann befördert worden ist unter Versetzung zu einem andern Regiment, das in Ingolstadt seinen Standort hat, und von dort her hat er jetzt wieder die Weisung erhalten, zu seinem Armee Corps vor Paris zurückzugehen. Aber einige Tage bei seiner Familie in Nürnberg blieben ihm doch vergönnt, weil er von einem Brustkatarrh befallen wurde. Er sieht sonst sehr gut und stärker als vorher aus. Das 2. Bayrische Armee Corps, bei welchem auch unser Friedrich steht, hat im ganzen nur wenig gelitten und in seiner tieferen Stationierung auf der Südseite von Paris schon seit längerer Zeit keinen Angriff mehr erfahren. Der abwechselnde Vorpostendienst ist zwar anstrengend und besonders einförmig, aber die Verpflegung reichlich und gut, abgesehen von den häufigen Sendungen von Hause, die regelmäßig in 4 Tagen von hier aus dort eintreffen. Auch Friedrich befindet sich wohl und schreibt oft. Wie viel schwerer und härter hatte es doch unser Willi, und wie oft habe ich bei den Märschen und Kämpfen des 10. Armee Corps für ihn gezittert!
Also noch einmal bitte ich um baldige Nachricht.
Herzliche Grüße an die lieben Deinen; in meinem Hause ist alles wohl.